Benyamin Netanyahu kann es sich leisten, seine Washington-Trips zynisch zu nehmen. Zu Recht vertraut er darauf, daß sie keine großen Konsequenzen haben. Man offeriert ihm ernste Ratschläge, die er getrost ignoriert.
Präsident Clinton steht in der Schuld jüdisch-amerikanischer Wähler, aber das galt auch für einige seiner Vorgänger. Weit schwerer wiegt, daß er offenkundig über keine unabhängige Vorstellung von dem verfügt, was bei den israelisch-palästinensischen Verhandlungen – die den Namen „Friedensprozeß“ wohl nicht länger verdienen – herauskommen kann oder sollte.
Clintons Administration scheint unfähig, zu den Grundfragen des Konflikts klar Position zu beziehen. Sie unterliegt zuviel Druck von zu vielen Seiten, und jede unzweideutige Stellungnahme zieht mehr politische Minus- als Pluspunkte für das Weiße Haus, den Nationalen Sicherheitsrat und das Außenamt nach sich.
Die Grundfrage, die Netanyahu bereits beantwortet, indem er vor Ort Fakten schafft, ist die Jerusalem-Frage: Wird es eine Hauptstadt der Palästinenser, wie es auch Kapitale Israels ist? Die offizielle Position Israels hierzu lautet, Jerusalem sei die eine und ungeteilte Hauptstadt des jüdischen Staates.