Die gegenwärtige innenpolitische Krise in der Türkei kam nicht unerwartet. Sie ist lediglich der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die spätestens 1993 begann. Der unerwartete Tod von Turgut Özal im April 1993 hatte Süleyman Demirel die Chance eröffnet, nicht länger hinter seinem ehemaligen Schützling und späteren Erzrivalen Özal zurückzustehen und selbst Staatspräsident der Republik Türkei zu werden. Demirel, der nach der Absetzung als Ministerpräsident beim Militärputsch von 1980 beharrlich sein Comeback betrieben hatte, war 1991 an der Spitze einer Koalition seiner konservativen "Partei des Rechten Weges" (DYP) und der "Sozialdemokratischen Volkspartei" erneut Ministerpräsident geworden. Nach seinem Ausscheiden aus Partei und Regierung 1993 trat Frau Tansu Ciller die Nachfolge als Parteivorsitzende und Ministerpräsidentin an. Sie setzte die Koalition mit der SHP fort. Die Koalitionsvereinbarungen stellten die Privatisierung von staatseigenen Unternehmen als Anliegen der DYP und die Demokratisierung als Anliegen der SHP in den Vordergrund.
Die Wirtschaftsprofessorin Ciller, erst seit 1990 politisch aktiv, Vorzeigefrau der DYP im Wahlkampf 1991 und anschließend für Wirtschaftsfragen zuständige Staatsministerin, zeigte als Ministerpräsidentin wenig politisches Geschick.