Ausgabe August 1991

Dokumente zur Hauptstadtdebatte:

Berlin-Antrag: Vollendung der Einheit Deutschlands (Wortlaut), Bonnantrag: Bundesstaatslösung (Wortlaut)

Am 20. Juni 1991 stimmten 338 Abgeordnete des Bundestages für den an erster Stelle dokumentierten Antrag, Berlin zum Regierungs- und Parlamentssitz zu bestimmen. Für die „Bundesstaatslösung" des Alternativantrages stimmten 320 Abgeordnete. Ein vermittelnder „Konsensantrag", den eine Abgeordnetengruppe um Heiner Geißler (CDU) vorgelegt hatte, erhielt nur 147 von 654 abgegebenen Stimmen. 489 Abgeordnete sprachen sich gegen eine Trennung von Parlaments- und Regierungssitz aus, 18 Abgeordnete enthielten sich. - Zur Hauptstadtdebatte und den Perspektiven nach der Entscheidung vgl. die Beiträge von Meinhard Miegel und Hans Arnold in diesem Heft. Thomas Schmid hatte in einem Beitrag für die Juni-Ausgabe der „Blätter" zur Debatte Stellung genommen. D. Red.

Vollendung der Einheit Deutschlands (Berlin-Antrag)

In Einlösung seiner Beschlüsse, in denen der Deutsche Bundestag seinen politischen Willen vielfach bekundet hat, daß nach der Herstellung der Deutschen Einheit Parlament und Regierung wieder in der deutschen Hauptstadt Berlin sein sollen, wolle der Deutsche Bundestag beschließen:

1. Sitz des Deutschen Bundestages ist Berlin.

2. Die Bundesregierung wird beauftragt, gemeinsam mit der Verwaltung des Deutschen Bundestages und dem Senat von Berlin bis zum 31.12.1991 ein Konzept zur Verwirklichung dieser Entscheidung zu erarbeiten. Dabei soll mit Herrichtung der notwendigen Kapazitäten für Tagungen des Deutschen Bundestages, seiner Fraktionen, Gruppen und Ausschüsse in Berlin schnell begonnen werden. Die Arbeitsfähigkeit soll in vier Jahren hergestellt sein. Bis dahin finden in der Bundeshauptstadt Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages nur auf Beschluß des Ältestenrates in besonderen Fällen statt. Die volle Funktionsfähigkeit Berlins als Parlaments- und Regierungssitz soll in spätestens 10 bis 12 Jahren erreicht sein.

3. Der Deutsche Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung geeignete Maßnahmen trifft, um ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament in Berlin nachzukommen und in entsprechender Weise in Berlin ihre politische Präsenz dadurch sichert, daß der Kernbereich der Regierungsfunktionen in Berlin angesiedelt wird.

4. Zwischen Berlin und Bonn soll eine faire Arbeitsteilung vereinbart werden, so daß Bonn auch nach dem Umzug des Parlaments nach Berlin Verwaltungszentrum der Bundesrepublik Deutschland bleibt, indem insbesondere die Bereiche in den Ministerien und die Teile der Regierung, die primär verwaltenden Charakter haben, ihren Sitz in Bonn behalten; dadurch bleibt der größte Teil der Arbeitsplätze in Bonn erhalten. Darüber hinaus werden für die Region Bonn - von der Bundesregierung bzw. von einer unabhängigen Kommission - unter Mitwirkung der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie der Stadt Bonn Vorschläge erarbeitet, die als Ausgleich für den Verlust des Parlamentssitzes und von Regierungsfunktionen die Übernahme und Ansiedlung neuer Funktionen und Institutionen von nationaler und internationaler Bedeutung im politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich zum Ziel haben.

5. Der Hauptstadtvertrag zwischen der Bundesregierung und der Stadt Bonn soll zu einem Bonn-Vertrag fortentwickelt werden zum Ausgleich der finanziellen Sonderbelastungen Bonns und der Region durch die Funktionsänderungen.

6. Die Bundestagspräsidentin wird gebeten, eine Kommission aus Vertretern aller Verfassungsorgane, der obersten Bundesbehörden und von weiteren unabhängigen Persönlichkeiten zu berufen. Diese Kommission soll - als unabhängige Föderalismuskommission - Vorschläge zur Verteilung nationaler und internationaler Institutionen erarbeiten, die der Stärkung des Föderalismus in Deutschland auch dadurch dienen soll, daß insbesondere die neuen Bundesländer Berücksichtigung finden mit dem Ziel, daß in jedem der neuen Bundesländer Institutionen des Bundes ihren Standort finden. Auch vorhandene Institutionen des Bundes in Berlin stehen dafür zur Disposition. [...]

 

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