Ausgabe April 2010

Bedingungslose Freiheit?

Warum die Grundeinkommensdebatte den Freunden des Kapitalismus in die Hände spielt

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Grundsatzurteil vom 9. Februar 2009 entschieden hat, dass die Hartz-IV-Regelsätze verfassungswidrig sind und neu berechnet werden müssen (für Kinder ebenso wie für Erwachsene), werden wieder Forderungen nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (bGE) laut – zumal das Gericht jedem Bürger einen Anspruch auf die „Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ zusichert.[1]

Von seinen Befürwortern wird das bGE als grundlegende Alternative zum Hartz-IV-System verstanden. Die Idee eines bGE proklamiert das soziale Grundrecht eines jeden Menschen gegenüber der Gemeinschaft, und damit gegenüber dem Staat, auf ein existenzsicherndes und Teilhabe ermöglichendes Grundeinkommen, auch und gerade dann – und hier wird die Nähe zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besonders deutlich –, wenn er oder sie ohne Erwerbseinkommen dasteht.

Der Zuspruch, den die Idee findet, speist sich zum einen aus dem entwürdigenden Charakter des herrschenden repressiven Fürsorgesystems, dem allein in Nordrhein-Westfalen rund 70 Prozent der statistisch gezählten Erwerbslosen mitsamt ihren Familien ausgesetzt sind. Dazu kommen noch die Familien der Aufstocker, also von teils vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Niedrig- und Armutslöhnen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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