Ausgabe Mai 1990

Ein ganz eigentümliches Heimatgefühl

I

Es werden 16 Millionen Menschen bleiben, die - je nachdem zu welcher Generation sie gehören - an diesen 40 Jahren in je eigener Weise Anteil gehabt haben, Anteil an einer Geschichte, geprägt durch eine Parteidiktatur, die die; Gesellschaft einer Entfremdung unterworfen hat. - Dies war eine Entfremdung,

- die aber auf der anderen Seite eine ganz eigentümliche Identität des Heimatgefühls in dieser Abgeschlossenheit nach sich gezogen hat;

- die bei der Intelligenz eine ganz besondere Form des Widerstandes - inneren und schließlich auch äußeren Widerstand - erzeugt hat;

- die ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit osteuropäischer Dichtung und Kultur überhaupt in einem Maße produziert hat, wie es vorher nie der Fall gewesen ist, gerade unter den Bedingungen der Ablehnung der Moskauer Parteidiktatur, die ja den Künstlern in unserem Land und den Künstlern Rußlands gemeinsam gewesen ist.

Und es wird das Gefühl bleiben, daß es offenkundig den Leuten, die jenseits der Grenzen dieses Landes im Westen gelebt haben, doch in hohem Maße schwerfällt, die ganz besonderen Lebensbedingungen dieser 40 Jahre Geschichte zu verstehen.

II

Die DDR war auf jeden Fall etwas Künstliches. Um das zu beschreiben, braucht man nur an die Mauer, an die Grenzschutzanlagen, an die Stacheldrahtzäune zu erinnern.

Mai 1990

Sie haben etwa 41% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 59% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo