Ausgabe Juni 2006

Alltäglicher Zynismus

Dokumentarfilme sind wieder in: Michael Moore bekommt einen Oscar, seine Fil- me sind Blockbuster, und der Film seines Kollegen Morgan Spurlock Supersize me über Fastfood spielte nicht nur überraschend Millionen ein, sondern veranlasste die US- Filialen von McDonald’s, einige Produkte aus dem Angebot zu nehmen.

Einen ähnlichen Erfolg, zumindest in der Presse und Kritik, hat gegenwärtig der Film We feed the world des Österreichers Erwin Wagenhofer über die Folgen der landwirtschaftlichen Industrialisierung. In Wien wird jeden Tag soviel Brot vernichtet, wie die zweitgrößte Stadt Graz konsumiert – ein Kilo Weizen ist billiger als ein Kilo Kies. Tomaten werden in Spanien industriell angebaut und 3000 km weit transportiert, ehe sie auf den Markt kommen – die Transportkosten machen nur ein Prozent des Verkaufspreises aus.

Der Film zeigt die grotesken Beispiele in ruhigen Einstellungen; Statements von Jean Ziegler, dem UN-Sonderbeauftragten für das Menschenrecht auf Nahrung, stellen den globalen Zusammenhang her. Es kommen Beteiligte zu Wort, die reden, als seien sie schizophren: Der Top-Manager der weltgrößten Saatgut-Firma Pioneer ist gerade in Rumänien, um dort die herkömmliche Landwirtschaft, so sagt er, zu „versauen“. Er führt genmanipuliertes Saatgut ein, das die Pflanzen zwar gegen gewisse Schädlinge immun macht, aber auch nur einmal verwendet werden kann.

Sie haben etwa 32% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 68% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo