6.5. - D e u t s c h l a n d f r a g e. Der amerikanische Außenminister Baker unterrichtet in Warschau die polnische Regierung über den am Vortag in Bonn gefaßten Beschluß, die Volksrepublik Polen zur Erörterung von Grenzfragen im Rahmen der Zwei-PlusVier-Verhandlungen zu dem geplanten Außenministertreffen im Juli d.J. nach Paris einzuladen (vgl. "Blätter", 6/1990, S. 646). Außenminister Skubiszewski nimmt das von Bundesaußenminister Genscher unterzeichnete Einladungsschreiben entgegen. - Am 25.5. konferiert der französische Präsident Mitterrand mit Präsident Gorbatschow in Moskau. Gleichzeitig treffen die beiden Außenminister Dumas und Schewardnadse zusammen. Auf einer Pressekonferenz spricht Gorbatschow von einer möglichen Doppelmitgliedschaft Deutschlands in NATO und Warschauer Vertrag. Mitterrand vertritt die Ansicht, eine Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands in der NATO müsse mit Garantien für die östlichen Nachbarn verbunden sein.
7.5. - E u r o p a r a t. Der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Schwede Anders Björck, erklärt zur Eröffnung der Frühjahrssession in Straßburg, die Versammlung wolle eine Rolle als parlamentarische Basis des KSZE-Prozesses übernehmen und zu diesem Zweck Parlamentariern aus den USA und Kanada einen Gästestatus anbieten. Der tschechoslowakische Präsident Havel erläutert am 10.5. vor der Versammlung seine Vorstellung von einer KSZE-Sicherheitskommission (vgl. "Blätter", 6/1990, S. 644). Diese Kommission könne schon auf dem KSZE-Gipfel im Herbst d.J. eingesetzt werden.
8.5. - A l b a n i e n. Vor dem Parlament in Tirana teilt Ministerpräsident Carcani mit, sein Land wolle sich künftig an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) beteiligen, um damit die "fruchtbare Zusammenarbeit" der europäischen Staaten zu unterstützen. Albanien war bisher als einziger europäischer Staat dem KSZE-Prozeß ferngeblieben. Der stellvertretende Regierungschef Myftiu kündigt in der Parlamentssitzung Reformen in Staat und Gesellschaft sowie die Ausgabe von Reisepässen an die Bürger des Landes an.
- C o s t a R i c a. Präsident Oscar Arias, Sozialdemokrat und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1987, übergibt die Präsidentschaft seinem im Februar d.J. gewählten Nachfolger, dem Christdemokraten Rafael Angel Calderon. In Presseberichten heißt es, der bisherige Präsident wolle sich mit der von ihm errichteten "Oscar-Arias-Stiftung für Frieden und menschlichen Fortschritt" weiterhin um die Beilegung der Regionalkonflikte in Lateinamerika bemühen.
9.5. - D D R. Die Vorsitzenden der 20 Einzelgewerkschaften bestimmen in Berlin einen dreiköpfigen Sprecherrat, dessen Mandat bis zur "Organisierung der Industriegewerkschaften und Gewerkschaften im DGB" befristet ist. Die amtierende Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) Helga Mausch erhält den Auftrag, einen Bundeskongreß vorzubereiten, auf dem die Auflösung der DDR-Gewerkschaft endgültig beschlossen werden soll. Am 17.5. erörtert die Volkskammer einen Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung und Ergänzung der Verfassung im Hinblick auf den angestrebten Staatsvertrag mit der Bundesrepublik. Justizminister Wünsche lehnt in der Debatte den Verfassungsentwurf des Runden Tisches vom 4. April 1990 (Text in "Blätter", 6/1990, S. 731 ff.) erneut ab.
11.5. - B R D / D D R. Bundeskanzler Kohl konferiert in Bonn mit dem SPD-Vorsitzenden Vogel über die Deutschlandpolitik. Dabei kommen auch die Einwände der Opposition gegen den vorliegenden Entwurf des Staatsvertrages zwischen beiden deutschen Staaten zur Sprache. Am gleichen Tage konstituiert sich im Bundestag ein Ausschuß für die deutsche Einheit, dem 39 Mitglieder angehören. CDU/CSU sind mit 18, SPD mit 14, FDP mit 4 und die Grünen mit 3 Abgeordneten vertreten. - Am 16.5. einigt sich Bundeskanzler Kohl mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer in Bonn auf die Schaffung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung der deutschen Einheit in Höhe von 115 Mrd. DM bis 1994. Davon sollen 95 Mrd. DM je zur Hälfte durch Bund und Länder als Anleihen am Kapitalmarkt aufgenommen werden. - Am 18.5. unterzeichnen Bundesfinanzminister Waigel (CSU) und sein DDR-Kollege Romberg (SPD) in Bonn den "Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" (Text in "Dokumente zum Zeitgeschehen"). Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident de Maizire halten kurze Ansprachen. Für den Bundesrat nimmt Westberlins Regierender Bürgermeister Momper teil. Der Vertrag, der noch von Bundestag, Bundesrat und Volkskammer ratifiziert werden muß, sieht "eine Wahrungsunion mit einem einheitlichen Währungsgebiet und der Deutschen Mark als gemeinsamer Währung" zwischen beiden deutschen Staaten, beginnend mit dem 1. Juli 1990, vor. - Am 21.5. verabschiedet der sozialdemokratische Parteivorstand in Bonn eine Entschließung, in der es heißt, die SPD könne dem Staatsvertrag "in der jetzt vorliegenden Fassung nicht zustimmen". Die Entschließung formuliert eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen, die "innerhalb oder außerhalb des Vertragstextes" vorgenommen werden könnten. Die SPD wolle ihre endgültige Entscheidung im "Lichte der Antworten" treffen, die sie auf ihre Forderungen von der Regierung erhalte. Am gleichen Tag billigt die Volkskammer in Berlin den Staatsvertrag in erster Lesung.
- N A T O. Die Frühjahrstagung der Nordatlantischen Versammlung, der Parlamentarier aus den 16 NATO-Staaten angehören, beginnt in Paris mit Beratungen über die Zukunft des Militärbündnisses. Erstmals nehmen Beobachter aus der DDR teil. - Vom 22.-23.5. befassen sich die Verteidigungsminister im Rahmen des Verteidigungs-Planungsausschusses in Brüssel mit einer möglichen Revision der Bündnisstrategie. In einem Kommuniqué heißt es u.a., "längerfristig" könne "die Fortführung des Rüstungskontrollpprozesses weitere Senkungen der Gesamtausgaben für Verteidigung ermöglichen".
12.5. - U d S S R. Die Präsidenten der drei Ostseerepubliken Vytautas Landsbergis (Litauen), Anatolijs Gorbunovs (Lettland) und Arnold Rüütel (Estland) vereinbaren bei einer Zusammenkunft in der estnischen Hauptstadt Tallinn die Koordinierung ihrer Politik innerhalb eines "Baltischen Rates". Der bis zur Eingliederung in die UdSSR im Jahre 1940 bestehende Vertrag über gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit vom 12. September 1934 soll erneut in Kraft gesetzt werden. - Am 29.5. wählt der Kongreß der Volksdeputierten der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) Boris Jelzin zum Präsidenten der größten Republik der UdSSR. Die Entscheidung fällt im dritten Wahlgang mit 535 von 1060 Deputiertenstimmen.
13.5. - N o r d r h e i n - W e s t f a l e n. Die alleinregierende SPD unter Ministerpräsident Johannes Rau kann bei der Landtagswahl ihre absolute Mehrheit verteidigen; erstmals ziehen die Grünen in den Landtag ein. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen (Angaben in %) auf SPD 50,0 (1985: 52,1), CDU 36,7 (36,5), FDP 5,8 (6,0), Grüne 5,0 (4,6). Zusammensetzung des neuen Landtags (137 Abgeordnete, bisher 127 Abgeordnete): SPD 122 (125), CDU 89 (88), FDP 14 (14), Grüne 12 (-). (Zu den Ergebnissen der Wahl vom 12. Mai 1985 vgl. "Blätter", 1/1986, S. 128.)
- N i e d e r s a c h s e n. Die Regierungskoalition von CDU und FDP unter Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) verliert bei der Wahl zum Landtag ihre Mehrheit; die SPD unter ihrem Spitzenkandidaten Gerhard Schröder wird stärkste Partei. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen (Angaben in %) auf SPD 44,2 (1986: 42,1), CDU 42,0 (44,3), FDP 6,0 (6,0), Grüne 5,5 (7,1). Zusammensetzung des neuen Landtags (155 Abgeordnete): SPD 71 (66), CDU 67 (69), FDP 9 (9), Grüne 8 (11). (Zu den Ergebnissen der Wahl vom 15. Juni 1986 vgl. "Blätter", 1/1987, S. 127.) SPD und Grüne nehmen am 17.5. Verhandlungen über eine Regierungsbildung auf, nachdem die FDP eine mögliche Beteiligung in einer Koalition mit den Sozialdemokraten abgelehnt hatte. 16.5. - U n g a r n. Der Vorsitzende des Ungarischen demokratischen Forum (MDF) Jozsef Antall stellt in Budapest das von ihm geführte Kabinett vor, in dem das Forum als stärkste Partei im Parlament (vgl. "Blätter", 6/1990, S. 644) acht Minister stellt, darunter den Außen-, Innen- und Verteidigungsminister. An der Koalition sind die Partei der Kleinlandwirte mit vier Ministern sowie die Christdemokratische Volkspartei mit einem Minister vertreten, drei Kabinettsmitglieder sind parteilos. Die Regierungsparteien verfügen über 229 der 386 Parlamentssitze. Antall legt dem Parlament am 22.5. sein Regierungsprogramm vor, das u.a. die EG-Mitgliedschaft Ungarns innerhalb von zehn Jahren anstrebt.
20.5. - R u m ä n i e n. Präsident Ion Iliescu (vgl. "Blätter", 2/1990, S. 134) wird mit 85% der Wählerstimmen in seinem Amt bestätigt. Die von ihm geführte Nationale Rettungsfront (FSN) erhält bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen 233 von 387 Mandaten im Abgeordnetenhaus und 92 von 119 Mandaten im Senat. Zweitstärkste Partei ist die Demokratische Union der Ungarn in Rumänien, gefolgt von der Nationalliberalen Partei.
20.-25.5. - D G B. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wählt auf seinem 14. Bundeskongreß in Hamburg eine neue Führungsspitze. Der scheidende Vorsitzende Ernst Breit erklärt in seiner Eröffnungsansprache u.a.: "Das ist der letzte DGB-Kongreß für das Gebiet der Bundesrepublik; vor uns liegt ein neuer Abschnitt der Geschichte." Die Nachfolge Breits übernimmt Heinz-Werner Meyer, bisher Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau und Energie. 22.5. - J e m e n. Die Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen) und die Jemenitische Arabische Republik (Nordjemen) vereinigen sich zur "Republik Jemen" mit der Hauptstadt Sanaa (Nordjemen). Staatsoberhaupt des neuen Staates ist der bisherige Präsident von Nordjemen General Ali Abdallah Saleh, Ministerpräsident der bisherige Präsident von Südjemen Haidar Abu Bakr alAtras (vgl. "Blätter", 3/1986, S. 258). Ein fünfköpfiger Präsidentschaftsrat soll den exekutiven und legislativen Zusammenschluß in einer Übergangsperiode von 30 Monaten überwachen.
25.5. - U N O. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen tagt in Genf, um dem PLO-Vorsitzenden Arafat die Teilnahme an einer Nahostdebatte zu ermöglichen. - Am 31.5. verhindern die USA auf einer Ratssitzung in New York mit ihrem Veto die Entsendung einer Beobachtermission in die von Israel besetzten Gebiete; die 14 übrigen Mitglieder befürworten eine entsprechende Resolution.
29.5. - E u r o p ä i s c h e B a n k. Vertreter von 42 Vertragsparteien unterzeichnen in Paris ein "Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung" (European Bank for Reconstruction and Development/EBRD). Zweck der neuen Bank, so heißt es in der Präambel, ist die "Unterstützung des wirtschaftlichen Fortschritts und Wiederaufbaus in den mittel- und osteuropäischen Ländern, die sich zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der Marktwirtschaft bekennen". Zu den Unterzeichnern des Übereinkommens gehören alle europäischen Staaten mit Ausnahme Albaniens sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Investitionsbank (EIB). Von den "nichteuropäischen Ländern" sind u.a. Australien, Japan, Kanada und die USA vertreten.
31.5. - U S A / U d S S R. Nach einem weiteren Meinungsaustausch der Außenminister Baker und Schewardnadse vom 15.-19.5. in Moskau (vgl. "Blätter", 5/1990, S. 518) kommt Präsident Gorbatschow zu einem Gipfeltreffen mit Präsident Bush nach Washington. Zu den Themen gehören die Abrüstung und Rüstungsbegrenzung, die Beilegung von Regionalkonflikten, die "äußeren Aspekte" der Vereinigung Deutschlands, sowie die Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit auf vielen Gebieten. Bush und Gorbatschow unterzeichnen u.a. eine Erklärung, die gemeinsame Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen, chemischen Waffen und Raketentechnologien festlegt. Am letzten Tag seines Amerikaaufenthalts (4. 6.) trifft Gorbatschow in San Francisco mit dem früheren amerikanischen Präsidenten Reagan zusammen.
4.6. - U d S S R / K o r e a (S ü d). Präsident Gorbatschow führt in San Francisco ein Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Roh Tae Woo. Roh erklärt anschließend vor der Presse, in absehbarer Zeit werde es "normale bilaterale Beziehungen" zwischen beiden Ländern geben.
5.6. - K S Z E. Im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) beginnt in Kopenhagen das zweite Treffen einer "Konferenz über die menschliche Dimension" (vgl. "Blätter", 3/1989, S. 381 und 8/1989, S. 907). Albanien erhält erstmals einen Beobachterstatus. Von den zur Eröffnung anwesenden Außenministern wird beschlossen, den geplanten KSZE-Gipfel im Spätherbst d.J. in Paris abzuhalten. Zuvor soll im September d.J. am Rande der UN-Generalversammlung in New York ein Vorbereitungstreffen auf Ministerebene stattfinden.