Ausgabe Juni 1992

Schuld des Westens

Die Entspannungspolitik und ihre Verfechter werden neuerdings, in der merkwürdigen Verfremdung eines Rückspiels out of time, wieder ähnlich scharf bekämpft wie vor und während der Durchsetzung dieser Politik. Dabei ergeben sich verblüffende Konstellationen: Die CDU sieht sich unverhofft unterstützt, z. T. gar schon von rechts kritisiert, seitens (ex-)linker Intellektueller; Sozialdemokraten, Kirchenleuten, den Verfechtern der Entspannung wird heute vorgeworfen, was Intellektuelle, kritische Köpfe seinerzeit an ihre Seite zog: der Bruch mit den „Werten" des „totalitären Antikommunismus" (Gaus), die Kalten Krieg und „CDU- Staat" dominiert hatten und 1970, angesichts der Neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition, in Slogans wie „Scheel und Brandt an die Wand!" kulminierten. - Der Eifer, mit dem heute manche rückwirkend über die damals eingeleitete Politik herfallen, wirkt insofern wenig originell.

Dabei hat jene „moralische" Ostpolitik, die kompromißlose Konfrontation mit den Kommunisten, die heute post festum hochgemut eingefordert wird, ihre Bewährung in der Praxis längst hinter sich. Ihr Scheitern war schließlich, in den 60er Jahren, gerade der Ausgangspunkt der Entspannung.

Juni 1992

Sie haben etwa 37% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 63% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo