6.10. - U N O. Erstmals in seiner Geschichte veranlaßt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Untersuchung über Kriegsverbrechen. Eine "unparteiische Expertenkommission" soll die vorliegenden Informationen über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien, insbesondere in Bosnien-Herzegowina, prüfen und einen entsprechenden Bericht vorlegen. - Am 9.10. untersagt der Sicherheitsrat den Konfliktparteien militärische Flüge über der Republik BosnienHerzegowina. Die Resolution, die keine Sanktionen festlegt, wird mit 10 Stimmen bei Enthaltung Chinas angenommen. - Am 12.10. wendet sich der britische Außenminister Hurd vor dem Auswärtigen Ausschuß des Unterhauses in London gegen einen ständigen Sitz Deutschlands und Japans im Sicherheitsrat. Ein solcher Beschluß würde nur die Bewerbung anderer Staaten nach sich ziehen und neue Kontroversen zu einem Zeitpunkt herbeiführen, da das Gremium gut funktioniere. Eine Veränderung der Zusammensetzung des Rates setze die Änderung der UN-Charta voraus und dies sei eine außerordentlich schwierige Operation. - Am 29.10. fordert der Sicherheitsrat alle UN-Mitgliedstaaten auf, die Weltorganisation über ihre generelle Bereitschaft zur Bereitstellung spezieller Truppenreserven für schnelle Einsätze in Krisenfällen zu unterrichten. Der Rat folgt mit seiner Erklärung einer Anregung der von Generalsekretär Boutros-Ghali ausgearbeiteten "Agenda für den Frieden" (Text in "Blätter", 9/1992, S. 1130 ff.).
9.10. - S ü d a f r i k a. Präsident de Klerk bedauert in einer Rede in Winburg die bisher praktizierte Rassentrennung und kommt damit einer Forderung der schwarzen Mehrheit teilweise nach. Die Weißen hätten zu lange an der Apartheid festgehalten: "Das tut uns leid." In einer Stellungnahme des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) heißt es am 10.10., de Klerk habe versäumt, den gesamten Sachverhalt darzustellen: "Apartheid ist dunkel, unterdrückend und ungerecht."
- G U S. Die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beraten in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek über die künftige Zusammenarbeit. Die vorgesehene Gründung eines zentralen wirtschaftlichen Kooperationsrates kommt nicht zustande.
10.10. - T s c h e c h o s l o w a k e i. Die Regierungen der Tschechischen und der Slowakischen Republik legen nach Verhandlungen in Kolodeje Maßnahmen für die Zeit nach der geplanten Auflösung der Föderation am 1. Januar 1993 fest; umstritten bleibt die gemeinsame Staatsbürgerschaft. Die Krone soll als einheitliche Währung bis Ende Juni 1993 erhalten bleiben. - Am 3.11. teilt das Verteidigungsministerium in Prag mit, die der bisherigen CSFR nach dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSEVertrag; vgl. "Blätter", 1/1991, S. 5) erlaubte Truppenstärke von 140000 Mann werde im Verhältnis zwei zu eins auf die Tschechische bzw. die Slowakische Republik aufgeteilt.
11.10. - R u m ä n i e n. Präsident Ion Iliescu wird in der Stichwahl (zum ersten Wahlgang vgl. "Blätter", 11/1992, S. 1286) in seinem Amt bestätigt. Nach dem veröffentlichten Endergebnis entfallen auf Iliescu 61,4% und auf den oppositionellen Gegenkandidaten Emil Constantinescu 38,6% der abgegebenen Stimmen. 12.10. - A n g o l a. Nach der inoffiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses der am 29. und 30. September d.J. abgehaltenen Parlaments- und Präsidentenwahlen kommt es in der Hauptstadt Luanda erneut zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Bürgerkriegsgegnern (vgl. "Blätter", 7/1991, S. 774). Der Führer der Widerstandsorganisation UNITA, Jonas Savinbi, hatte das Ergebnis als grobe Fälschung zugunsten der Regierungspartei MPLA und des amtierenden Präsidenten Eduardo Dos Santos bezeichnet und eine Annullierung des Wahlvorgangs gefordert.
12.-18.10. - C h i n a. In der Großen Halle des Volkes in Peking findet der 14. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas statt. Der Kongreß wählt ein stark verjüngtes Zentralkomitee, acht der bisherigen Mitglieder des Politbüros, das von 14 auf 20 Personen erweitert wird, scheiden aus Altersgründen aus. Generalsekretär der KP Chinas, deren Mitgliederzahl mit 51 Mill. angegeben wird, bleibt Jiang Zemin.
12.-23.10. - K S Z E. Auf einem Expertentreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Genf wird der Entwurf eines Übereinkommens fertiggestellt, das im Falle von Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten die Einschaltung von Schlichtern oder Schiedsrichtern vorsieht. Die Verfahren, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden sind, werden vor einer besonderen Schlichtungskommission (Conciliation Commission) oder einem Schiedsgericht (Arbitral Tribunal) durchgeführt. Schlichter und Schiedsrichter bilden einen Gerichtshof (Court) innerhalb der KSZE. Entscheidungen der Kommissionen und Gerichte ergehen mit Stimmenmehrheit, Schiedssprüche sind verbindlich. Das Übereinkommen, das dem KSZE-Rat auf seiner Sitzung in Stockholm im Dezember d.J. zur Beratung vorliegen wird, enthält die "feierliche Verpflichtung" der Unterzeichnerstaaten, ihre "Streitfälle mit friedlichen Mitteln beizulegen". - Am 21.10. gewährt das neugeschaffene KSZE-Forum für Sicherheitskooperation (FSK) in Wien Japan als erstem Nichtteilnehmerstaat einen beratenden Status. Japanische Diplomaten erhalten vor dem Forum (zur Eröffnung vgl. "Blätter", 11/1992, S. 1286) ein Rederecht, können jedoch an der Beschlußfassung nicht mitwirken.
13.10. - D ä n e m a r k. Das Parlament befürwortet mit Mehrheit neue Verhandlungen über den Vertrag von Maastricht. Die Regierung hatte zuvor in einem "Weißbuch" den Austritt des Landes aus der Europäischen Gemeinschaft als eine von acht möglichen Optionen nach der Ablehnung der Verträge durch die Bevölkerung (vgl. "Blätter", 7/1992, S. 774) bezeichnet.
16.10. - E G. Unter dem Vorsitz des Ratspräsidenten der Europäischen Gemeinschaft, Premierminister Major (Großbritannien), findet in Birmingham eine Sondertagung der Staats- und Regierungschefs (Europäischer Rat) statt, die sich mit dem Stand der Ratifizierung der Verträge von Maastricht befaßt (vgl. "Blätter", 2/1992, S. 133, und 11/1992, S. 1284). In einer "Erklärung von Birmingham" kündigt der Rat Vorschläge an, "wie die Arbeit der Gemeinschaftsorgane offener zu gestalten ist". Es gehe darum, künftige "Entscheidungen so bürgernah wie möglich" zu treffen und die europäische Einheit "ohne übermäßige Zentralisierung" zu erreichen.
16.-17.10. - N a h e r O s t e n. Die Führungsgremien der Palästinensischen Befreiungs-Organisation (PLO) erörtern in Tunis das weitere Vorgehen bei der Friedenskonferenz über den Nahen Osten in Washington. Nach kontroverser Debatte heißt es in einer Erklärung, die PLO strebe weiterhin "einen unabhängigen Staat" an, der "eine Konföderation mit Jordanien bildet", stimme jedoch auch einer "kurzen Übergangsphase der Autonomie" zu. - Am 28.10. wird die Friedenskonferenz (vgl. "Blätter", 11/1992, S. 1284) bis zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen (3.11.) vertagt; eine neue Runde soll vom 9.-19. November d.J. stattfinden. In Äußerungen der arabischen Delegationen heißt es übereinstimmend, bisher sei in keinem einzigen wesentlichen Punkt ein wirklicher Fortschritt erzielt worden. Hauptstreitpunkt sei nach wie vor die Weigerung Israels, die besetzten Gebiete vollständig zu räumen.
19.10. - R u ß l a n d / U S A. Präsident Jelzin unterzeichnet in Moskau ein Dekret, das die Frist für den einseitigen Verzicht auf Kernwaffenversuche bis zum Juli 1993 verlängert. Jelzin fordert bei dieser Gelegenheit ein weltweites Moratorium aller Atommächte. Auf Beschluß von Senat und Repräsentantenhaus hatten die USA zuvor ebenfalls einen Verzicht auf Kernwaffentests für neun Monate, beginnend am 1. Oktober d.J., erklärt. - Am 4.11. ratifiziert das russische Parlament in Moskau mit 157 gegen eine Stimme bei 26 Enthaltungen den amerikanisch-sowjetischen Vertrag über die Reduzierung von Strategischen Rüstungen (START; vgl. "Blätter", 9/1991, S. 1030). Der Austausch der Ratifikationsurkunden kann erst nach Zustimmung der drei ehemaligen Sowjetrepubliken Belarus (Weißrußland), Kasachstan und der Ukraine erfolgen.
20.-21.10. - N A T O. Die Nukleare Planungsgruppe (NPG) erörtert auf der Ebene der Verteidigungsminister im schottischen Gleneagles "Entwicklungen im sicherheitspolitischen Umfeld" der NATO. In einem Kommuniqué heißt es u.a., das neue strategische Konzept der Allianz erlaube "eine verminderte Abstützung auf Nuklearwaffen", bestätige "aber zugleich die entscheidende Rolle wirksamer, auch in Europa stationierter Nuklearwaffen für das Bündnis".
23.10. - A b r ü s t u n g. Vertreter der USA, der Russischen Föderation sowie der ehemaligen Sowjetrepubliken Belarus (Weißrußland), Kasachstan und Ukraine einigen sich in Genf auf eine Verfahrensordnung für die Gemeinsame Kommission (Joint Compliance and Inspection Commission/JCIC) zur Überwachung des amerikanisch-sowjetischen Vertrages vom Juli v.J. über die Reduzierung der Strategischen Rüstungen (START). Grundlage für die Tätigkeit der Kommission ist neben dem Vertragstext das am 23. Mai d.J. in Lissabon unterzeichnete Protokoll (vgl. "Blätter", 9/1991, S. 1030, und 7/1992, S. 773 ).
- U n g a r n / T s c h e c h o s l o w a k e i. Die ungarische Regierung reicht beim Internalionalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen in Den Haag Klage gegen die Tschechoslowakei ein. Anlaß ist ein Rechtsstreit um die Inbetriebnahme des Donaukraftwerks Gabcikovo auf dem Territorium der Slowakei. Ungarn, das ökologische Folgeschäden mit einem Absenken des Wasserspiegels der Donau befürchtet, hatte ein ursprünglich mit der Tschechoslowakei geschlossenes Abkommen über den Bau einseitig gekündigt. Am 28.10. paraphieren beide Seiten in London ein Memorandum, das u.a. die Bildung einer trilateralen Expertenkommission unter Einschluß der Europäischen Gemeinschaft vorsieht, die die Auswirkungen des Kraftwerksbetriebs auf Umwelt und Schiffahrt untersuchen soll. Der slowakische Regierungschef Meciar erklärt dazu, im Falle eines Verfahrens vordem IGH müsse das Gericht auch die Frage des Schadenersatzes der ungarischen Seite wegen Nichterfüllung des Vertrages prüfen.
23.-27.10. - C h i n a / J a p a n. Der japanische Kaiser Akihito besucht die VR China, wo er von Staatspräsident Yang Shangkun begrüßt wird. Es handelt sich um den ersten Aufenthalt eines japanischen Monarchen in China. Auf einem Bankett äußert Akihito in einer Tischrede, sein Land habe in der Vergangenheit dem chinesischen Volk großes Leid zugefügt, was er tief bedaure. Eine von den Gastgebern gewünschte formelle Entschuldigung für die japanischen Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrieges spricht der Kaiser nicht aus.
26.10. - K a n a d a. Die von der Bundesregierung mit den Provinzen im August d.J. ausgearbeitete Verfassungsreform (Charlottetown Accord) findet bei einem Referendum nur in drei der zehn Provinzen eine Mehrheit und gilt damit als abgelehnt. Die Zahl der Nein-Stimmen beträgt landesweit 54,8%. Ministerpräsident Mulroney erklärt zu dem Ergebnis, man werde sich jetzt vorrangig um die wirtschaftlichen Probleme des Landes kümmern.
3.11. - U S A. Der Gouverneur des Staates Arkansas, Bill Clinton, Kandidat der Demokraten, kann die Wahlkampagne um die 42. Präsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika mit deutlichem Vorsprung für sich entscheiden. Bei einer Wahlbeteiligung von rd. 55% werden für Clinton 43%, für den Kandidaten der Republikaner, den amtierenden Präsidenten George Bush 38% und für den unabhängigen Bewerber Ross Perot 19% der gültigen Stimmen abgegeben. Von den 538 Mitgliedern (Elektoren) des Wahlgremiums (Electoral College), das am 14. Dezember d. J. zusammentritt, sind auf Clinton 370 aus 32 Bundesstaaten sowie aus der Hauptstadt Washington (District of Columbia), auf Bush 168 aus 18 Bundesstaaten verpflichtet; das Quorum beträgt 270 Elektorenstimmen. Die ebenfalls am 3.11. stattfindende Wahl zum Repräsentantenhaus (435 Abgeordnete) und Teilwahlen zum Senat (35 von 100 Senatoren) bringen keine wesentliche Änderung in der Zusammensetzung der beiden Kammern des Kongresses, in denen die Demokraten über die Mehrheit verfügen. Clinton und sein nominierter Vizepräsident Al Gore werden ihr Amt am 20. Januar 1993 antreten. (Zur Wahl vom 9. November 1988 vgl. "Blätter", 1/1989, S. 4.)
4.11. - G r o ß b r i t a n n i e n. Mit der knappen Mehrheit von nur drei Stimmen (mit 319 gegen 316 Stimmen) votiert das Unterhaus für eine Vorlage der Regierung zur Europapolitik. Gegenstimmen kommen nicht nur von der Opposition, sondern auch von 26 Abgeordneten der regierenden Konservativen. In Presseberichten heißt es, Premierminister Major habe für den Fall einer Niederlage mit einem Rücktritt und möglichen Neuwahlen gedroht. Major teilt am 5.11. überraschend mit, er werde die Verträge von Maastricht erst nach einem für das Frühjahr 1993 geplanten zweiten Referendum in Dänemark dem Parlament zur dritten Lesung vorlegen.