Lateinamerika: Vom Verlorenen Jahrzehnt zur Dekade der Hoffnung?
Krise und Aufbruch in Lateinamerika
Lateinamerika, so schien es in den letzten Jahren, näherte sich afrikanischen Verhältnissen. Die Massenarmut nahm zu, der gesellschaftliche Wohlstand ab, für die Entwicklung in manchen Staaten war Talfahrt noch ein Euphemismus; die Wirtschaften waren instabil und häufig hoch inflationär; die Auslandsschulden stiegen, die Kapitalabflüsse auch, und kaum ein Unternehmen investierte in der Region; die politischen Systeme waren formal demokratisch, tatsächlich jedoch oligarchisch wie eh und je. Hat Lateinamerika nicht nur eine „verlorene Dekade" hinter sich, sondern auch vor sich - nach dem Motto „Gestern standen wir vor dem Abgrund - heute haben wir einen großen Schritt nach vorn getan"?
Wir teilen diese Sichtweise nicht. Es scheint uns, daß sich nicht nur in Osteuropa ungeheure und tiefgreifende Veränderungen vollziehen. Im Schatten von Perestroika, Gorbatschow, dem Fall der Berliner Mauer, der Implosion der sozialistischen Regime und dem chaotischen Entstehen von Marktwirtschaften in den osteuropäischen Ländern haben sich auch in Lateinamerika Umwälzungen von großer Tragweite vollzogen. Rückblickend lassen sich die 80er Jahre als eine „leise Revolution" interpretieren, die sich seit Ende der Jahrzehnte beschleunigt hat und noch nicht zum Abschluß gekommen ist.