1.7. – Griechenland. Ministerpräsident Tsipras deutet in Briefen an die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank/EZB und den Internationalen Währungsfonds/IWF Kompromissbereitschaft an. Gleichzeitig wird die Bevölkerung aufgerufen, in einem Referendum am 5. d.M. bisherige Auflagen der Gläubiger abzulehnen. Die Wähler folgen mit 61,3 Prozent dem Aufruf der Regierung. Tsipras erhält weitere Unterstützung für seine Position. Die Vorsitzenden der meisten Parlamentsfraktionen verlangen am 6.7. in einer gemeinsamen Erklärung eine „objektive Diskussion über die Tragbarkeit“ der griechischen Staatsschulden und stellen im Gegenzug „glaubhafte Reformen“ in Aussicht. Die Lasten müssten gerecht verteilt sein und dürften das Wachstum nicht behindern. Das Ergebnis des Referendums sei kein „Mandat der Verweigerung“, sondern zur Fortsetzung der Verhandlungen, um sozial gerechte und wirtschaftlich gangbare Abmachungen zu erreichen. – Am 8.7. beantragt Griechenland zusätzliche Finanzhilfe beim Europäischen Stabilitätsmechanismus/ESM, um den drohenden Konkurs des Landes abzuwenden. Vor dem Europäischen Parlament in Straßburg kündigt Tsipras neue Reformvorschläge an: „Wir wollen selbst entscheiden, wie wir die Lasten verteilen.“ Nach der Einigung mit der Eurogruppe und den „Institutionen“ in der Nacht vom 12./13.7. verteidigt Tsipras vor der Syriza-Fraktion seine Zustimmung in Brüssel mit der akuten finanziellen Notlage. Die getroffenen Regelungen seien alternativlos. Er habe unter dem Druck der Geldgeber etwas unterschreiben müssen, an das er nicht glaube. Das Parlament stimmt nach kontroverser Debatte in der Nacht vom 15./16.7. mit 229 bei 64 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen den Beschlüssen von Brüssel und den Auflagen der Kreditgeber zu. Von den 149 Syriza-Abgeordneten votieren 32 gegen die Vorlage, sechs enthalten sich der Stimme. Griechenland erhält am 16.7. eine „Brückenfinanzierung“ der Europäischen Union von bis zu sieben Mrd. Euro, die EZB erhöht ihre Notkredite. Banken bleiben zunächst geschlossen, Beschränkungen des Kapitalverkehrs bleiben in Kraft. – Am 18.7. müssen innerparteiliche Kritiker das Kabinett verlassen, zehn Regierungsmitglieder werden ausgetauscht. Tsipras erklärt, er wolle das Land künftig mit einer Minderheitsregierung führen, die sich auf 123 der insgesamt 300 Abgeordneten im Parlament stützen könne. Erste Priorität habe jetzt das neue Spar- und Hilfsprogramm. – Am 30.7. setzt sich Tsipras für einen Sonderparteitag von Syriza im September d.J. ein, um die weitere Strategie verbindlich festzulegen. Es könne nicht sein, dass er weiterhin auf die Unterstützung der Opposition angewiesen sei: „Wir müssen uns darauf verständigen, dass Entscheidungen respektiert werden, die von einer Mehrheit der Partei getroffen werden.“ – Am 31.7. bestreitet Tsipras vor dem Parlament eigene Pläne für einen Austritt aus der Eurozone. Griechenland habe sich aber vorbereiten müssen, da andere Kräfte in der Europäischen Union diesen Austritt in die Wege leiten würden: „Fragen Sie doch die Regierung in Berlin. Sie wird Ihnen erklären, was das für ein Plan ist.“
4.7. – Russland/USA. Präsident Putin gratuliert Präsident Obama zum amerikanischen Unabhängigkeitstag (4. Juli 1776). Putin befürwortet einen Dialog auf der Grundlage gegenseitiger Achtung, die russisch-amerikanischen Beziehungen seien der wichtigste Faktor für Stabilität und Sicherheit in der Welt.
4.-5.7. – AfD/AlFA. Auf dem Parteitag der Alternative für Deutschland/AfD in Essen kommt es zu einem Führungswechsel. Der Parteigründer und Vorsitzende Bernd Lucke verliert eine Kampfabstimmung und wird von Frauke Petry abgelöst. Lucke gründet mit Gleichgesinnten am 18./19.7. eine neue Partei, die Allianz für Fortschritt und Aufbruch/AlFA.
5.7. – Bundesregierung. Bundesaußenminister Steinmeier äußert im Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“ Besorgnis über Spannungen innerhalb der Europäischen Union: „Es zerren starke Fliehkräfte an Europas Fundamenten.“ Steinmeier nennt die Griechenlandkrise, die Uneinigkeit in der Union bei der Verteilung der Flüchtlinge und die Debatte um das Verhältnis der Briten zu Europa.
6.7. – Frankreich/BRD. Präsident Hollande empfängt Bundeskanzlerin Merkel zu einem abendlichen Krisengipfel über die Zukunft Griechenlands. Beobachter berichten über Meinungsverschiedenheiten. Während Paris Athen unbedingt in der Währungsunion halten wolle, betrachte Berlin ein mögliches Ausscheiden immer noch als Option.
7.7. – EU. Die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten beraten in Brüssel über die von Griechenland beantragten neuen Hilfen. In immer wieder unterbrochenen Sitzungen und zahlreichen zweiseitigen Kontakten einigt sich die Eurogruppe mit den übrigen Geldgebern auf ein umfangreiches Programm, das neben finanziellen Hilfen weitreichende Verpflichtungen für Griechenland festlegt. Die endgültige Einigung kommt in einer Nachtsitzung am 12./13.7. zustande.
9.7. – Russland/Iran. Die Präsidenten Putin und Rohani vereinbaren eine engere Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet. So sollen Kriegsschiffe der beiden Seiten die Häfen des jeweils anderen Landes anlaufen können.
10.7. – SCO. Präsident Putin ist in der russischen Stadt Ufa Gastgeber des Gipfels der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit, eines zentralasiatischen Sicherheitsbündnisses, dem China, Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan angehören. Mit Indien und Pakistan soll der Beitrittsprozess beginnen.
– OSZE. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa begeht in der finnischen Hauptstadt den 40. Jahrestag der Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Juli 1975). Die damals vereinbarten Prinzipien der Kooperation, so Finnlands Außenminister Timo Soini, seien heute dringlicher denn je.
12.7. – Libyen. Die Konfliktparteien unterzeichnen nach schwierigen Verhandlungen unter Vermittlung Marokkos ein erstes Abkommen über die Bildung einer Einheitsregierung. Damit soll der Grundstein für die Beilegung des Bürgerkriegs gelegt werden.
14.7. – Iran. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini teilt in Wien mit, die jahrelangen Verhandlungen über die Zukunft des umstrittenen iranischen Atomprogramms seien erfolgreich abgeschlossen worden: „Wir haben die Einigung!“ Die von den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA sowie Deutschland (P5+1) mit dem Iran getroffenen Regelungen seien geeignet, die Entwicklung einer iranischen Atombombe zu verhindern. Dabei geht es um eine strikte Begrenzung der Urananreicherung, verbunden mit strengen Kontrollen durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die sich bei begründetem Verdacht auch auf Militäranlagen beziehen können. Irans Außenminister Zarif erklärt, das Abkommen sei das bestmögliche, wenn auch „nicht umfassend für alle involvierten Parteien“. Israels stellvertretender Außenminister Chotoveli spricht von einem „historischen Kapitulationsvertrag des Westens gegenüber der Achse des Bösen unter der Führung Irans.“ – Am 18.7. erklärt das geistliche Oberhaupt Ajatollah Khamenei in einer Rede zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan: „Auch nach der Vereinbarung von Wien wird sich unsere Politik gegenüber den arroganten USA nicht ändern.“ Beide Länder verfolgten völlig gegensätzliche politische Interessen in der Region. Iran werde die Unterstützung für die Palästinenser und die Menschen im Jemen, im Irak, in Libanon, Syrien und Bahrein fortsetzen.
15.7. – Bremen. Das Landesparlament, die Bürgerschaft, wählt Carsten Sieling (SPD) zum neuen Bürgermeister. Sieling, der die bisherige Koalition von Sozialdemokraten und Grünen fortführt, erhält 46 Stimmen bei 33 Gegenstimmen und drei Enthaltungen; die Koalition verfügt über 44 Mandate. Der bisherige Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hatte nach den erheblichen Stimmenverlusten seiner Partei auf eine erneute Kandidatur verzichtet. (Zu den Bürgerschaftswahlen vom 10. Mai d.J. vgl. „Blätter“, 7/2015, S. 126.)
16.-17.7. – Kuba/BRD. Erstmals besucht der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland offiziell die kubanische Hauptstadt Havanna. Im Mittelpunkt der Gespräche von Bundesaußenminister Steinmeier, der auch von Präsident Raul Castro empfangen wird, stehen der kulturelle Austausch und die Verstärkung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen.
20.7. – UNO. Nach der Einigung über die Zukunft des umstrittenen iranischen Atomprogramms legt der Sicherheitsrat mit Resolution 2231 (2015) Bedingungen und Zeitplan für die Aufhebung der seit 2006 gegen den Iran verhängten Sanktionen fest. Die Resolution wird einstimmig angenommen. – Am 29.7. verhindert der russische Botschafter Tschurkin im Sicherheitsrat mit einem Veto die Einsetzung eines „International Criminal Tribunal“, das den Absturz der Passagiermaschine der Malaysian Airlines, Flug MH17, über der Ostukraine am 17. Juli 2014 untersuchen soll (vgl. „Blätter“, 9/2014, S. 125 f.). Die von Malaysia, den Niederlanden, der Ukraine und weiteren Staaten, darunter Deutschland, eingebrachte Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta („Maßnahmen bei der Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“) erhält die Stimmen von elf der 15 Ratsmitglieder bei Stimmenthaltung Angolas, Chinas und Venezuelas. Russlands Präsident Putin hatte das geplante Tribunal schon im Vorfeld als „verfrüht“ und „kontraproduktiv“ bezeichnet. Zunächst müsse der endgültige Untersuchungsbericht der Niederlande abgewartet werden; von den 298 Todesopfern waren 196 Niederländer. – Am 29.7. heißt es in New York, seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien im März 2011 seien mehr als 250 000 Tote registriert worden. UN-Generalsekretär Ban spricht von einem „Symbol unseres Versagens“.
– Türkei. Auf ein Camp in Suruc nahe der syrischen Grenze, in dem sich prokurdische Aktivisten auf einen Einsatz zum Aufbau der zerstörten Stadt Kobani vorbereiten, wird ein Bombenanschlag verübt, der 32 Tote und viele Schwerverletzte fordert. Der türkische Regierungschef Davutoglu macht den Islamischen Staat (IS) verantwortlich. – Am 24.7. fliegt die türkische Luftwaffe erste Angriffe auf IS-Stützpunkte im benachbarten Syrien und bombardiert gleichzeitig Stellungen der PKK-Kämpfer im Irak. An den Angriffen gegen den IS beteiligen sich US-Kampfflugzeuge, die auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik stationiert sind. Sowohl die PKK als auch die türkische Regierung bezeichnen den eingeleiteten Friedensprozess als beendet. Präsident Erdogan erklärt, einen Lösungsprozess mit denjenigen fortzuführen, „die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben“, sei nicht möglich. Für den Bruch des Waffenstillstands machen sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich. – Am 27.7. berichten die Medien über Pläne der USA und der Türkei, im Norden Syriens eine Sicherheitszone zu schaffen. Die Türkei hoffe, einen Teil der zwei Millionen syrischen Flüchtlinge dort unterzubringen. Gleichzeitig verfolge Ankara jedoch das Ziel, die Errichtung eines kurdischen Staates an ihrer Grenze zu verhindern. Die Zeitung „Hürriyet Daily News“ meldet, Erdogan plane die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten der prokurdischen Partei der Völker (HDP), um gegen Spitzenfunktionäre eine gerichtliche Untersuchung wegen Terrorismus zu ermöglichen.
– Kuba/USA. Nach einer Unterbrechung von mehr als 50 Jahren werden die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wiederhergestellt. Zur feierlichen Eröffnung der kubanischen Botschaft in Washington kommt Außenminister Rodriguez in die amerikanische Hauptstadt.
24.7. – Ukraine. Justizminister Petrenko kündigt den baldigen Abschluss des Verfahrens über ein Verbot der Kommunistischen Partei an. Der Partei soll das Recht auf Teilnahme an den Wahlen entzogen werden.
– Tunesien. Das Parlament verabschiedet ein umstrittenes Gesetz zur Terrorbekämpfung. Für Terrorakte kann die Todesstrafe verhängt werden. Kritiker sehen mit dem Gesetz die während des Arabischen Frühlings gewonnenen Freiheiten bedroht.
28.7. – USA. Präsident Obama plädiert am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba (Äthiopien) für eine neue Sicht auf den afrikanischen Kontinent. Da Afrika sich verändere, „müsse auch die Welt ihre Einstellung zu Afrika verändern“. Obama hatte zuvor Kenia besucht, die Heimat seines Vaters.
– Nato. Auf einer Sondersitzung in Brüssel verurteilt der Rat der 28 Allianzmitglieder die in der Türkei verübten Anschläge. Terrorismus könne nie toleriert oder gerechtfertigt werden. Der Rat bringt seine „starke Solidarität“ mit der Türkei zum Ausdruck. Nato-Generalsekretär Stoltenberg empfiehlt der türkischen Seite ein maßvolles Vorgehen gegen die PKK.
30./31.7. – Irak/Türkei. Der Präsident von Irakisch Kurdistan Barsani fordert die Kämpfer der PKK auf, angesichts neuer türkischer Luftangriffe den Nordirak zu verlassen. Die Türkei und die PKK sollten an den Verhandlungstisch zurückkehren und den Friedensprozess fortsetzen.