Jubel ist ausgebrochen bei der Bush-Administration, ihren Verbündeten und den Regierungen in Lateinamerika. Was der jahrelange Contra-Krieg auf direktem Wege nicht zustande brachte, die Beseitigung des für die Vereinigten Staaten und die herrschenden Eliten Lateinamerikas so gefährlichen, revolutionären sandinistischen Projekts, haben die Wahlen geschafft. Welche Personen sich womöglich zukünftig in den Regierungssesseln breit machen werden, um das Rad der revolutionären Geschichte in ihrem Sinne zurückzudrehen, übersieht man geflissentlich in der weltweit entfachten Euphorie darüber, daß zum ersten Mal in der Geschichte eine revolutionäre Regierung bereit war, in „freien Wahlen" die Regierungsmacht abzugeben. Die USA zollen ihren verhaßten Feinden, den Sandinisten, Lob und Anerkennung, wie frei und demokratisch doch die Wahlen verlaufen seien. Der Tenor der Stellungnahme seitens der sowjetischen Regierung unterscheidet sich diesbezüglich nur geringfügig. Und auch Ludger Volmer von den Grünen erliegt als Mitglied der bundesdeutschen Wahlbeobachtungsdelegation leider dem Irrtum, daß der Wahlsieg von Violeta Chamorro als Ergebnis der freiesten Wahlen, die es jemals in Lateinamerika gegeben habe, anzuerkennen sei.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.