Ausgabe Januar 1994

Müssen wir die Politik neu erfinden?

Trotz der epochalen Ereignisse des Jahres 1989 hat sich am deutschen Politikverständnis und am Parteiensystem wenig gewandelt: Die christdemokratisch-liberale Koalitionsregierung behielt ihre Mehrheit in den ersten gesamtdeutschen Wahlen. Die SPD blieb Oppositionsführerin. Das Bundestagsplenum wurde nur ergänzt durch die kleine Gruppe der Grünen/Bündnis '90 aus den neuen Bundesländern, während die westlichen Grünen, auch das sicher eine Einheitsfolge, den Zug, d.h. den Einzug verpaßten. Ganz neu ist nur die PDS, die zwar sicher noch länger in Landtagen der neuen Bundesländer bleiben, aber im nächsten Bundestag kaum vertreten sein wird. Ist also business as usual angesagt?

Von außen betrachtet sicherlich. Die internationalen Ängste gerade einer Frau Thatcher vor neuen deutschen Großmachtambitionen sind schnell verklungen. Das Chaos in Osteuropa läßt die innerdeutschen Probleme als geradezu lächerlich und luxuriös erscheinen. Die Deutschen, so sieht es vom Ausland her aus, krempeln die Ärmel auf, fleißig und effizient, wie sie nun einmal sind, bereiten sie einen zweiten Wiederaufbau vor, legen den Grundstein für ein zweites deutsches Wirtschaftswunder.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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