Ausgabe Januar 1995

Auf der linken Seite des deutschen Sonderwegs

Hebt man in diesem Winter einige auf dem Weg liegende „Blätter" aus dem letzten Jahr auf, so stellt man fest: Die neue Zuwendung zum okzidentalen Universalismus wird nicht angemessen als Damaskus aufgefaßt, sie bleibt äußerlich und geht nicht mit der nötigen Revision linker Denkgewohnheiten einher. Nach wie vor soll der Staat zugunsten des Volkes entmachtet werden, nach wie vor steht Hobbes im Gegensatz zu Rousseau in schlechtem Licht, nach wie vor herrscht materialistische Metaphysikfurcht mit der Wirkung, daß Sprache und Prozedur substantiellen Inhalten vorgezogen werden, nach wie vor wird der philosophische Dualismus zwischen der Realität und einer davon unabhängigen normativen Ordnung abgelehnt und der den deutschen Sonderweg kennzeichnende Monismus weitergeführt.

Vom Bock zum Gärtner

Gegenüber dem Angriff der jungen Rechten formiert sich bei den alten Linken ein Selbstbewußtsein, das den Begriff Selbstanerkennung verwendet. Man will mit diesem von Golo Mann in den 60er Jahren geprägten Begriff zur Würdigung der republikanischen Leistung der Bundesrepublik auffordern und einer Erscheinung vorbeugen, die man Weimarisierung nennt: der Distanzierung der geistigen Oberschicht von der demokratischen Staatsform. Nicht zufällig hat man einen Begriff gewählt, der sich auf die „alte Bundesrepublik" bezog.

Januar 1995

Sie haben etwa 29% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 71% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo