Ausgabe November 2010

Vom Bürgerprotest zur Volkspartei?

Täglich neue Umfrageergebnisse beweisen es: Die Legitimationskrise der Parteien hält unvermindert an. Ereignisse wie der Kampf gegen Stuttgart 21, aber auch der Hamburger Volksentscheid zur Schulpolitik demonstrieren, wie wenig sie ihren Integrationsaufgaben noch gewachsen sind – und wie wenig sie erst recht den Keimen und Knoten nachhaltiger Lebenspraxis, wie man sie gerade in Schul- und Verkehrsprojekten antrifft, einen Entfaltungsraum und ein Experimentierfeld bieten.

Grün Gesinnte stehen derzeit wie selbstverständlich auf der Seite derjenigen, die den Ausbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs als unzeitgemäßes Prestigeobjekt ablehnen. Der Widerstand wird so zu einem Symbol sympathischen Bürgerprotests. Daraus ergeben sich neue Chancen: Aus den eher angstgetriebenen Demonstrationen der Anti-AKW-Bewegung in den 80er Jahren ist eine mit überlegenem Wissen ausgestattete Auseinandersetzung um unsere (Energie-)Zukunft geworden. Atomproteste und alternative Lebensstile sind aus der Öko-Nische herausgetreten, die APO 2.0 ist mehrheitsfähig geworden. Nichts hätte dies deutlicher machen können als der hunderttausendfache Einspruch gegen das Rollback der Bundesregierung in der Atompolitik.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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