Offener Brief der Grünen (Beschlossen auf dem Sonderparteitag, Bayreuth am 23. September 1990)
Den nachstehend im Wortlaut dokumentierten „Offenen Brief", beschlossen auf dem Sonderparteitag der Grünen in Bayreuth am 23. September d. J., nahm die Bonner Staatsanwaltschaft sieben Wochen später zum Anlaß für eine polizeiliche Durchsuchung der Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Mehrere Dutzend Polizeibeamte und Staatsanwälte kamen am Nachmittag des 12. November zum Einsatz. In dem Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 12.11. heißt es zur Begründung der Durchsuchungsaktion: „Das beanstandete Flugblatt ruft zur Fahnenflucht und damit zu einer nach §16 WStG strafbaren Handlung auf. Das ist unzulässig. (§111 StGB) Unberührt bleibt dabei das politische Recht, für die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe zu werben und eine Änderung des Grundgesetzes im Hinblick auf den Einsatz deutscher Soldaten am Golf kritisch zu diskutieren. Solange es für einen Bürger rechtlich vorgesehene Möglichkeiten gibt, seinen Einsatz als Soldat am Golf zu vermeiden, kommt Fahnenflucht auch unter dem Gesichtspunkt des Notstandes nicht als Rechtfertigungsgrund in Betracht, so daß auch dann nicht zur Fahnenflucht aufgerufen werden darf, wenn man der Argumentation des Beschuldigten folgt." Die Polizeiaktion werde angeordnet, „da nach den bisherigen Ermittlungen zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird"; außerdem diene sie der Beschlagnahme des Flugblattes „in seiner gesamten Auflage sowie (der) zur Herstellung des Flugblattes gebrauchten oder bestimmten Vorrichtungen wie Platten, Formen, Drucksätze, Negative oder Matritzen..." Nach der nächtlichen Polizeiaktion im Berliner Parteivorstand der PDS am 18./19. Oktober, die wegen „Gefahr im Verzuge" ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluß erfolgte, handelt es sich um die zweite polizeiliche Durchsuchung einer Parteizentrale binnen weniger Wochen. D. Red.
Am 1.10: bzw. 4.10. werden wieder bundesweit und DDR-weit über 100 000 Rekruten zum Wehrdienst bei Bundeswehr und NVA einberufen.
In Eurer Dienstzeit stehen große Veränderungen an: Die NVA wird mit dem Zusammenschluß der BRDDR zu einer Teilstreitkraft der Bundeswehr, diese wird sich zunächst in der Kommandostruktur, dann mit Kampf verbänden nach Osten in den Bereich der bisherigen DDR ausdehnen.
Die Gesamtzahl der deutschen Soldaten wird zwar auf 370 000 Mann verringert, aber die laufenden Rüstungsprojekte-West und Modernisierungen in Ausrüstung, Ausrichtung und Struktur werden real eine Kampfkraftsteigerung bringen - also keine Abrüstung.
Die Bundesregierung will das Grundgesetz ändern, um die Bundeswehr künftig auch außerhalb des bisherigen NATO-Auftragsbereiches einsetzen zu können - z.B. an der Seite der USA am Golf. Die SPD ist auch dafür. Sie ist zufrieden, wenn dies nur „multinational und im Rahmen der UN" geschieht. [...]
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