Ausgabe Juni 2006

Alltäglicher Zynismus

Dokumentarfilme sind wieder in: Michael Moore bekommt einen Oscar, seine Fil- me sind Blockbuster, und der Film seines Kollegen Morgan Spurlock Supersize me über Fastfood spielte nicht nur überraschend Millionen ein, sondern veranlasste die US- Filialen von McDonald’s, einige Produkte aus dem Angebot zu nehmen.

Einen ähnlichen Erfolg, zumindest in der Presse und Kritik, hat gegenwärtig der Film We feed the world des Österreichers Erwin Wagenhofer über die Folgen der landwirtschaftlichen Industrialisierung. In Wien wird jeden Tag soviel Brot vernichtet, wie die zweitgrößte Stadt Graz konsumiert – ein Kilo Weizen ist billiger als ein Kilo Kies. Tomaten werden in Spanien industriell angebaut und 3000 km weit transportiert, ehe sie auf den Markt kommen – die Transportkosten machen nur ein Prozent des Verkaufspreises aus.

Der Film zeigt die grotesken Beispiele in ruhigen Einstellungen; Statements von Jean Ziegler, dem UN-Sonderbeauftragten für das Menschenrecht auf Nahrung, stellen den globalen Zusammenhang her. Es kommen Beteiligte zu Wort, die reden, als seien sie schizophren: Der Top-Manager der weltgrößten Saatgut-Firma Pioneer ist gerade in Rumänien, um dort die herkömmliche Landwirtschaft, so sagt er, zu „versauen“. Er führt genmanipuliertes Saatgut ein, das die Pflanzen zwar gegen gewisse Schädlinge immun macht, aber auch nur einmal verwendet werden kann.

Sie haben etwa 32% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 68% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo