Bild: Wolodymyr Selenskyj bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen an ihn und das ukrainische Volk, 14.5.2023 (IMAGO / Kirchner-Media)
Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Obwohl völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann, steht fest: Das in wesentlichen Zügen russischen Forderungen entsprechende Dokument kam für die Ukraine zu einem denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, denn Mitte November erschütterte ein Korruptionsskandal im Energiesektor das Land, der bis ins unmittelbare Umfeld des Präsidenten reicht.
Der Skandal dürfte das Vertrauen der Bevölkerung in Wolodymyr Selenskyj dauerhaft beschädigt haben. Noch im Sommer hatte dieser die Arbeit der unabhängigen Antikorruptionsbehörden NABU und SAP – die mit Hilfe der EU nach 2014 ins Leben gerufen worden waren – mit Verweis auf vermeintlichen russischen Einfluss der Generalstaatsanwaltschaft unterstellen und so schwächen wollen. Erst nach zu Kriegszeiten beispiellosen Protesten gab Selenskyj diesen Plan auf. Im Lichte der aktuellen Korruptionsaffäre legt das Verhalten des Präsidenten vom Sommer indes nahe, er sei zumindest teilweise eingeweiht gewesen und habe seine Vertrauten, allen voran den mutmaßlichen Drahtzieher, seinen ehemaligen Geschäftspartner Timur Mindich, schützen wollen.
Innenpolitisch hat sich Selenskyj durch die Entlassung seines Präsidialamtschefs Andrij Jermak Ende November kurzfristig Luft verschafft.