1.6. – EU. Die Kommission stellt in einem „Reflexionspapier“ geplante Maßnahmen zur Vertiefung und Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) bis zum Jahr 2025 vor. Bis zur Wahl des Europäischen Parlaments 2019 sollen vor allem Projekte im Bereich der Bankenunion abgeschlossen werden. – Ein weiteres Papier befasst sich am 7.6. mit der europäischen Sicherheitskooperation und plädiert für eine forcierte Zusammenarbeit von der Abwehr „hybrider“ Bedrohungen bis hin zu einer eigentlichen Verteidigungsunion. Die Außenbeauftragte Mogherini erklärt, die Europäische Union wolle nicht in Konkurrenz zur Nato treten, aber ihre Zusammenarbeit mit dem Militärbündnis intensivieren. – Am 14.6. leitet die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Tschechien und Ungarn ein, denen die mangelnde Umsetzung der Vereinbarung über die Verteilung von Flüchtlingen vorgeworfen wird. – Am 19.6. beginnen in Brüssel die offiziellen Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens. Chefunterhändler sind der Franzose Michel Barnier für die EU-Institutionen und Brexit-Minister David Davis für Großbritannien. Zeitplan, Organisation und Prioritäten des auf zwei Jahre angelegten Verhandlungsprozesses werden in gemeinsamen „Terms of Reference“ festgehalten. Die erste Phase soll sich auf die Austrittsbedingungen, die zweite auf die künftigen Beziehungen konzentrieren. Davis bekräftigt die Grundposition der Regierung in London: Großbritannien werde sowohl den Binnenmarkt als auch die Zollunion verlassen; man strebe ein Freihandels- und ein Zollabkommen mit der Union an. Beide Seiten vereinbaren einen Dialog über die Behandlung Irlands und Nordirlands. – Am 22. und 23.6. treffen sich die Regierungschefs zu einem Gipfel in Brüssel. Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron treten anschließend vor die Presse und plädieren für die Stärkung der Währungsunion und gemeinsame Beschlüsse zur Verteidigung und Migrationspolitik.
– USA. Präsident Trump bekräftigt seine Absicht, das Pariser Klimaabkommen zu kündigen, gleichzeitig aber Verhandlungen über einen nachgebesserten Vertrag oder ein neues Abkommen zu beginnen. Trump macht jedoch klar, es würde ihm nichts ausmachen, wenn es nicht zu einer neuen Einigung komme. Das Pariser Abkommen sei für die Vereinigten Staaten extrem schädlich, da es das Land und seine Bevölkerung bestrafe, während andere große Verschmutzer, wie etwa China oder Indien, ihren Kohlesektor sogar ausbauen dürften. – Am 15.6. verabschiedet der Senat mit den Stimmen von 97 der 100 Senatoren ein Gesetz, das für jede Lockerung oder Abschaffung der nach der russischen Annexion der Krim gegen Russland verhängten Sanktionen das Einverständnis des Parlaments voraussetzt. – Am 16.6. kündigt Trump bei einem Auftritt in Miami Reisebeschränkungen und neue Sanktionen gegen Kuba an. Die Tage dieses Regimes seien gezählt. Die von seinem Vorgänger Obama betriebene Annäherungspolitik sei ein gescheitertes „Appeasement“. – Am 30.6. können nach juristischen Auseinandersetzungen die von Präsident Trump verhängten Einreisesperren für Menschen aus überwiegend muslimischen Ländern in abgeschwächter Form für zunächst 90 Tage in Kraft treten (vgl. „Blätter“, 3/2017, S. 126 und 4/2017, S. 125 f.).
4.6. – Bundesregierung. Nach neuen Anschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul mit Toten und Verletzten setzt sich Bundesaußenminister Gabriel gegenüber „Bild am Sonntag“ für Verhandlungen mit den Taliban ein. Frieden schließe man nicht mit Freunden, sondern mit Feinden. Nirgendwo auf der Welt könne man eine Lage rein militärisch befrieden. – Am 30.6. untersagt eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes an alle diplomatischen Vertretungen in Berlin grundsätzlich Auftritte ausländischer Politiker in der Bundesrepublik drei Monate vor Wahlen oder Abstimmungen in Deutschland oder in ihren Heimatländern. Ausnahmen müssen besonders genehmigt werden. Der türkische Präsident Erdogan hatte geplant, am Rande des bevorstehenden G 20-Gipfels in Hamburg Anfang Juli d.J. vor Landsleuten aufzutreten. „Wir teilen der Türkei mit“, so Außenminister Gabriel, „dass ein solcher Auftritt in Deutschland nicht möglich ist.“ Man werde Erdogan zum Gipfel „mit Ehren empfangen“, alles, „was darüber hinaus geht, halten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für angemessen“.
5.6. – Nato. Montenegro hinterlegt in Washington die Beitrittsurkunde zum Nordatlantikvertrag (North Atlantic Treaty) vom 4. April 1949 und wird damit 29. Mitglied der Allianz. An der Zeremonie im amerikanischen Außenministerium nimmt auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg teil. Russland hatte den geplanten Beitritt im Vorfeld erneut kritisiert und die „Osterweiterung“ der Allianz als Bedrohung der eigenen Sicherheit bezeichnet. – Am 9.6. bekennt sich US-Präsident Trump auf einer Pressekonferenz ausdrücklich zu Artikel 5 des Nato-Vertrages, der die Mitglieder zum gegenseitigen Beistand verpflichtet. Noch bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel im Mai d.J. hatte Trump ein solches Bekenntnis vermieden. – Vom 16.-23.6. findet in Litauen eine Großübung zur Stärkung der „Ostflanke“ statt, an der 5300 Militärs aus zehn Nato-Staaten beteiligt sind. Der multinationale Gefechtsverband steht unter Führung der deutschen Bundeswehr.
– Türkei/BRD. Der türkische Außenminister Cavusoglu weigert sich gegenüber Außenminister Gabriel in Ankara erneut, das von der Bundesregierung geforderte uneingeschränkte Besuchsrecht für Bundestagsabgeordnete bei den 260 deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik zu gewähren. Das Bundeskabinett beschließt am 7.6. die Verlegung der Bundeswehr-Tornados vom türkischen Incirlik auf den jordanischen Luftwaffen-Stützpunkt al-Asrak.
– Golfregion. Vier arabische Staaten, Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrein und die Vereinigten Arabischen Emirate unterbrechen die diplomatischen Beziehungen mit dem Emirat Katar, kappen alle Verkehrsverbindungen zur See und in der Luft und verhängen weitere Sanktionen. Zur Begründung heißt es, das Emirat unterstütze den Terror und finanziere vom Iran gesteuerte bewaffnete Gruppen, die in der Region Chaos verbreiteten. – Am 7.6. ratifiziert das türkische Parlament im Eilverfahren zwei Abkommen, die die Stationierung zusätzlicher Truppen in Katar und die Ausbildung von Sicherheitskräften des Emirates vorsehen. Die Türkei unterhält seit Oktober 2015 eine Militärbasis auf dem Territorium Katars, auf der gegenwärtig Unterkünfte für mehrere Tausend Soldaten entstehen. – Am 26.6. fordert der iranische Außenminister Zarif während eines Aufenthalts in Berlin Europa zur Vermittlung im Streit zwischen Saudi-Arabien und Katar auf und weist den Vorwurf des Terrorismus zurück.
8.6. – Großbritannien. Die von Premierministerin May angesetzten vorzeitigen Wahlen zum Unterhaus (650 Abgeordnete) enden mit einer Niederlage. Die regierende Konservative Partei verliert ihre absolute Mehrheit und stellt künftig nur noch 318 Abgeordnete. Die oppositionelle Arbeiterpartei legt zu und erhält 262 Mandate. May sichert sich die parlamentarische Unterstützung der zehn Abgeordneten der nordirischen Unionisten (Democratic Unionist Party/DUP) für ihre Minderheitsregierung. – Am 27.6. erklärt die Chefin der schottischen Regionalregierung Sturgeon im Parlament in Edinburgh, sie plane kein zweites Referendum über die Unabhängigkeit. Man werde sich jetzt um bestmögliche Bedingungen für Schottland im Rahmen des Brexit-Abkommens bemühen.
– Ukraine. Das Parlament bezeichnet den Beitritt des Landes zur Nato als politisches Ziel. Für den Beschluss stimmen 276 der 450 Abgeordneten.
11.6. – Spanien. Der Regionalpräsident von Katalonien Puigdemont setzt für den 1. Oktober d.J. ein Referendum über die Unabhängigkeit der Provinz von Spanien an. Das Ergebnis, ob Ja oder Nein, werde seine Regierung als Mandat akzeptieren. Die Zentralregierung in Madrid lehnt die Unabhängigkeit einzelner Regionen nachdrücklich ab.
12.-13.6. – G20. Zur Vorbereitung des Gipfels der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg (7.-8.7.) findet in Berlin eine hochrangig besetzte Afrika-Konferenz statt. Bundeskanzlerin Merkel fordert die anwesenden afrikanischen Präsidenten auf, keine „netten Worte“ zu machen, sondern „Tacheles“ zu reden. Der Präsident der Afrikanischen Union Condé stellt als erster Redner fest, es gebe Ideen und Initiativen, „ohne dass sich die gewünschten Ergebnisse einstellen“.
13.6. – Ungarn. Das Parlament verabschiedet ein umstrittenes „Transparenz-Gesetz“, das vom Ausland unterstützte Nichtregierungsorganisationen (NGO) strengen Regelungen unterwirft und mit Strafen bedroht. Regierungschef Orban erklärt, viele dieser Organisationen nähmen einen störenden Einfluss, wozu sie nicht legitimiert seien. Bei den EU-Institutionen in Brüssel heißt es, man werde die Entwicklung genau verfolgen.
18.6. – Frankreich. In der entscheidenden zweiten Runde zur Wahl der Nationalversammlung (Assemblée Nationale) kann die erst vor einem Jahr gegründete Partei des neuen Präsidenten Macron die absolute Mehrheit erreichen: La Republique en marche erhält zusammen mit der verbündeten Zentrumspartei MoDem 350 der insgesamt 577 Sitze. Die Sozialisten des bisherigen Präsidenten Francois Hollande erhalten nur noch 29 Sitze (2012: 280 Sitze). Der Front National von Le Pen kann zwar zulegen, stellt wegen des Mehrheitswahlrechts aber nur acht Abgeordnete.
19.6. – UNO. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge UNHCR stellt in einem Bericht fest, die Zahl der Flüchtlinge weltweit habe mit 65,6 Millionen (Stand Ende 2016) einen neuen Höchststand erreicht. Viele, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung flüchteten, seien im eigenen Land unterwegs. Etwa die Hälfte seien Kinder.
– Syrienkonflikt. Nach dem Abschuss eines syrischen Kampfjets durch die amerikanische Luftwaffe legt Russland den Kommunikationskanal zu den USA vorübergehend still. Der Kreml bezeichnet den Zwischenfall als feindlichen Akt, der zeige, dass Washington Terroristen unterstütze. Außenminister Lawrow fordert, die territoriale Integrität Syriens zu respektieren.
20.6. – Türkei. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, Chef der Republikanischen Volkspartei (CHP) wirft Präsident Erdogan vor, „Anordnungen an die Gerichte“ zu geben und damit Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Der CHP-Vorsitzende nennt den Staatspräsidenten einen Diktator und fügt hinzu: „Wenn mehr als 150 Journalisten im Gefängnis sind, könnt ihr niemandem weismachen, dass es in diesem Land Demokratie gibt.“ Die Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Umsturzversuch vom Juli 2016 sei ein weiterer „Putsch“.
– USA/Russland. Die amerikanische Regierung erweitert die gegen Russland verhängten Sanktionen. Weitere 38 Personen und Firmen sind betroffen. Die Bekanntgabe durch das Finanzministerium erfolgt während des Aufenthalts des ukrainischen Präsidenten Poroschenko in Washington. Russlands stellvertretender Außenminister Rjabkow sagt aus Protest eine Begegnung mit seinem US-Amtskollegen Shannon ab, die neuen Sanktionen seien ein politisches Geschenk an Poroschenko.
23.6. – Bundestag. Das Parlament fordert die Bundesregierung einstimmig auf, sich für einen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalisten einzusetzen. Dieser solle direkt dem UN-Generalsekretär berichten und darauf hinwirken, dass die UN-Mitgliedstaaten ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen für die Sicherheit von Journalisten nachkommen.
24.6. – Ukraine/Russland. Die Regierung in Kiew protestiert gegen einen Besuch von Präsident Putin auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim. Der Besuch sei eine „Verletzung der Souveränität der Ukraine“.
27.6. – Nordrhein-Westfalen. Als Ergebnis der Wahlen zum Landesparlament (vgl. „Blätter“, 7/2017, S. 126 f.) wird die Koalition von Sozialdemokraten und Grünen von einer Koalition aus Christdemokraten und Freien Demokraten abgelöst. Der Landtag wählt Armin Laschet (CDU) zum neuen Ministerpräsidenten. Laschet erhält im ersten Wahlgang 100 Stimmen bei 78 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen, 16 Stimmen sind ungültig. In der Landesregierung stellt die CDU neben dem Regierungschef neun Mitglieder, die FDP ist mit drei Kabinettsmitgliedern vertreten.
28.6. – Schleswig-Holstein. Nach der Wahlniederlage der von den Sozialdemokraten geführten Koalition (vgl. „Blätter“, 7/2017, S. 126) gehen Christdemokraten, Grüne und Freie Demokraten ein Regierungsbündnis ein. Der Landtag wählt Daniel Günther (CDU) zum Ministerpräsidenten. Günther erhält im ersten Wahlgang 42 von 73 Stimmen. Die „Jamaica-Koalition“ der drei Parteien verfügt über 44 Stimmen. Im Kabinett stellt die CDU neben dem Regierungschef drei Mitglieder, Grüne und FDP sind mit je zwei Mitgliedern vertreten.
30.6. – Russland. Die Regierung setzt die Zahlungen an den Europarat in Straßburg aus. Russischen Vertretern war wegen der Krim-Annexion das Stimmrecht entzogen worden.