Knapp zwei Monate sind seit dem Beginn des jüngsten Kaukasus-Krieges vergangen. Der Pulverdampf hat sich verzogen, die Lage wird klarer. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hinter dem militärischen Abenteuer des georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili die Vereinigten Staaten zu vermuten – schließlich haben die USA das Land jahrelang militärisch aufgerüstet, politisch unterstützt und als künftigen Stützpunkt an der Südgrenze Russlands aufgebaut. Ob mit oder ohne NATO: Die Einkreisung Russlands ist, neben der Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens, weiterhin das zentrale Projekt der US-Außenpolitik. Ihre eigene absolute militärische Überlegenheit hat die US-Regierung dabei offenbar für die Sicherheitsbedürfnisse anderer Staaten – insbesondere des Iran oder Russlands – desensibilisiert. Selbst die zaghaften Vorbehalte von NATO-Verbündeten scheinen die Administration kaum zu beeindrucken. Dabei wissen alle Beteiligten, dass Regierung und Militär in Moskau die US-Strategie als Bedrohung ansehen. Insofern hätte man auch wissen können, dass Russland dieser Einkreisung auf Dauer nicht tatenlos zusehen würde. Und so kam es, wie es kommen musste: Der russische Einmarsch in Georgien ist offensichtlich die erste militärische Reaktion der russischen Führung auf US-Strategie und NATO-Ausweitung.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.