Ausgabe Oktober 2005

Die Türkei vor Europa (II)

Europas Aufgabe

In der erhitzten Debatte um den türkischen EU-Beitritt wird von den Gegnern der Eindruck zu erwecken versucht, bei der Türkei handele es sich aus europäischer Sicht um einen geschichtlichen und geographischen Fremdkörper – ohne Verbindung zu Europa. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Gebiet der Türkei war immer ein Kernland europäischer Geschichte und Kultur. Um die Ägäis bis tief nach Anatolien entstanden die griechischen Stadtstaaten. Kaiser Konstantin, der Byzanz seinen neuen Namen gab, brachte dem Christentum den Durchbruch. Später formulierten dort KonziIien den christlichen Glauben, der Europa geprägt hat. Kaiser Justinian schuf in Konstantinopel die Grundlagen des Römischen Rechts, das Europa bis heute bestimmt. Erst die Eroberung und Plünderung der Stadt durch die Venezianer 1204 und die Errichtung des katholischen Kaisertums spalteten die gemeinsame Kultur. Anders als die christlichen Staaten die Muslime achtete das Osmanische Reich die Christen – wie sonst hätte es dort überleben können. Es war Zuflucht für Verfolgte über Jahrhunderte, für spanische Juden nach der Thronbesteigung der katholischen Könige oder deutsche Oppositionelle in der Nazizeit; prominent Berlins späterer Bürgermeister Ernst Reuter.

Seit dem 15.

Sie haben etwa 13% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 87% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Europa

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.

Von Milošević zu Trump: Die bosnische Tragödie und der Verrat an den Bürgerrechten

von Sead Husic

Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen.