Ausgabe April 2004

Klassenkampf im Container

Derzeit läuft im Sender RTL2 (auch Tele5 und Premiere sind diesmal mit im Boot) die fünfte Staffel der Big Brother-Show (BB5), in der Menschen erneut freiwillig – diesmal bis zu einem Jahr – in einem Wohncontainer verbringen. Sie sind dabei "Regeln" unterworfen, die einem doppelten Ziel dienen: Einmal wird das künstliche Soziotop von der Außenwelt konsequent isoliert, zum anderen aber sollen willkürliche Eingriffe einer abstrakten und absoluten Autorität dafür sorgen, dass die vom Produzenten Endemol vermuteten "Wünsche" eines Publikums von Voyeuren bedient werden. In diesem, scheinbar alltägliche Lebenswelt simulierenden Erlebnisraum kontrollieren 32 Kameras und 68 Mikrophone Tag und Nacht jede Regung der Insassen.

Die interessanteste (und zugleich deprimierendste) Erkenntnis, die das Experiment einem kritischen Zuschauer vermittelt, betrifft das Menschen- und Lebensbild dieses Brutkastens zur Aufzucht eines neuen konsumfixierten Endemol- Menschen und idealen Privatfernsehkunden. Schon bei der Auswahl der Kandidaten wird gezielt selektiert: Die "Rohfleischigen" mit "Adrenalinkick und Grenzerfahrung!" hätten die größten Chancen, sagte der für die Auswahl und die "psychologische Betreuung" der Container-Insassen zuständige Psychologe Ulrich Schmitz ("stern", 11/2004). Er musste dafür sorgen, dass keine labilen oder schwachen Typen hineinkommen.

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