Ausgabe Juni 2021

Chronik des Monats April 2021

1.4. – UNO. Der Sicherheitsrat äußert in einer Erklärung seine „tiefe Besorgnis über die sich rasch verschlechternde Situation“ in Myanmar. Der Rat verurteilt „nachdrücklich die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten und den Tod von Hunderten von Zivilisten“. Das Militär solle äußerste Zurückhaltung üben. Präsident Win Myint und Regierungschefin Aung San Suu Kyi müssten freigelassen werden.

6.4. – Iran-Atomabkommen. Am Sitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien beginnen neue Gespräche zur Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran. Zwei Arbeitsgruppen sollen sich mit Sanktions- und Nuklearfragen befassen und sofort ihre Arbeit aufnehmen. Die Verhandlungen mit dem Iran werden von Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Russland, China und Großbritannien geführt. Beobachter aus den USA nehmen an den Verhandlungen nicht teil (vgl. „Blätter“, 1/2021, S. 126 und 3/2021, S. 126). – Am 13.4. macht der Iran eine frühere Drohung wahr und kündigt an, in der Anlage Natans Uran mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent herzustellen. Man habe die IAEO entsprechend in Kenntnis gesetzt.

        – Ukraine. Präsident Selensky führt ein Telefongespräch mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Anschließend heißt es, angesichts zunehmender Spannungen in der Ostukraine habe Selensky einen Nato-Beitritt seines Landes als „einzigen Weg“ für einen Frieden bezeichnet. Die Mitgliedschaft der Ukraine in dem Militärbündnis könne „ein klares Signal für die Russische Föderation“ sein. In Moskau heißt es, ein Nato-Beitritt der Ukraine werde „die Lage noch verschärfen“. – Am 15.4. erklärt der ukrainische Vertreter in Berlin, Botschafter Melnik, im Deutschlandfunk, Kiew werde „vielleicht auch über einen nuklearen Status“ nachdenken.

        – Griechenland. Aus Anlass des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Griechenland und Jugoslawien am 6. April 1941 bekräftigt die Regierung ihre Forderung nach Verhandlungen über Reparationen für die verursachten Kriegsschäden. Diese Forderungen, so ein Regierungssprecher, seien gültig und würden „mit jedem Mittel geltend gemacht“. Eine Kommission des Parlaments in Athen hatte die Summe auf mindestens 289 Mrd. Euro geschätzt.

7.4. – Großbritannien. Die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet über Pläne der Regierung, atomar aufzurüsten. Es sei u.a. vorgesehen, die Anzahl der Atomsprengköpfe von 225 auf bis zu 260 aufzustocken, anstatt wie bisher geplant, auf 180 zu reduzieren. Ein Militärexperte wird mit den Worten zitiert, glaubwürdige Abschreckung beruhe darauf, „einem potentiellen Gegner auch wirklich Schaden zufügen zu können“. Russland werde als Hauptbedrohung bezeichnet, aber auch die Spannungen mit China und die generell unsichere geopolitische Lage müssten in die Kalkulation einfließen.

        – Nagorny-Karabach. Fünf Monate nach dem Ende der Kämpfe um die Konfliktregion im Südkaukasus fordert Armenien von Aserbaidschan die Freilassung aller Kriegsgefangenen. Armeniens Regierungschef Paschinjan war zuvor in Moskau mit Staatschef Putin zusammengetroffen (vgl. „Blätter“, 5/2021, S. 127).

        – Corona-Pandemie. Amnesty International stellt in einem Bericht fest: „Die weltweite Menschenrechtslage hat sich in der Coronakrise massiv verschlechtert.“ – Am 18.4. wird auf einer Trauerfeier in Berlin der mehr als 80 000 Menschen gedacht, die in Deutschland an Covid-19 gestorben sind. Die Gedenkansprache hält Bundespräsident Steinmeier. – Am 21.4. verabschiedet der Bundestag mit 342 Stimmen bei 250 Gegenstimmen und 64 Enthaltungen das von der Koalition eingebrachte Infektionsschutzgesetz, das verbindliche Regeln für schärfere Corona-Maßnahmen enthält. Diese „Corona-Notbremse“ soll so lange gelten, wie der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt, „längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021“.

9.4. – Russland/Ukraine. Medien berichten über den Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine, begleitet von einem Wiederaufflammen der Kämpfe in der von prorussischen Separatisten besetzten Donbass-Region. Auch wenn es keine Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff Russlands gebe, stelle sich die Frage nach den mit den Truppenverschiebungen verbundenen Absichten. Die Regierungen in Berlin und Paris rufen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Präsident Putin lässt erklären, Russland könne seine Truppen nach eigenem Gutdünken verschieben, niemand müsse sich bedroht fühlen.

10.-11.4. – AfD. Die Alternative für Deutschland hält in Dresden einen Parteitag ab. Die 550 anwesenden Delegierten befürworten per Mehrheitsbeschluss den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union.

13.4. – Afghanistan. Der amerikanische Präsident Biden kündigt den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan an. Der Abzug solle spätestens bis zum 11. September d.J. beendet sein, genau 20 Jahre nach den Terroranschlägen in New York und Washington („Nine eleven“). Damit gehe der „längste Krieg in der Geschichte der USA“ zu Ende. Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bestätigt die Pläne, auch das deutsche Militär vom Hindukusch abzuziehen. „Wir haben immer gesagt: Wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus.“ Die Bundeswehr stellt nach den USA das zweitgrößte Militärkontingent des Nato-Einsatzes „Resolute Support“, an dem auch Kontingente aus weiteren Nato-Staaten, aber auch aus Österreich, Australien und Neuseeland beteiligt sind.

        – USA/Russland. Präsident Biden führt ein Telefongespräch mit Staatschef Putin und schlägt ein Gipfeltreffen vor. Die Begegnung solle in den kommenden Monaten in einem Drittland stattfinden. – Am 15.4. verhängt die Regierung in Washington eine Reihe von öffentlichen und geheimen Sanktionen gegen Russland. Moskau solle für „die ganze Palette schädlichen Verhaltens“ bestraft werden.

        – USA/BRD. Der neue amerikanische Verteidigungsminister Austin kommt zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin. Am Rande der Gespräche mit Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer wird mitgeteilt, das amerikanische Militärkontingent in Deutschland werde um 500 Militärangehörige aufgestockt.

        – Japan. Zehn Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima kündigt die Regierung an, das angesammelte radioaktive Wasser solle nach Behandlung ins Meer geleitet werden. Der Kabinettsbeschluss erfolgt trotz örtlichen Widerstandes und der Bedenken der Nachbarstaaten. Bisher wurden die Behälter auf dem Gelände der Kraftwerksruine gelagert.

16.4. – USA. Präsident Biden (zum Amtsantritt vgl. „Blätter“, 3/2021, S. 125 f.) empfängt als ersten offiziellen Staatsgast Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga. Im Mittelpunkt der Gespräche steht der künftige Umgang der beiden Staaten mit Russland und der Volksrepublik China. Die USA sind mit Japan in einer Militärallianz verbunden, derzeit sind 55 000 amerikanische Soldaten in Japan stationiert. – Am 20.4. erklärt ein Gericht in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota den weißen Polizisten Derek Chauvin, der am 25. Mai v.J. den Afroamerikaner George Floyd getötet hatte, in allen Anklagepunkten für schuldig (vgl. „Blätter“, 7/2020, S. 125 f.). Chauvin, inzwischen aus dem Polizeidienst entlassen, wird noch im Gerichtssaal festgenommen. Das genaue Strafmaß soll später festgelegt werden. Die Verteidigung kann Berufung einlegen. Präsident Biden begrüßt in Washington die Entscheidung der Geschworenen, komme es doch nicht allzu häufig vor, dass Polizisten für Tötungsdelikte im Dienst verurteilt werden. – Am 23.4. heißt es in Washington, die erste Auslandsreise des neuen Präsidenten werde nach Europa führen. Biden werde im Juni d.J. am G7-Gipfel in Großbritannien teilnehmen und mit den Spitzen von Nato und Europäischer Union in Brüssel zusammentreffen. Damit wolle der Präsident sein Ziel unterstreichen, die transatlantischen Beziehungen wieder zu beleben.

        – Russland. Die Moskauer Staatsanwaltschaft beantragt, die von dem Oppositionspolitiker Nawalny gegründeten Organisationen und Stiftungen als „extremistisch“ einzustufen (vgl. „Blätter“, 4/2021, S. 125. – Am 21.4. hält Präsident Putin seine jährliche Rede zur Lage der Nation. Russland, so erklärt Putin, strebe Frieden und Sicherheit für das eigene Volk und für die Welt an, verfolge aber auch seine eigenen Interessen „im Rahmen des internationalen Rechts“. Man verfüge auch über die Mittel, diese Interessen zu verteidigen, sollte es nötig sein. Niemand solle es wagen, „unsere roten Linien zu überschreiten. Wo diese Linien liegen, werden wir in jedem einzelnen Fall selbst entscheiden.“ – Am 23.4. beendet Nawalny in einem Straflager außerhalb von Moskau einen dreiwöchigen Hungerstreik.

        – Kuba. Auf dem 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas legt der 89jährige Vorsitzende Raul Castro seine Funktion nieder. Raul hatte das Amt von seinem Bruder Fidel Castro in 2006 übernommen. Die Delegierten wählen Regierungschef Miguel Diaz-Canel zum neuen Vorsitzenden der Partei.

19.4. – Die Grünen. Die Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck treten in Berlin gemeinsam vor die Presse. Habeck teilt mit, Baerbock werde die Partei als erste grüne Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf 2021 führen. „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen.“ Deutschland brauche einen Neuanfang, so Baerbock. Mit den Grünen werde es einen anderen Politikstil geben, miteinander und nicht gegeneinander.

        – CDU/CSU. Als stärkste der beiden Parteien nominiert der CDU-Vorstand den Parteivorsitzenden und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten für die im Herbst d.J. anstehende Bundestagswahl. In geheimer Abstimmung sprechen sich 31 Vorstandsmitglieder für Laschet aus, bei neun Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Zunächst hatte auch der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur betont.

        – Klimawandel. Die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization/WMO) warnt nachdrücklich: „Wir müssen jetzt handeln, um die Menschen gegen die desaströsen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.“ – Am 22. und 23.4. findet auf Einladung von US-Präsident Biden ein virtueller „Klimagipfel“ statt, an dem sich 40 Staats- und Regierungschefs sowie führende Wirtschaftsvertreter beteiligen. – Am 29.4. urteilt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 sei in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Insbesondere müssten die Regelungen zum Treibhausgas-Ausstoß ab 2031 nachgebessert werden.

23.4. – Bundestag. Das Parlament genehmigt einen weiteren Nachtragshaushalt über 60,4 Mrd. Euro. Damit kann die Regierung Kredite in der Gesamthöhe von 240,2 Mrd. Euro aufnehmen. Bundesfinanzminister und Vizekanzler Scholz hatte während der Beratung des Gesetzes am 15.4. erklärt, man habe jetzt „eine sehr, sehr gute Grundlage“ für alles Notwendige. Deutschland werde „nach der Krise besser dastehen, als alle anderen G7-Staaten vor der Krise dagestanden haben“.

24.4. – USA/Türkei. Zum Tag des Gedenkens an die systematische Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich, die laut Schätzungen zwischen 1915 und 1923 rund 1,5 Millionen Männern, Frauen und Kindern das Leben kostete, gibt Präsident Biden eine vielbeachtete Erklärung ab und spricht ausdrücklich von „Genocide“ (Völkermord). Der türkische Außenminister Çavus¸og˘lu weist die Äußerungen Bidens „vollständig“ zurück: „Wir haben nichts und von Niemandem über unsere eigene Vergangenheit zu lernen.“

26.4. – SIPRI. Das Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut veröffentlicht den Bericht über die jährlichen Rüstungsausgaben. Trotz der globalen Coronakrise und dem damit verbundenen Wirtschaftseinbruch seien die weltweiten Ausgaben für das Militär im Jahr 2020 inflationsbereinigt um 2,6 Prozent auf schätzungsweise 1981 Mrd. Dollar gestiegen, ein Höchststand. Zusätzliche Mittel seien in die Modernisierung der Atomwaffenarsenale geflossen.

28.4. – EU. Das Europäische Parlament stimmt dem Handelsvertrag mit Großbritannien zu, eine Folge des Brexit. Die Entscheidung fällt mit großer Mehrheit (660 von 697 abgegebenen Stimmen). Der britische Premierminister Johnson begrüßt die Entscheidung als „letzten Schritt einer langen Reise“.

28.-30.4. – Zypern. In Anwesenheit von UN-Generalsekretär Guterres finden in Genf neue Gespräche über die Zukunft der geteilten Insel statt. Tausende griechische und türkische Zyprioten hatten am 24.4. beiderseits der Demarkationslinie in Nikosia für die Wiedervereinigung demonstriert.

29./30.4. – Israel. Bei einer Massenpanik in einem Wallfahrtsort am Berg Meron im Norden des Landes kommen 45 Pilger zu Tode, mehr als 100 werden verletzt, darunter auch Staatsbürger aus den USA, Kanada und Argentinien. Die Generalstaatsanwaltschaft leitet eine Untersuchung ein.

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