6.11. - U d S S R. Die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) und die Russische Kommunistische Partei (RKP) werden auf dem Territorium der Russischen Föderation endgültig verboten, das Parteivermögen verfällt dem Staat (vgl. "Blätter", 10/1991, S. 1158 f.). Das entsprechende Dekret ist von Präsident Jelzin unterzeichnet. - Am 7.11., dem 74. Jahrestag der Oktoberrevolution, erhält Leningrad seinen früheren Namen St. Petersburg zurück. An der offiziellen Zeremonie nimmt auch Großfürst Romanow teil, ein Neffe des letzten russischen Zaren. - Am 14.11. setzt der Staatsrat die sowjetische Verfassung außer Kraft. Gültig seien nur noch die Verfassungen der Republiken. Die bisherige "Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" solle nach Abschluß des neuen Unionsvertrages künftig "Union Souveräner Staaten" heißen. - Vom 18.-21.11. verhandeln Vertreter der "Gruppe der Sieben" (G-7), der Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA angehören, in Moskau über die Regelung der sowjetischen Auslandsschulden. Ergebnis der Verhandlungen ist ein Memorandum, mit dem sich die Republiken Armenien, Weißrußland, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Rußland, Tadschikistan und Turkmenistan als "souveräne Staaten" zur gemeinsamen Übernahme der Verbindlichkeiten der Union bereit erklären. Das Memorandum soll weiteren Republiken zur Unterzeichnung offenstehen. Die G-7 hatte eine vertragliche Regelung zur Voraussetzung für weitere Finanzhilfen gemacht. Am 19.11. tritt der ehemalige Außenminister Eduard Schewardnadse (zum Rücktritt vgl. "Blätter", 2/1991, S. 133 f.) erneut an die Spitze des Außenministeriums. Die Ernennung erfolgt nach Rücksprache mit den Republiken durch Präsident Gorbatschow. In einem von der Zeitung "Iswestija" am 21.11. veröffentlichten Interview weist Schewardnadse auf die Gefahr eines neuen Putsches hin. - Am 25.11. kommt es entgegen einer getroffenen Absprache nicht zur Paraphierung des neuen Unionsvertrages. Nach einer Zusammenkunft mit Vertretern von sieben Republiken teilt Präsident Gorbatschow in Nowo-Ogarjewo bei Moskau mit, es sei zu kontroversen Diskussionen gekommen. Man habe entschieden, den Vertrag in einer nochmals überarbeiteten Fassung zunächst den Parlamenten der einzelnen Republiken vorzulegen. Präsident Jelzin erklärt am 29.11., falls die Ukraine nach einer Unabhängigkeit der neuen Union nicht beitreten wolle, werde auch Rußland den Vertrag nicht unterschreiben. Das Ausscheiden der zweitgrößten Republik "wäre ein schwerer Schlag nicht nur für die Union, sondern auch für Rußland". - Am 1.12. stimmt die Bevölkerung der Ukraine mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit. Gleichzeitig wird der bisherige Parlamentspräsident Leonid Krawtschuk zum Präsidenten der Republik gewählt. Das Parlament in Kiew suspendiert am 5.12. den Vertrag vom Dezember 1922 über die Gründung der UdSSR. Präsident Krawtschuk erklärt vor den Abgeordneten, die Ukraine erhebe keine Gebietsansprüche gegenüber ihren Nachbarn, erkenne aber auch keine fremden Gebietsansprüche an. Die Ukraine wird von der Russischen Föderation als unabhängiger Staat anerkannt. - Am 3.12. richtet Präsident Gorbatschow einen Aufruf an die Parlamente der Republiken und fordert die Abgeordneten auf, den ihnen vorliegenden Entwurf des Unionsvertrages "in den kommenden Tagen" zu erörtern und zu billigen. Gorbatschow schreibt, "eine gemeinsame Katastrophe" sei unausweichlich, "wenn wir den Prozeß der Desintegration nicht stoppen".
- T s c h e c h o s l o w a k e i. Die Nachrichtenagentur CSTK berichtet aus dem Verteidigungsministerium, die Tschechoslowakei werde die Truppenstärke von gegenwärtig 160000 Mann bis zum Jahre 2005 auf 80000 bis 90000 Soldaten reduzieren. Der Grundwehrdienst in den Streitkräften solle ab 1993 von 18 auf 12 Monate verkürzt werden.
7.-8.11. - N A T O. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten treten in der italienischen Hauptstadt zu einem Gipfel zusammen. Verabschiedet werden ein Dokument über "Das neue Strategische Konzept des Bündnisses", eine "Erklärung von Rom über Frieden und Zusammenarbeit" sowie Erklärungen zur Entwicklung in der Sowjetunion und zur Lage in Jugoslawien. Das Strategiekonzept entwickelt in 60 Punkten Elemente einer künftigen NATO-Militärdoktrin und geht von der Feststellung aus, daß "die politische Teilung Europas, Ursache der militärischen Konfrontation während des Kalten Krieges" überwunden sei. In der "Erklärung von Rom" werden jährliche Treffen des Nordatlantikrates auf Ministerebene mit den Mitgliedstaaten des ehemaligen Warschauer Vertrages sowie den drei baltischen Staaten im Rahmen eines "Nordatlantischen Kooperationsrates" vorgeschlagen. Das erste Treffen solle im Dezember d.J. in Brüssel stattfinden.
8.11. - J u g o s l a w i e n. Die Außenminister der zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften vereinbaren am Rande der NATO-Gipfelkonferenz in Rom Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien. Die EG-Mitglieder im UN-Sicherheitsrat erhalten den Auftrag, sich für ein weltweites Ölembargo gegen Jugoslawien einzusetzen. - Am 14.11. erklärt EG-Vermittler Lord Carrington nach einem Gespräch mit dem jugoslawischen Verteidigungsminister Kadijevic in Belgrad, auf allen Seiten bestehe "Übereinstimmung darüber, daß es eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen geben sollte". Carrington war am Vortag mit den Präsidenten Tudjman (Kroatien) und Milosevic (Serbien) zusammengetroffen. Am 25.11. fordert der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Konfliktparteien auf, durch Einhalten der Waffenruhe die Voraussetzung für eine Stationierung von UN-Friedenstruppen zu schaffen. - Am 29.11. befaßt sich der KSZE-Ausschuß Hoher Beamter (AHB) in Prag auf einer Dringlichkeitssitzung erneut mit der Lage in Jugoslawien und befürwortet eine Entsendung von Friedenstruppen der Vereinten Nationen, die jedoch keine Anerkennung von Territorialgewinnen sanktionieren dürfe. Die jugoslawische Delegation hatte sich vergeblich um eine Verschiebung des Treffens bemüht. - Am 1.12. trifft der ehemalige amerikanische Außenminister Vance im Auftrag der Vereinten Nationen erneut in Jugoslawien ein (vgl. "Blätter", 12/1991, S. 1412.) Vance äußert nach Gesprächen in Belgrad und Zagreb am 5.12. seine Enttäuschung über die Nichteinhaltung der vereinbarten Waffenruhe. Die Bedingungen für die Entsendung von UN-Friedenstruppen seien noch nicht gegeben. - Am 5.12. fordert das österreichische Parlament die Regierung einstimmig auf, Kroatien und Slowenien völkerrechtlich anzuerkennen. In Presseberichten aus Bonn heißt es am gleichen Tag, Bundeskanzler Kohl habe in Gesprächen mit dem slowenischen Präsidenten Kucan (3.12.) und dem kroatischen Präsidenten Tudjman (5.12.) die Anerkennung der beiden Republiken durch die Bundesrepublik noch im laufenden Jahr zugesagt.
- B u l g a r i e n. Der Vorsitzende der Union der Demokratischen Kräfte (UDK), Philip Dimitroff, dessen Partei die Wahlen vom 13. Oktober d.J. gewonnen hatte, bildet eine neue Regierung. In einer kurzen Ansprache vor dem Parlament erklärt Dimitroff, das Land durchlebe die schwerste Krise seit dem zweiten Weltkrieg, befinde sich international in der Isolation und habe seine Märkte in der Sowjetunion und im Nahen Osten verloren.
11.11. - B R D / U d S S R. Bundeskanzler Kohl empfängt in Bonn den sowjetischen Verteidigungsminister Schaposchnikow, der sich auf Einladung von Bundesverteidigungsminister Stoltenberg in der Bundesrepublik aufhält. Zu den Themen des Gesprächs gehört der weitere Verlauf des Abzugs der Sowjettruppen aus den ostdeutschen Garnisonen. Bei einem Besuch der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg kündigt Minister Schaposchnikow am 12.11. eine weitreichende Militärreform in der UdSSR an. Der Umfang der Streitkräfte solle weiter verringert werden. - Vom 21.-23.11. stattet der russische Präsident Jelzin der Bundesrepublik einen Besuch ab, wo er u.a. mit Bundeskanzler Kohl sowie mit Bundespräsident v. Weizsäcker zusammentrifft. Kohl und Jelzin unterzeichnen am 21.11. in Bonn eine "Gemeinsame Erklärung", in der es heißt: "Deutschland und Rußland werden ihre Beziehungen im Einklang mit dem Völkerrecht, der Achtung der Grundsätze der Souveränität und territorialen Integrität... gestalten."
- I s r a e l / S ü d a f r i k a. Beide Staaten vereinbaren eine verstärkte Zusammenarbeit auf allen Gebieten. Ein entsprechender Vertrag wird während eines Besuches des südafrikanischen Präsidenten de Klerk in Israel unterzeichnet.
14.11. - K a m b o d s c h a. Prinz Norodom Sihanouk kehrt aus dem Exil in Peking in die kambodschanische Hauptstadt zurück, um den Vorsitz des Nationalen Staatsrates zu übernehmen (vgl. "Blätter", 12/1991, S. 1414). Der Prinz, der Phnom Penh nach dem Einmarsch vietnamesischer Truppen im Januar 1979 verlassen hatte, übt bis zu den für 1993 angesetzten Präsidentschaftswahlen das Amt des Staatsoberhaupts aus.
15.11. - C h i n a / U S A. Der amerikanische Außenminister Baker trifft zu Gesprächen mit der chinesischen Regierung in Peking ein. Baker ist der ranghöchste Politiker der USA, der nach der gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung (vgl. "Blätter", 8/1989, S. 906) die Volksrepublik besucht.
18.11. - W E U. Der Ministerrat der Westeuropäischen Union (WEU) erörtert in Bonn "die Stellung und die spezifische Rolle der WEU in der künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur". Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei und Ungarn werden "zur Teilnahme an einem Sondertreffen mit den Mitgliedern des Rates" eingeladen.
19.11. - K S Z E. Bundesaußenminister Genscher setzt sich in einer Rede vor dem Auswärtigen Ausschuß der französischen Nationalversammlung in Paris für einen neuen Abstimmungsmodus und das Abgehen von dem strikten Konsensprinzip innerhalb der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein. Die Funktionsfähigkeit der Organe der KSZE verlange, "wenn es um Menschenrechte, Minderheitenrechte, um Selbstbestimmungsrechte und um die Wahrung der Demokratie geht, Handlungsfähigkeit der KSZE-Strukturen auch gegen den betroffenen Staat". Die Formel müsse lauten: "Konsens aller minus betroffener Staat."
26.11. - E u r o p a r a t. Die Republik Polen wird 26. Mitglied der Organisation. Der polnische Außenminister Skubiszewski unterzeichnet in Straßburg die Beitrittsurkunde sowie die Europäische Konvention für Menschenrechte. Auf Beschluß der zuständigen Ratsgremien werden die Beziehungen zu Jugoslawien vorläufig "suspendiert".
28.11. - B u n d e s t a g. Das Parlament stimmt auf Empfehlung seines Ältestenrates für die Einsetzung einer Gemeinsamen Verfassungskommission, der 32 Abgeordnete des Bundestages und 32 des Bundesrates angehören sollen. Die Kommission wird "über Verfassungsänderungen und -ergänzungen, die den gesetzgebenden Körperschaften vorgeschlagen werden sollen", beraten und dazu bis zum 31. März 1993 einen Bericht vorlegen. Von den 32 Kommissionsmitgliedern des Bundestages werden CDU/CSU 15, SPD 11, FDP 4 Mitglieder sowie Bündnis 90/Grüne und PDS je 1 Mitglied entsenden.
- R u m ä n i e n. Das Parlament in Bukarest fordert die Regierung in einer Resolution auf, mit der Ukraine über Gebietsansprüche zu verhandeln. Im Falle einer Unabhängigkeit der Ukraine sei die im Jahre 1940 erzwungene Abtretung rumänischen Territoriums an die UdSSR "null und nichtig".
2.12. - U S A / U d S S R. In einer gleichlautenden Erklärung befürworten die beiden Regierungen ein gemeinsames Vorgehen zur Unterstützung des Friedensprozesses in El Salvador. Voraussetzung für den Beginn der nationalen Aussöhnung sei zunächst ein international kontrollierter Waffenstillstand zwischen den Bürgerkriegsparteien.
3.12. - U N O. Die Generalversammlung wählt in New York per Akklamation den stellvertretenden ägyptischen Ministerpräsidenten Boutros Boutros-Ghali zum neuen Generalsekretär der Vereinten Nationen für eine Amtszeit von fünf Jahren (1992-1996). Die Wahl erfolgt auf Empfehlung des Sicherheitsrates, der Ghali am 21.11. mit elf Stimmen bei vier Enthaltungen nominiert hatte. Der neue Generalsekretär ist nach Trygve Lie (Norwegen), Dag Hammarskjöld (Schweden), Sithu U Thant (Burma), Kurt Waldheim (Österreich) und Javier Perez de Cuellar (Peru) der erste Afrikaner in diesem Amt.
- L a t e i n a m e r i k a. Die Gipfelkonferenz der "RioGruppe", der 13 Staaten des Kontinents angehören, äußert sich "tiefbesorgt" über die Lage in Kuba. In einer in Cartagena (Kolumbien) veröffentlichten Abschlußerklärung heißt es u.a.: "Wir sind bereit, dazu beizutragen, daß Kuba zur Demokratie zurückfindet, Menschenrechte respektiert und ein offenes Wirtschaftsmodell einführt."
4.12. - N a h e r O s t e n. Zur Fortsetzung der zweiseitigen Gespräche im Rahmen der Friedenskonferenz über den Nahen Osten (vgl. "Blätter", 12/1991, S. 1412 f.) treffen die arabischen Delegationen im Außenministerium in Washington ein. Wegen Meinungsverschiedenheiten über den Termin der von den USA anberaumten Sitzung hatte Israel die Ankunft seiner Vertreter erst für den 9.12. angekündigt.