1.4. - N a h e r O s t e n. Der russische Außenminister Kosyrew trifft während eines Israelaufenthalts in Gaza mit dem PLO-Vorsitzenden Arafat zusammen. Erörtert werden der Fortgang des Friedensprozesses sowie die Lage im Gazastreifen und im Westjordanland. - Am 6.6. tauschen Israel und Jordanien erstmals Botschafter aus. Der israelische Botschafter Shimon Shamir bezeichnet seine neue Aufgabe als eine große Herausforderung.
3.4. - R u ß l a n d. Der russische Verteidigungsminister Gratschow erklärt gegenüber seinem in Moskau weilenden amerikanischen Kollegen Perry, falls die NATO auf der geplanten Osterweiterung bestehe, werde sich Rußland vorbehalten, als "Gegenmaßnahme" seine Teilnahme an dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag; Auszüge in "Blättern", 1/1991, S. 166 ff.) zu überprüfen. Eine Verschiebung der Grenzen des NATO-Raums gegen Osten käme einer "Isolation der aufgenommenen Länder von Rußland" gleich. Ein neues Sicherheitssystem könne nicht auf der Basis der Nordatlantischen Allianz aufgebaut werden, sondern bedürfe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Vorsitzende des Föderationsrates Schumeiko äußert im Gespräch mit Perry: "Ein Weiterbestehen der NATO betrachten wir als ein Hindernis für den Fortschritt auf dem Weg zum Frieden." Auf keinen Fall dürfe einer der baltischen Staaten in die Allianz aufgenommen werden. - Am 18.4. warnt Außenminister Kosyrew in einer Rede vor dem Rat für Auslandsrussen vor nationalistischen Bestrebungen unter den Auslandsrussen und vor der "Gefahr eines jugoslawischen Szenarios in den riesigen Weiten der ehemaligen Sowjetunion". Es könnten jedoch Fälle auftreten, "bei denen die direkte Anwendung militärischer Gewalt zum Schutze unserer Landsleute im Ausland notwendig ist". Die Lage der russischsprachigen Bevölkerung in manchen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sei nicht zufriedenstellend. Am 26.4. kündigt der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte, General Wladimir Semjonow, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Interfax die Aufstellung einer neuen Armee-Einheit (58. Armee) im Nordkaukasus an. Diese Maßnahme sei nicht vereinbar mit den im KSE-Vertrag festgelegten Obergrenzen, angesichts der instabilen Lage im Nordkaukasus habe jedoch "die Sicherheit Rußlands und seiner territorialen Integrität" Vorrang vor der buchstabengetreuen Erfüllung des Vertrages.
B R D / T ü r k e i. Außenminister Inönü kommt zu einem Kurzbesuch nach Bonn, um der Bundesregierung die türkische Militäraktion gegen die Kurden im Nordirak zu erläutern (vgl. "Blätter", 5/1995, S. 518). In Presseberichten heißt es, Bundesaußenminister Kinkel habe auf einen baldigen Rückzug der türkischen Streitkräfte und eine politische Lösung des Kurdenproblems gedrängt. Inönü, der auch mit Bundestags-Präsidentin Süßmuth sowie mit dem SPD-Vorsitzenden Scharping zusammentrifft, wiederholt die türkische Behauptung, die Armee setze bei ihren Operationen gegen Kurden keinerlei durch Deutschland gelieferte Waffen ein.
6.4. - A b r ü s t u n g. Die fünf Atommächte China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA, die auch ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sind, geben vor der in Genf tagenden Abrüstungskonferenz "Schutzerklärungen" gegenüber den Nichtkernwaffenstaaten ab. In der amerikanischen Erklärung heißt es: "Die Vereinigten Staaten bekräftigen, daß sie keine Atomwaffen gegen Staaten ohne Atomwaffen einsetzen werden, die Partner des Atomwaffensperrvertrages sind, ausgenommen im Falle einer Invasion oder eines anderen Angriffs auf die Vereinigten Staaten, deren Alliierte oder einen Staat, gegenüber dem sie eine sicherheitspolitische Verpflichtung haben." Die Volksrepublik China verpflichtet sich zusätzlich, niemals Nuklearwaffen gegen ein anderes Land einzusetzen, ob dieses nun den Atomsperrvertrag unterschrieben habe oder nicht. - Am 7.4. wird die Frühjahrssession der Abrüstungskonferenz in Genf ohne Einigung überein umfassendes Atomtestverbot beendet. In Presseberichten heißt es, ein unterschriftsreifer Teststoppvertrag (Comprehensive Test Ban Treaty / CTBT) werde voraussichtlich erst im kommenden Jahr vorliegen. - Am 11.4. befaßt sich der Sicherheitsrat in New York mit den Garantien der Atommächte für Nichtnuklearstaaten, die von dritter Seite mit Atomwaffen bedroht oder angegriffen werden. Die dazu einstimmig angenommene Resolution, die die Atommächte zu bestimmten Hilfeleistungen verpflichtet, wird von einigen blockfreien Staaten als zu allgemein und zu unverbindlich kritisiert. - Am 17.4. beginnt in New York eine Konferenz der Teilnehmerstaaten des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Text in "Blätter", 7/1968, S. 767 ff.). Die Konferenz hat die Aufgabe, zu beschließen, ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit in Kraft bleiben oder um eine Frist oder mehrere weitere Fristen verlängert werden soll" (Artikel X, Absatz 2). Beschlüsse müssen mit Mehrheit der Vertragsparteien getroffen werden. Der amerikanische Vizepräsident Al Gare setzt sich in seiner Begrüßungsrede für die "unbegrenzte und bedingungslose Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages" ein. Im gleichen Sinne äußert sich der russische Außenminister Kosyrew am 25.4. vor dem Plenum. Jede andere Entscheidung wäre ein "unverzeihlicher Fehler". Kosyrew spricht sich für die Beseitigung aller Atomwaffen aus, was jedoch enorme technische und finanzielle Mittel erfordere. 7.4. - E U. Das Europäische Parlament fordert den Rat der Europäischen Union auf, einem neuen Partnerschaftsabkommen mit Rußland erst nach Beendigung des Krieges in Tschetschenien zuzustimmen. In einer in Straßburg angenommenen Resolution heißt es, zunächst müsse eine friedliche Lösung gesucht und ein politischer Prozeß zur Wiederherstellung von Menschenrechten und Demokratie eingeleitet werden. - Am 10.4. richten die EU-Außenminister auf einer Zusammenkunft in Luxemburg einen Appell an die Türkei, ihre Truppen aus dem Nordirak zurückzuziehen. Der gemeldete Teilrückzug von 3000 Mann sei nicht ausreichend.
I r a k / T ü r k e i. Die irakische Regierung verlangt in einem Kommuniqué den sofortigen Abzug der türkischen Invasionstruppen aus dem Norden des Landes. Der Einmarsch stelle einen Bruch internationalen Rechts dar, die Türkei sei für alle Konsequenzen verantwortlich. - Am 11.4. äußert der stellvertretende amerikanische Außenminister Talbott nach Gesprächen mit der Regierung in Ankara Verständnis für das Vorgehen des türkischen Militärs. Die USA seien jedoch nicht bereit, eine längerfristige Präsenz der Türkei im Nordirak oder eine Annäherung zwischen Ankara und Bagdad hinzunehmen. - Am 12.4. konstituiert sich in Den Haag eine kurdische Exilvertretung. Das niederländische Außenministerium weist eine Protestnote der türkischen Botschaft gegen die Zusammenkunft zurück. Nach eine Kabinettssitzung erklärt Ministerpräsident Kok am 13.4., ein Land, das Menschenrechte nicht sehr ernst nehme, sei nicht in der besten Position, den Niederlanden Lehren zu erteilen. Außenminister Van Mierlo fügt hinzu, die garantierte Versammlungsfreiheit gelte ebenso für Niederländer wie für Ausländer. - Am 19.4. lehnt es die türkische Ministerpräsidentin Ciller vor der Presse in Washington ab, ein genaues Datum für den Rückzug der Truppen aus dem Nordirak zu nennen. Frau Ciller, die zuvor im Weißen Haus ein Gespräch mit Präsident Clinton geführt hatte, spricht von einer Invasion mit begrenzter Dauer.
11.4. - O S Z E. Der Ständige Rat setzt auf einer Sitzung in Wien eine "Assistenzgruppe" für Tschetschenien ein. Die Gruppe, die vorerst aus sechs Mitgliedern besteht, soll vor Ort die Einhaltung der Menschenrechte kontrollieren und "Hilfestellung bei der Ausarbeitung möglicher neuer verfassungsrechtlicher Vereinbarungen und bei der Abhaltung und Überwachung von Wahlen" leisten. In dem Mandat heißt es weiter, eine "friedliche Regelung der Krise" müsse "im Einklang mit dem Prinzip der territorialen Integrität der Russischen Föderation und in Übereinstimmung mit den OSZE-Prinzipien" erfolgen.
J u g o s l a w i e n. Vertreter der aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und der USA bestehenden internationalen Kontaktgruppe konferieren in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Milosevic. Anschließend heißt es, in dem sehr intensiven Gespräch sei es um die völkerrechtliche Anerkennung Bosniens durch Serbien gegangen. Die Kontaktgruppe muß einen für den 12.4. geplanten Besuch in Sarajevo absagen, nachdem die bosnischen Serben eine Sicherheitsgarantie für den Flughafen verweigert hatten. - Am 30.4. bemüht sich der Sonderbeauftragte der Vereinigten Nationen für das ehemalige Jugoslawien, der japanische Diplomat Akashi vergeblich, in Gesprächen mit den beteiligten Bürgerkriegsparteien eine Verlängerung des am gleichen Tag auslaufenden Waffenstillstandes in Bosnien zu erreichen (vgl. "Blätter", 2/1995, S. 134).
13.4. - F i n n l a n d. Präsident Ahtisaari vereidigt in Helsinki ein neues Kabinett, dem die Vertreter von fünf Parteien angehören. An der "Regenbogenkoalition", die im Reichstag über 145 der 200 Parlamentssitze verfügt, beteiligen sich die Konservativen, die liberale Schwedische Volkspartei, die Sozialdemokraten, die Grünen sowie die Linkssozialisten (Kommunisten). Ministerpräsident ist der Sozialdemokrat Lipponen, dessen Partei aus den Wahlen vom 19. März d.J. mit einem Stimmenanteil von 28,3% als stärkste Partei hervorgegangen war.
22.4. - Ö s t e r r e i c h. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) in einer großen Koalition regiert, wählt auf einem Parteitag in Wien Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel mit 526 von 521 Stimmen zum neuen Obmann (Parteivorsitzender); der bisherige Obmann, Unterrichtsminister und Vizekanzler Erhard Busek, hatte nach innerparteilichen Diskussionen auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Busek scheidet ebenso wie der langjährige Außenminister Alois Mock (ÖVP) aus dem Kabinett aus. Schüssel wird Außenminister und Vizekanzler.
25.4. - E u r o p a r a t. Vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg wendet sich der estnische Präsident Meri gegen eine Aufnahme Rußlands in die Organisation. Meri befürwortet gleichzeitig eine zügige Ausdehnung der Nordatlantischen Allianz nach Mittel- und Osteuropa. Gemäß der neuen europäischen Architektur sollten NATO und Europarat mit der Zeit deckungsgleich werden. Die Ministerpräsidenten von Bulgarien und Ungarn, Widenow und Horn, bezeichnen den geplanten Beitritt ihrer Länder zur NATO und zur Europäischen Union als unabwendbar. Horn erklärt, Rußland stehe kein Vetorecht gegen eine solche Mitgliedschaft zu.
26.4. - N A T O. Malta tritt als 26. Land dem Programm "Partnerschaft für den Frieden" bei (Text in "Blättern", 2/1994, S. 243 ff.). Außenminister de Marco erklärt nach der Unterzeichnung der Beitrittsurkunde im NATO-Hauptquartier in Brüssel, sein Land betrachte die Kooperation mit der Allianz als eine Vorstufe für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union, wolle jedoch ein neutrales Land bleiben.
27.4. - B e r l i n / B r a n d e n b u r g. Der Regierende Bürgermeister Diepgen (CDU) und Ministerpräsident Stolpe (SPD) unterzeichnen im Jagdschloß Glienicke einen Vertrag über den Zusammenschluß der Bundesländer Berlin und Brandenburg. Landeshauptstadt soll Potsdam sein. Der Fusionsvertrag muß noch von den beiden Länderparlamenten mit Zweidrittelmehrheit gebilligt werden, die endgültige Entscheidung fällt in einer Volksabstimmung (5. Mai 1996), bei der die Zustimmung von 25% der Wahlberechtigten erforderlich ist. Der Zusammenschluß ist für das Jahr 1999 oder 2002 geplant.
28.4. - B u n d e s t a g / B u n d e s r a t. Beide Parlamentsgremien halten in Bonn eine gemeinsame Gedenksitzung zum 50. Jahrestag des Kriegsendes ab. Bundestagspräsidentin Süßmuth (CDU) und Bundesratspräsident Rau (SPD) wenden sich gegen jede Aufrechnung von Schuld und Leid. Der 8. Mai 1945, so Frau Süßmuth, sei nicht zu trennen vom 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübernahme Hitlers. Hauptredner der Gedenkstunde ist der polnische Außenminister Bartoszewski (vgl. "Dokumente zum Zeitgeschehen").
28.4. - G r o ß b r i t a n n i e n. Eine Delegiertenkonferenz der Arbeiterpartei (Labour Party) in der Londoner Baptist Central Hall stimmt mit 65 gegen 35% einer Änderung von Absatz 4 (Clause 4) des Parteiprogramms zu. Damit wird die seit 1918 von der Partei vertretene Forderung nach Verstaatlichung der Produktionsmittel und Dienstleistungsbetriebe aufgegeben. Die Delegierten folgen einer Empfehlung von Labour Chef Tony Blair.