Ausgabe Mai 2007

Offener Brief an Micha Brumlik

Lieber Micha, von den vielen Beiträgen, die ich im Laufe der letzten 25 Jahre von Dir gelesen habe, sehe ich mich heute zum ersten Mal in heftigem Widerspruch mit Dir. Zunächst geht es in Deinem biblisch ausholenden Aufsatz um den Ad-hominem-Ton. Nicht nur ein oberflächliches Lesen suggeriert, dass Deiner Meinung nach all jene Juden, die Israels derzeitige Menschenrechtsverletzungen (Siedlungen, Verlauf der Mauer usw.) kritisieren, bei Dir entweder Antisemiten, selbsthassende Juden oder universalistische Moralprediger sind, die deshalb nicht ernst genommen werden dürfen, weil sie sich dem „Judentum und seiner Lebensform“ – gibt es da nur eine? – „elitär entfremdet“ haben und das „Grundgefühl genozidaler Bedrohtheit“ nicht verstehen. Geschieht ihnen Recht, sagst Du, dass sie deshalb seitens der jüdischen Mehrheit mit Feindschaft, also Sanktionen, rechnen müssen. Alvin Rosenfelds törichter Aufsatz,1 der unsere gemeinsamen Freunde hier in Nordamerika rundum empört, findet so Deine bedingte Billigung.

Bei John Mearsheimer und Stephen Walt, bei Tony Judt und Alfred Grosser, bei Harold Pinter und Eric Hobsbawm und bei den Unterzeichnern von Schalom 5767 legst Du das Juden-Messgerät an: Die einen sind es überhaupt nicht, die anderen lauwarm, wissen nichts vom Judentum, oder sind vielleicht nicht als Juden anerkannt, weil sie sich nur als solche „identifizieren.

Sie haben etwa 25% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 75% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo