Ausgabe Juni 2013

Der Konsumismus kennt keine Feinde

Wer wie ich das Glück hatte, irgendwann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem kapitalistischen Land geboren worden zu sein, ist in einer Welt aufgewachsen, die von der Vorstellung beseelt ist, dass alles immer verfügbar ist und zu sein hat. Diese Welt haben die westlichen Industrienationen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen, einer Zeit, die von spektakulärem Wirtschaftswachstum und zugleich radikal anwachsendem Materialverbrauch und sich rapide steigernden Zerstörungen von Naturressourcen geprägt war. Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass die ersten 200 Jahre kapitalistischer Wachstumswirtschaft noch vergleichsweise wenig angerichtet haben – erst nach dem Zweiten Weltkrieg ging es richtig los. Doch erst jetzt verbreitet sich diese Kultur über die ganze Welt; die exponentielle Steigerungslogik wird universell – mit allen ihren Folgen.

Es ist daher Unsinn, wenn gesagt wird, die Chinesen oder die Inder wollten „so sein wie wir“. Denn nicht einmal wir wollen noch so sein wie „wir“. Gemeinsam mit den Chinesen und allen anderen wollen wir an einem Kulturmodell teilhaben, das zwar im Westen erfunden wurde, das sich aber gerade dadurch auszeichnet, alle kulturellen Unterschiede radikal einzuebnen, zuerst in beschränkter räumlicher Ausdehnung, jetzt global.

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (9.50€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Klasse statt Identität

von Lea Ypi

Die Aufklärung wird heutzutage oft geschmäht, sowohl von rechts als auch von links. Von der Rechten, weil kritisches Reflektieren, der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen (Kant), schon immer eine Bedrohung für die passive Unterwerfung gegenüber Autorität bedeutet hat, die für die Normalisierung von Ausgrenzungen erforderlich ist.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.

Aliens unter uns?

von Ferdinand Muggenthaler

Es war ein dramatischer Appell an den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und Donald Trump, der Ende März in der „New York Times“ erschien. Es ging dabei jedoch nicht um die Klimakrise oder eine Friedenslösung für die Ukraine. Stattdessen forderte der Kommentator Thomas L. Friedman die beiden mächtigen Männer auf, die Künstliche Intelligenz einzuhegen.

Spanien: Das Land der armen Mieter

von Julia Macher

Es gibt nicht viele Themen, die in ganz Spanien Menschen auf die Straße bringen. Landesweite Demonstrationen prägen in der Regel den Weltfrauentag am 8. März, ansonsten vereint wenig das heterogene und politisch hochpolarisierte Land. Eine Ausnahme bildet das Thema Wohnraum.