Ausgabe Februar 2022

Kurzgefasst

Miguel de la Riva: Das Gebot der Solidarität: Mit der Impfpflicht aus der Krise, S. 43-52.

Angesichts der sich rasant ausbreitenden Omikron-Variante hoffen manche, dass diese für eine umfassende Durchseuchung der Bevölkerung sorgen werde. Das aber ist kein Argument gegen eine allgemeine Impfpflicht, argumentiert der Journalist Miguel de la Riva. Denn erst eine Impfung auf breiter Front bietet wirklich die Chance, dem ewigen Kreislauf aus winterlichen Lockdowns und einer vermeintlichen sommerlichen Normalität zu entkommen. Daher dürfen ein verkürztes Freiheitsverständnis und die Angst vor einer Minderheit von Impfunwilligen für die gespaltene Ampel-Koalition kein Grund sein, die Debatte einfach auszusitzen – und so im nächsten Winter wieder vor der gleichen fatalen Situation zu stehen.

Liane Bednarz: Christen mit Rechtsdrall. Corona oder die Legende von der großen Weltverschwörung, S. 53-64.

Nicht erst seit der Covid-19-Pandemie sind massive Radikalisierungsprozesse in beiden christlichen Konfessionen zu beobachten. Doch in der Coronakrise haben diese noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen, analysiert die Publizistin Liane Bednarz. Zu den etablierten Feindbildern der rechten Christen – wie dem vermeintlichen Gender-Wahn, dem Islam oder auch den sogenannten Mainstreammedien – treten nun noch die Pandemie-Schutzmaßnahmen und die geplante Impfpflicht. Hinter dieser Agitation verbirgt sich eine große Verschwörungserzählung: Nach dem „Great Reset“ drohe eine „Neue Weltordnung” das Christentum und seine Werte endgültig aufzulösen.

Alexander Cooley und Daniel H. Nexon: Der Siegeszug des Illiberalismus. Wie die Demokratie ihren Feinden in die Hände spielt, S. 65-80.

Seit Jahren sind autoritäre Kräfte auf dem Vormarsch: national in Form rechter Parteien, international durch das Auftreten Chinas und Russlands. Dies gefährdet allerdings längst nicht mehr nur einzelne Demokratien, sondern stellt zunehmend die liberale Weltordnung als Ganze in Frage, so die Politikwissenschaftler Alexander Cooley und Daniel H. Nexon. Denn gerade die konstitutive Offenheit freiheitlicher Institutionen bietet den Illiberalen ein willkommenes Einfallstor. Wollen demokratische Kräfte dem begegnen, müssen sie daher stärker Partei ergreifen – und dürfen selbst nicht vor Maßnahmen zurückschrecken, die im Kern wenig liberal sind.

Jan M. Piskorski: Europas Zäune, Europas Schande. Das polnisch-belarussische Flüchtlingsdrama und die Macht der Bilder, S. 81-89.

Seit Wochen harren Geflüchtete unter elenden Bedingungen im Niemandsland zwischen Belarus und Polen aus. Doch nun, so der Historiker Jan M. Piskorski, sorgt das Foto eines kleinen Mädchens in den Grenzwäldern bei vielen Polinnen und Polen für verstärkte Kritik am Kurs ihrer Regierung. Die Macht der Bilder könne dazu beitragen, die europäische Flüchtlingspolitik zu humanisieren und den Bau neuer Mauern in Europa zu verhindern.

Jens Becker und Ina Kulić: Säbelrasseln in Sarajevo. 30 Jahre Bosnienkrieg und die Wiederkehr des Ethnonationalismus, S. 91-96.

Dreißig Jahre sind seit Beginn des Bosnienkriegs vergangen. Alte Risse in der Bevölkerung drohen nun erneut aufzubrechen, warnen der Sozialwissenschaftler Jens Becker und die Soziologin Ina Kulić. Die Führung der serbischen Republika Srpska kokettiert mit Abspaltung von Bosnien-Herzegowina. Um das Land vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren, müsse die internationale Staatengemeinschaft alles daran setzen, die nicht-nationalistischen Reformkräfte zu stärken.

Jörg Armbruster: Demokratie versus Despotie: Sudans Ringen um seine Zukunft, S. 101-108.

Seit das Militär Ende Oktober im Sudan geputscht hat, stellt sich dort eine Demokratiebewegung betont friedlich den neuen Machthabern entgegen. Doch was kann sie ausrichten gegen die Übermacht der Putschisten? Ohne Unterstützung aus dem Ausland werde es der Opposition nur schwer gelingen, die Generäle zur Rückkehr in die Kasernen zu zwingen, so der ehemalige ARD-Korrespondent Jörg Armbruster. Vor allem aber käme es jetzt darauf an, das Wirtschaftsimperium der Militärs zu zerschlagen.

Benet Lehmann: Überleben, um zu erinnern. Der lange Weg der Esther Bejarano, S. 109-120.

Die deutsche Erinnerungskultur zur Shoah befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel: Die Zeitzeugenschaft endet, die postmigrantische Gesellschaft stellt neue Herausforderungen, rechter Terror und Geschichtsrevisionismus nehmen zu. Daher gilt es, sich den individuellen Biographien neu zu widmen, so der Historiker Benet Lehmann. Die Geschichte der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano sei beispielhaft für die Zerstörung jüdischer Familien, außergewöhnlich durch ihre Zeit im „Mädchenorchester” und ikonisch für ihre Rolle als politische Zeitzeugin.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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