Bild: US-Präsident Donald Trump, 13.12.2025 (IMAGO / MediaPunch)
Wer noch eines Beweises bedurfte, dass Donald Trumps Agieren gegen die Regierung von Wolodymyr Selenskyj nicht nur der Ukraine, sondern Europa insgesamt gilt, hat ihn dieser Tage erhalten. Mit der neuen National Security Strategy (NSS) der USA[1] wird manifest, dass wir es mit einem Epochenbruch zu tun haben, der wohl nur mit dem von 1989 vergleichbar ist. Allerdings in umgekehrter Weise: Schien sich damals die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow dem demokratischen Westen anzuschließen, schließen sich heute die USA unter Trump dem autokratischen Osten an, um gemeinsam mit Wladimir Putin die Europäische Union in die Zange zu nehmen.
Während Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine schon lange auch den »kollektiven Westen« meint, definiert die neue NSS jetzt ausdrücklich Europa als zentralen Gegner. Aufgrund der Politik der EU drohe Europa die »zivilisatorische Auslöschung«. Es gelte daher, in europäischen Ländern den »Widerstand« gegen »diesen Weg Europas« zu stärken, heißt es in dem Dokument ausdrücklich.
Der 24. Februar 2022, Wladimir Putins Vollinvasion in die Ukraine, und der 20. Januar 2025, die Amtseinführung von Donald Trump, stehen damit für eine zweifache, sich wechselseitig verstärkende Zeitenwende. Und die Ironie der Geschichte besteht darin, dass die Vereinigten Staaten ebenjene »zivilisatorische Auslöschung«, die sie Europa prophezeien, mit ihrer eigenen Politik betreiben. Faktisch untergraben sie damit die demokratischen Werte, die sie selbst Europa mit der Befreiung vom Nationalsozialismus einst beschert haben.
Deshalb wird das Jahr 2026 zu einem entscheidenden Jahr für die Zukunft der Demokratie in Europa. Die Auseinandersetzung zwischen Trump-USA und Putin-Russland gegen Europa spielt sich 2026 vor allem an drei europäischen Schauplätzen ab: in der Ukraine, in Ungarn und in Deutschland.
Die Ukraine – verraten und verkauft
Was die Ukraine anbelangt, hat Trump lediglich ein Interesse: den Krieg unter allen Umständen zu beenden, um mit Wladimir Putin wieder ins Geschäft zu kommen. »Geld verdienen statt Krieg führen«, brachte das »Wall Street Journal« Ende November »Trumps wahren Plan für Frieden in der Ukraine« auf den Punkt.[2] Das macht den US-Präsidenten zu Wachs in den Händen des russischen Diktators, denn dieser weiß ganz genau, dass er am längeren Hebel sitzt. Nur wenn Putin seine Konditionen in den Verhandlungen durchsetzen kann, wird er zu einem Friedensschluss bereit sein. Andernfalls wird er den Abnutzungskrieg unvermindert weiterführen, bis zur völligen Erschöpfung des überfallenen Landes. Das ist das strategische Dilemma der Ukraine: Trump verfügt über keine Macht gegenüber Putin, aber über nahezu unbeschränkte Macht gegenüber der Ukraine als ihr militärischer Hauptunterstützer. Deshalb versucht er Selenskyj zu erpressen, nach dem Motto »Friss oder stirb«. Der 28-Punkte-»Friedensplan«, bei dem es sich faktisch um eine Kapitulationserklärung der Ukraine handelt, zeigte exemplarisch das Zusammenspiel zwischen Trump und Putin. So legte der US-Sondergesandte und Trump-Intimus, der Immobilien-Tycoon Steve Witkoff, Putin nahe, wie er bei Trump punkten könne, um so die Abtretung ukrainischer Gebiete zu erreichen, die bis heute noch gar nicht von Russland erobert sind.[3] Koste es, was es wolle, lautet das »Friedens«-Prinzip – allerdings nicht die USA oder Russland, sondern allein die Ukraine und Europa.
Dass es der EU bisher gelungen ist, das Schlimmste zu verhindern, wird Trump und Putin nicht davon abhalten, die Ukraine weiter zu bedrängen, einem Deal zu den russisch-amerikanischen Konditionen zuzustimmen. Und das gelingt natürlich am besten durch die Schwächung Europas. Auch deshalb wird sich das Zusammenspiel von Trump und Putin im Jahre 2026 massiv auch im Inneren Europas abspielen. Die Strategie besteht darin, einzelne Staaten der EU herauszubrechen, um auf diese Weise Europa zu spalten, getreu der alten Devise »Divide et impera«, teile und herrsche.
Das Zusammenspiel von Trump und Putin wird sich 2026 auch im Inneren Europas abspielen.
Herausragender Schauplatz dieser Auseinandersetzung wird 2026 Ungarn sein. Bei der im April stattfindenden Parlamentswahl hat mit dem einstigen Orbán-Parteifreund und heutigen Orbán-Gegner Péter Magyar zum ersten Mal wieder ein demokratischer Kandidat gute Aussichten zu gewinnen und damit Orbáns seit 2010 ununterbrochene Herrschaft zu beenden. Momentan führt die erst 2021 gegründete »Respekt- und Freiheitspartei« von Magyar in diversen Umfragen. Doch sowohl Trump als auch Putin werden alles daransetzen, um den amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten in dessen bevorstehender Wahlkampagne zu unterstützen. Orbán ist sowohl enger Verbündeter Trumps als auch der Putin am nächsten stehende Staats- und Regierungschef in der EU. Faktisch agiert er schon lange als Trojanisches Pferd der Autokraten. Mit seiner Vision einer »illiberalen Demokratie« – ohne Opposition, freie Medien und eine unabhängige Gerichtsbarkeit, verkörpert allein durch die eine starke, populistisch agierende Führerfigur – ist er das Vorbild Trumps, der Orbán öffentlich als »großartigen Anführer« und »fantastischen Menschen« lobt. Nicht ohne Grund brachte Trump auch die Möglichkeit eines zukünftigen Friedenstreffens mit Putin in Budapest ins Spiel, als Ausdruck seiner engen Beziehungen zum ungarischen Ministerpräsidenten.
Gleichzeitig ruft Orbán die Ukraine und die EU ganz im Sinne Putins zu Zugeständnissen gegenüber Russland auf. Die Ukraine müsse wieder zu einem »Pufferstaat« werden, Gebietsabtretungen an Russland seien unumgänglich, was Orbán bei einem Treffen mit Putin im Kreml Ende November 2025 prompt Lob für seine »ausgewogene Position« einbrachte. Wichtiger noch als Putins Komplimente ist für Ungarn allerdings die Tatsache, dass das Land weiterhin große Mengen an Öl und Gas aus Russland bezieht. Orbán widersetzt sich daher den Bemühungen der EU zur Reduzierung der Energie-Abhängigkeit von Russland und versucht regelmäßig, härtere Sanktionen gegen Moskau zu blockieren oder zumindest abzuschwächen.
Viel spricht dafür, dass es Putin und Trump in konzertierter Aktion gelingt, ihren Einfluss im ungarischen Wahlkampf geltend zu machen und Orbán an der Macht zu halten – auch deshalb, weil die EU ihrem demokratischen Ethos entsprechend weit zurückhaltender agiert, was eine mögliche Unterstützung von Magyar anbelangt.
Die »offenen Kanäle« der AfD
Nicht weniger stark als in Ungarn dürften Putin und Trump mit Blick auf die so wichtigen Wahlen in Ostdeutschland im Herbst 2026 agieren. »Der wachsende Einfluss patriotischer europäischer Parteien gibt in der Tat Anlass zu großem Optimismus«, heißt es in der neuen NSS. Gemeint ist damit nicht zuletzt die Alternative für Deutschland. Zugleich wiederholt die NSS den Vorwurf fehlender Meinungsfreiheit, den JD Vance bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor knapp einem Jahr erhob. So heißt es in der neuen US-Sicherheitsstrategie, dass viele Regierungen in der EU »grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füßen treten, um die Opposition zu unterdrücken«. Das manifestiere sich vor allem in der Friedensfrage: »Eine große Mehrheit der Europäer will Frieden, doch dieser Wunsch schlägt sich nicht in der Politik nieder, vor allem, weil diese Regierungen demokratische Prozesse untergraben«. Aus dieser klassischen Täter-Opfer-Umkehr, die die Unterstützer der Ukraine zu Antidemokraten und Bellizisten macht, leitet die NSS ein klares Ziel ab, nämlich die »Förderung des Widerstands gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen«.
Deutlicher kann man die Unterstützung aller rechtspopulistischen Parteien und Akteure, von Marine Le Pen über Nigel Farage bis zu Alice Weidel, kaum ankündigen. Und die derart Beglückten haben die Signale längst vernommen. Stolz prahlte die AfD-Chefin in der Bundestagsdebatte am 26. November damit, »dass wir die einzige Partei, die einzige Fraktion sind mit offenen Gesprächskanälen zu den USA, zu Donald Trump, und nach Russland«. Die AfD habe immer genau das gefordert, was Trump nun mache – eine bemerkenswerte Berufung auf einen dezidierten Antidemokraten.
Angesichts des angekündigten Zusammenspiels von Trump und Putin mit der AfD kommt den fünf Landtagswahlen des Jahres 2026 enorme Bedeutung zu.[4] Dabei sind aus Sicht der Rechtsradikalen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern entscheidend. In beiden Ländern liegt die AfD deutlich vorn und hat gute Aussichten, zum ersten Mal in der Geschichte stärkste Partei bei einer Landtagswahl zu werden.
Zu diesem Aufstieg hat maßgeblich die Unterstützung aus Berlin beigetragen. In den ersten knapp zehn Monaten ist es dem Mann, der einst versprochen hatte, die AfD zu halbieren, gelungen, mit dem erratischen Agieren seiner Regierung die Werte der Rechtsradikalen von 20,8 Prozent bei der Bundestagswahl auf rund 25 Prozent hochzutreiben. Der weitere Aufstieg der AfD wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit die Regierung Merz/Klingbeil 2026 in der Lage ist, endlich handlungsfähig zu erscheinen.
Doch anstatt menschenrechtlich höchst fragwürdige Massenabschiebungen nach Syrien oder Afghanistan anzukündigen, die nur der AfD in die Hände spielen, da sie schon rein logistisch gar nicht umgesetzt werden können, käme es darauf an, endlich die zentralen Probleme des Landes anzugehen, bei Rente und Bildung, Pflege und Gesundheit, Verkehrs- und Klimapolitik. Nur einer entschlossen und geschlossen agierende Reformregierung kann es gelingen, den weiteren Aufstieg der AfD zu stoppen. Doch da all diese Themen hochumstritten sind, dürfte genau diese Geschlossenheit durch den permanenten Wahlkampf auf Landesebene in 2026 enorm erschwert sein, da SPD und CDU/CSU sich vor allem gegeneinander zu profilieren versuchen werden.
Man kann nur hoffen, dass das Beinahe-Scheitern beim jüngsten Rentenreförmchen – verglichen mit der 2026 anstehenden Reform – kathartische Wirkung entfaltet. Nur wenn die Regierung geeint agiert, kann sie die von Merz reklamierte Führungsrolle bei der Verteidigung der Demokratie in Europa tatsächlich ausfüllen.
Rasende Erosion des Vertrauens
Der Kanzler bemüht zu Recht den Satz »Außenpolitik ist Innenpolitik«, weil ohne die Verteidigung einer handlungsfähigen EU die Veränderung der geopolitischen Koordinaten voll in die Innenpolitik durchschlagen würde. Die Sicherheit Europas ist Voraussetzung dafür, dass die deutsche Exportwirtschaft floriert – von einer erfolgreichen Umweltpolitik ganz zu schweigen, die letztlich stets von globalen Abkommen abhängig ist.
Allerdings erleben wir in diesen Tagen auch das Gegenteil: Innenpolitik ist Außenpolitik. Nur eine Regierung, die im Inneren stark ist, wird auch in der Lage sein, die Außenpolitik zu bestimmen. Genau das aber ist das Dilemma des gegenwärtigen Europas: Frankreichs Emmanuel Macron, Großbritanniens Keir Starmer und Deutschlands Friedrich Merz stehen im Inneren massiv unter Druck. Schon 2027 könnte in Frankreich Marine Le Pens Rassemblement National das Ruder übernehmen. Und in Großbritannien ist die Labour-Regierung längst eine Getriebene von Nigel Farages Reform UK.
Ironischerweise erweist sich die historisch verspätete deutsche Demokratie derzeit noch als die stabilste der drei wichtigsten europäischen Mächte. Umso mehr kommt es 2026 auf Deutschland an. Die Regierung Merz muss in doppelter Hinsicht Geschlossenheit verkörpern – nach innen, um den Parteien der Mitte Rückenwind gegen das Erstarken der AfD zu verschaffen. Und nach außen, um stark für ein demokratisches Europa aufzutreten, gegen den Angriff aus dem Westen wie aus dem Osten. Das ist die immense Verantwortung, die der Regierung Merz zukommt. Dabei erleben wir auch in Deutschland nicht mehr eine bloß schleichende, sondern längst eine galoppierende Erosion des Vertrauens in die Bundesregierung. Binnen nicht einmal zwölf Monaten liegen die Umfragewerte für Merz und seine Regierung unter denen von Olaf Scholz und der Ampel nach drei Jahren.
Die wohl größte Gefahr für unser demokratisches System erwächst insofern aus dem Inneren der Demokratie selbst. Sollten die demokratischen Parteien ihre Problemlösungskompetenz immer mehr verlieren, wächst die Attraktivität der Antidemokraten. Denn das vor allem ist die Lehre aus der Geschichte: Für den Systemwechsel ist in der Regel nicht die Stärke der Autokraten, sondern die Schwäche der Demokraten verantwortlich.
Das hat unlängst vor allem das Land bewiesen, in dem auch 2026 die für die Zukunft Europas wohl wichtigste Wahl stattfindet, nämlich die USA. Ohne das historische Versagen der Regierung Joe Bidens, ohne dessen Beharren auf eine neuerliche Kandidatur, gäbe es heute vielleicht gar keine Trump-Regierung.
Am 3. November 2026 stehen die Midterms am, wählen die Vereinigten Staaten den Kongress. Dann wird sich zeigen, ob den USA die Umkehr gelingt oder ob sie unter Trump immer weiter in Richtung Autokratie driften – mit verheerenden Folgen für den Rest der Welt und insbesondere für Europa als frisch auserkorenem US-Hauptgegner.
Daraus erwächst eine dramatische Mahnung: Ist die Macht erst einmal radikalen Populisten vom Schlage Trumps oder Orbáns in die Hände gefallen, sind die vermeintlichen checks and balances keinerlei Gewähr mehr dafür, dass die Institutionen weiter demokratisch funktionieren. Bevor dies daher der Fall ist, muss alles mit demokratischen Mitteln Mögliche und Erfolgversprechende unternommen werden, um die Autokraten von der Macht fernzuhalten.
[1] National Security Strategy of the United States of America, whitehouse.gov, November 2025.
[2] Drew Hinshaw u.a., Make Money Not War: Trump’s Real Plan for Peace in Ukraine, wsj.com, 28.11.2025.
[3] Vgl. den Beitrag von Yelizaveta Landenberger in dieser Ausgabe.
[4] Baden-Württemberg wählt am 8. März, Rheinland-Pfalz am 22. März, Sachsen-Anhalt am 6. September und Berlin wie Mecklenburg-Vorpommern am 20. September.