2.3. - A l b a n i e n. Das Parlament in Tirana verhängt mit sofortiger Wirkung einen landesweiten Ausnahmezustand und reagiert damit auf vorangegangene schwere Zusammenstöße zwischen bewaffneten Demonstranten und der Polizei. Von den 140 anwesenden Abgeordneten stimmen 118 für das Gesetz, das den Einsatz des Militärs ermöglicht. Nach einem Finanzskandal, bei dem ein Teil der Bevölkerung seine gesamten Ersparnisse verloren hatte, war es zunächst in Südalbanien zur Erstürmung von Banken und öffentlichen Gebäuden sowie zur Plünderung von Waffendepots gekommen. In Presseberichten ist von einem regelrechten Bürgerkrieg die Rede. Trotz der Rücktrittsforderungen der Opposition läßt sich Präsident Berisha am 3.3. vom Parlament für eine zweite Amtszeit wählen. Präsidentensprecher Pollo bezeichnet die Unruhen als das Werk von Kriminellen, die versuchten, die Regierung zu stürzen. Die oppositionellen Sozialisten bieten am 4.3. ihren Eintritt in eine "Große Koalition" an. Das Angebot wird mit der dramatischen Lage im Lande begründet und von Berisha zunächst abgelehnt. - Am 9.3. einigt sich Berisha mit Vertretern der Opposition auf die Bildung einer "Regierung der nationalen Aussöhnung" und auf vorzeitige Parlamentswahlen, die "nicht später als Juni 1997 stattfinden" sollen. In einer entsprechenden Vereinbarung wird auch eine "Generalamnestie" angekündigt. Die "Bürger in allen Landesteilen Albaniens" werden aufgefordert, Waffen und Munition abzugeben. Das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt am 11.3. Bashkim Fino, der den Sozialisten angehört.
3.3. - N a h e r O s t e n. Der amerikanische Präsident Clinton erklärt in Washington gegenüber Palästinenserpräsident Arafat, der Beschluß Israels zum Bau neuer jüdischer Siedlungen in Ostjerusalem (vgl. "Blätter", 4/1997, S. 389) schaffe kein Vertrauen, sondern führe zu Mißtrauen. - Am 10.3. vertritt Arafat vor Journalisten die Ansicht, nach dem Baubeschluß für die widerrechtliche Siedlung am Jebel Abu Ghuneim (Har Homa) und der Absicht Israels, palästinensische Einrichtungen in Ostjerusalem zu schließen, stecke der Friedensprozeß im Nahen Osten in einer tiefen Krise. - Am 12.3. weist Ministerpräsident Netanjahu bei einem Besuch in Moskau die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik zurück. Netanjahu wendet sich auch gegen eine von Präsident Arafat nach Gaza einberufene internationale Konferenz. - Am 15.3. eröffnet Arafat in Gaza eine eintägige diplomatische Konferenz, an der u.a. Vertreter Rußlands, der USA, Norwegens und der Europäischen Union teilnehmen. Arafat erklärt in seiner Rede, die israelische Siedlungspolitik und der Frieden seien so unvereinbar wie Terrorismus und Frieden. - Am 30.3. empfehlen die Außenminister der Arabischen Liga nach einer Zusammenkunft in Kairo die Wiederbelebung des Wirtschaftsboykotts gegen Israel und eine Unterbrechung der Normalisierung gegenüber dem jüdischen Staat. Die Regierung Netanjahu habe sich vom Friedensprozess abgewandt und halte ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr ein. Netanjahu spricht in einer ersten Reaktion von einer Verschwörung gegen Israel.
E U. Der niederländische Ratspräsident Kok und Kommissionspräsident Santer treffen zu Gesprächen mit Präsident Jelzin und Ministerpräsident Tschernomyrdin in Moskau ein. Santer äußert seine Hoffnung, daß das vor drei Jahren unterzeichnete Partnerschaftsund Kooperationsabkommen der Europäischen Union mit Rußland bald in Kraft treten könne. - Vom 15.-16.3. befassen sich die Außenminister der Mitgliedstaaten im niederländischen Apeldoorn mit dem Wunsch Albaniens nach Entsendung "externer" Militärhilfe zur Wiederherstellung der Ordnung im Lande. In einer Erklärung heißt es, es bestehe "die Bereitschaft zur Entsendung von Beratern für den zivilen Bereich wie auch für polizeiliche und militärische Fragen".
4.3. - O S Z E. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ernennt den früheren österreichischen Bundeskanzler Franz Vranitzky (zum Rücktritt vgl. "Blätter", 3/1997, S. 262) zum Persönlichen Beauftragten des amtierenden OSZE-Vorsitzenden für Albanien. Vranitzky erhält von der Organisation den Auftrag, mit der Führung in Tirana u.a. über die Einhaltung der Menschenrechte in Albanien zu sprechen.
5.3. - T ü r k e i. Ministerpräsident Erbakan beugt sich den Forderungen der Armee und unterzeichnet ein von den Generälen ausgearbeitetes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Islamismus. Der Nationale Sicherheitsrat hatte bei einer Zusammenarbeit am 28.2. die Regierung beschuldigt, eine schleichende Islamisierung zu betreiben, den "Kemalismus", das Fundament des türkischen Staates, zu zerstören und die Grenze zwischen Staat und Religion zu verwischen. Die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt dazu, mit ihrem Eingriff umgehe die Armee "einen offenen Staatsstreich". - Am 6.3. bekräftigt Außenministerin Ciller die türkische Forderung nach Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Vor Diplomaten in Ankara warnt Frau Ciller vor dem Bau "einer neuen Berliner Mauer auf der Grundlage von Kultur und Religion."
10.3. - N A T O. Generalsekretär Solana tritt eine einwöchige Rundreise durch die zentralasiatischen Republiken der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an. Von Moskau aus reist Solana zunächst nach Kasachstan, später nach Kirgistan, Usbekistan und Turkmenistan. Die vier ehemaligen Sowjetrepubliken sind Teilnehmer des NATO-Programms "Partnerschaft für den Frieden". Der Generalsekretär hatte in der russischen Hauptstadt den Meinungsaustausch mit Außenminister Primakow fortgesetzt (vgl. "Blätter", 2/1997, S. 137 und 3/1997, S. 262). 10.-28.3. - U N O. Die im Dezember 1993 zur "Frage der ausgewogenen Vertretung und der Erhöhung der Zahl der Mitglieder im Sicherheitsrat" eingesetzte Arbeitsgruppe tagt in New York. Der Präsident der laufenden 51. Generalversammlung, Botschafter Ismail Razoli (Malaysia) (vgl. "Blätter", 11/1996, S. 1288), bringt einen Resolutionsentwurf ein, der eine Erweiterung des Sicherheitsrates von gegenwärtig 15 auf 24 Mitglieder vorsieht. Der Rat soll dann aus 10 ständigen und 14 nichtständigen Mitgliedern bestehen. Im Gegensatz zu den bisherigen fünf ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA) sollen die neuen fünf ständigen Mitglieder, zwei Industriestaaten und je ein Entwicklungsland aus Afrika, Asien und Lateinamerika, jedoch kein Vetorecht erhalten. Razoli bezeichnet das Vetorecht als "anachronistisch und undemokratisch" und schlägt vor, den Gebrauch des Vetos künftig auf Beschlüsse nach Kapitel VII der UN-Charta ("Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen"; Text in "Blätter", 10/1973, S. 1119 ff.) zu beschränken. Der Resolutionsentwurf empfiehlt außerdem, die in der Charta noch enthaltene "Feindstaatenklausel" (Artikel 53 und 107) zu ändern bzw. zu streichen. In Presseberichten aus Bonn heißt es, die Bundesregierung, die einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat anstrebt, begrüße den Reformplan Razulis, wende sich jedoch klar gegen eine "Zweiklassen-Mitgliedschaft". Am 13.3. verabschiedet die Generalversammlung auf einer Sondersitzung in New York eine Resolution, die sich gegen die umstrittene Siedlungspolitik der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten wendet. Die geplanten neuen Siedlungen in Ostjerusalem seien "illegal" und ein "ernstes Hindernis für den Frieden". Der von 57 Staaten eingebrachte Text wird mit 130 gegen zwei Stimmen (Israel und USA) bei zwei Enthaltwagen (Mikronesien und Marschall-Inseln) angenommen. Die USA hatten am 7.3. im Sicherheitsrat mit ihrem Veto eine von den übrigen 14 Ratsmitgliedern unterstützte gleichlautende Entschließung blockiert. - Am 28.3. erteilt der Sicherheitsrat in New York ein zunächst auf drei Monate befristetes Mandat für die Entsendung einer von Italien geführten Schutztruppe europäischer Staaten zur Sicherung von Hilfslieferungen nach Albanien. Für die Ratsresolution 1101 (1997) stimmen 14 Ratsmitglieder, China enthält sich der Stimme.
13.3. - Ö s t e r e i c h. Die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" veröffentlicht ein Interview mit Vizekanzler und Außenminister Schüssel (Österreichische Volkspartei/OVP), in dem dieser einen NATO Beitritt Österreichs befürwortet: "Wenn der Reformprozeß der NATO ... abgeschlossen ist, bin ich dafür, daß wir diese Diskussion beginnen. Ich habe meine Präferenz klar zum Ausdruck gebracht. Ich will das aber gemeinsam mit dem Koalitionspartner machen, es gibt schon Andeutungen von prominenten sozialdemokratischen Sprechern in diese Richtung. Wir werden dafür auch eine große Mehrheit im österreichischen Parlament bekommen."
14.3. - C h i n a / U S A. Die chinesische Führung weist die Kritik der USA an ihrer Menschenrechtspolitik zurück. In einem Kommentar des Informationsdienstes beim Staatsrat heißt es, Washington versuche systematisch, das internationale Ansehen Chinas zu beschädigen und die Volksrepublik in einer "Mentalität des Kalten Krieges" zu verleumden. - Am 24.3. werden in Peking Wirtschaftsverträge im Umfang von mehreren Mrd. Dollar zwischen beiden Staaten abgeschlossen. An der Unterzeichnung nehmen der amerikanische Vizepräsident Al Gore und Ministerpräsident Li Peng teil. 16.3. - F i n n l a n d / R u ß l a n d. Der russische Präsident Jelzin erklärt gegenüber der finnischen Tageszeitung "Helsingin Sanomat", eine Expansion der militärischen Struktur der Nordatlantikpakt-Organisation bis an die Grenzen Rußlands könne "unter keinen Umständen" akzeptiert werden und müsse Moskau zur Ergreifung "notwendiger Gegenmaßnahmen" veranlassen. Die Allianzfreiheit Finnlands sei ein wichtiger stabilisierender Faktor nicht nur für die Region, sondern für ganz Europa.
20.3. - J u g o s l a w i e n. Das Parlament in Belgrad ratifiziert trotz internationaler Kritik ein Abkommen der "Bundesrepublik Jugoslawien" (Serbien und Montenegro) über besondere Beziehungen mit der Bosnisch Serbischen Republik. Der Bosnien-Beauftragte Bildt (Schweden) bezeichnet die Vereinbarung als "null und nichtig". Der bosnische Präsident Izetbegovic hatte zuvor auf die ausschließliche Kompetenz des Parlaments von BosnienHerzegowina zum Abschluß solcher Verträge hingewiesen.
20.-21.3. - R u ß l a n d / U S A. Die Präsidenten Jelzin (Rußland) und Clinton (USA) treffen sich zu einem "Gipfel" in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Zu den Delegationen gehören auch der russische Außenminister Primakow und die amerikanische Außenministerin Albright. Es werden fünf gemeinsame Erklärungen veröffentlicht: Erklärung zur europäischen Sicherheit; Erklärung über den ABM-Vertrag; Erklärung über die Parameter der künftigen Verringerung von Atomwaffen; Erklärung über chemische Waffen; Erklärung zur russisch-amerikanischen Wirtschaftsinitiative. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Präsidenten werden noch einmal die unterschiedlichen Standpunkte zur geplanten NATOOsterweiterung deutlich. 24.3. - W E U. Die Bundesrepublik und Frankreich legen in Brüssel einen Drei-Stufen-Plan zur Integration der Westeuropäischen Union (WEU) in die Europäische Union (EU) vor. Die Durchführung des Plans, der von Belgien, Italien, Luxemburg und Spanien unterstützt wird, soll in drei Etappen zu je drei Jahren erfolgen. Die Übernahme von verteidigungspolitischen Kompetenzen durch die EU im Bereich des Krisenmanagements ist für die zweite Stufe vorgesehen.
25.3. - T ü r k e i / B R D. Bundesaußenminister Kinkel reist nach Ankara, um Gespräche mit der türkischen Regierung zu führen. Zu den Themen gehört die Forderung der Türkei nach Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union, die von der Mehrzahl der EU-Mitglieder derzeit ausgeschlossen wird. Vor der Ankunft Kinkels hatte Ministerpräsident Erbakan der Union Wortbruch vorgeworfen und erklärt, die EU-Politiker müßten "den Kopf vor Scham senken", wenn sie künftig mit der Türkei sprechen wollten.
27.3. - A b r ü s t u n g. Ohne Einigung über eine Tagesordnung geht in Genf die Frühjahrstagung der Abrüstungskonferenz zu Ende (vgl. "Blätter", 3/1997, S. 262). Die Mehrzahl der Konferenzteilnehmer fordert die Aufnahme multilateraler Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung, was von den Atommächten und einigen westlichen Staaten abgelehnt wird. 28.3. - G U S. Auf einem eintägigen Gipfeltreffen der Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Moskau wird die Bildung einer gemeinsamen Kommission zur Beilegung regionaler Krisen beschlossen. Der georgische Präsident Schewardnadse warnt vor einer künstlichen Beschleunigung der Integration innerhalb der Gemeinschaft. 29.3. - B R D / R u ß l a n d. Der russische Außenminister Primakow kommt nach Bonn. Die Gespräche mit Bundesaußenminister Kinkel gelten vor allem der geplanten NATO Osterweiterung und dem künftigen Verhältnis Rußlands zum Westen sowie der Vorbereitung des für April d.J. vorgesehenen Deutschlandbesuches von Präsident Jelzin.