1.4. – Krieg in der Ukraine. Die Lage in der weitgehend zerstörten südukrainischen Stadt Mariupol spitzt sich zu. Von den ehemals 430 000 Einwohnern sollen noch 100 000 ohne Wasser und Nahrungsmittel in der Stadt ausharren. Russische Truppen stoppen eine Hilfslieferung für die Stadt mit Lebensmitteln und Medikamenten. Eine Evakuierungsaktion des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) und des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) gelingt nur teilweise, 3000 Menschen können in Sicherheit gebracht werden. Seit Kriegsbeginn, so das UNHCR, haben 4,1 Millionen Menschen die Ukraine verlassen, innerhalb des Landes seien weitere 6,5 Millionen Menschen auf der Flucht. – Am 3.4. werden nach der Rückeroberung durch ukrainische Truppen in Butscha zahlreiche tote Zivilisten gefunden. Human Rights Watch spricht von Kriegsverbrechen. In einem von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti veröffentlichten Text bezeichnet der russische Politologe Timofey Sergejzew den „Ukronazismus“ als eine „größere Bedrohung für den Frieden und Russland als Hitlers Version des deutschen Nationalsozialismus“ (vgl. die Dokumentation in: „Blätter“, 5/2022, S. 63-69). Polens stellvertretender Regierungschef Kaczynski zeigt sich offen für eine Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf polnischem Territorium. – Am 4.4. beschuldigt der ukrainische Präsident Selenskyj Russland des Völkermords. Moskau weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet vorgelegte Beweise als Fälschungen. – Am 5.4. hält Selenskyj eine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat und bezeichnet die Morde von Butscha als die „schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem zweiten Weltkrieg“. – Am 6.4. ruft EU-Ratspräsident Michel die an der Ukraine-Front kämpfenden russischen Soldaten zur Desertation auf und stellt ihnen Asyl in Aussicht: „Werft Eure Waffen weg, hört auf zu kämpfen.“ – Am 7.4. setzt die UN-Generalversammlung in New York die Mitgliedschaft Russlands im Menschenrechtsrat aus. Die Entscheidung fällt mit Zwei-Drittel-Mehrheit und wird mit den russischen Menschenrechtsverletzungen im Ukraine-Krieg begründet. – Am 8.4. sterben bei der Bombardierung des Bahnhofs von Kramatorsk nordöstlich von Odessa mindestens 57 Menschen. In Kiew trifft sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Präsident Selenskyj und besucht Massengräber in Butscha. – Am 10.4. berichtet Österreichs Bundeskanzler Nehammer über eine Begegnung mit Präsident Putin. Das Gespräch sei „sehr direkt, offen und hart“ gewesen, er habe „keinen optimistischen Eindruck“ gehabt. – Am 11.4. erhebt das ukrainische Azow-Regiment erstmals Anschuldigungen über den russischen Einsatz von chemischen Waffen. – Am 13.4. wird das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, die „Moskwa“, von ukrainischen Raketen getroffen und sinkt am Folgetag, die Besatzung konnte nicht vollständig evakuiert werden. – Am 18.4. verleiht Putin militärische Ehrentitel an die in Butscha eingesetzten Einheiten, denen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Russland beginnt laut Selenskyj eine neue Offensive im Donbas. – Am 19.4. bezeichnet der russische Außenminister Lawrow die aktuelle Lage als neue Phase der Invasion. Putin feiert am 21.4. die Eroberung der Stadt Mariupol, obwohl sich im Stahlwerk Azovstal noch immer hunderte ukrainische Soldaten und Zivilisten verschanzt haben. Eine Evakuierung der Zivilisten scheitert trotz vereinbarter humanitärer Korridore, die Soldaten verweigern die von der russischen Armee geforderte Kapitulation. Das belagerte Werk wird in den Folgetagen von russischen Luftschlägen getroffen. – Am 22.4. heißt es, das Ziel der russischen Invasion sei die völlige Kontrolle des Donbas und der Südukraine. Russland wolle einen Landkorridor zum Separatistengebiet Transnistrien errichten. – Am 25.4. reisen US-Außenminister Blinken und Verteidigungsminister Austin per Zug aus Polen nach Kiew, um ukrainische Regierungsvertreter zu treffen. Austin erklärt, Ziel der Vereinigten Staaten sei, Russland so zu schwächen, dass sein Militär nicht in der Lage ist, weitere Länder zu überfallen. In einem Fernsehinterview hatte Außenminister Lawrow erklärt, er betrachte Waffenlieferungen an die Ukraine als berechtigte Angriffsziele. „Wenn die Nato über einen Stellvertreter de facto in einen Krieg mit Russland tritt und diesen Stellvertreter bewaffnet, dann tut man im Krieg, was man im Krieg tun muss.“ – Am 26.4. gründet sich auf Initiative der USA auf der amerikanischen Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz eine Kontaktgruppe für die Selbstverteidigung der Ukraine. Die Gruppe, an der mehr als 30 Staaten beteiligt sind, soll monatlich zusammentreten. Neben den Mitgliedern der Nato und der Europäischen Union wollen sich auch Finnland, Schweden, Georgien sowie Japan und Südkorea beteiligen. – Am 29.4. beantragt Präsident Biden beim Kongress in Washington weitere Hilfsgelder für die Ukraine in Höhe von 33 Mrd. US-Dollar. – Am 30.4. zerstört die russische Luftwaffe mit gezielten Luftschlägen die Landebahnen des Flughafens von Odessa. Nach Informationen des US-Verteidigungsministeriums scheitert die russische Armee an ihrem eigenen Zeitplan, die russische Offensive komme weiter nur schleppend voran. Der russische Außenminister Lawrow wirft der Nato vor, das Ende der „Spezialoperation“ durch die Lieferung von Waffen zu verhindern. Künftig werde Russland die Routen der Waffenlieferungen auch zum Ziel ihrer „Spezialoperation“ nehmen, „sobald sie das Territorium der Ukraine erreichen“.
2.4. – Sri Lanka. Präsident Gotabaya Rajapaksa ruft wegen anhaltenden Protesten den Notstand aus. Ausgangssperren werden verhängt, soziale Medien eingeschränkt. Grund für die Unruhen sind die anhaltende Wirtschafts- und Währungskrise, Strom- und Importausfälle. – Am 4.4. treten alle 26 Kabinettsmitglieder und später auch der Zentralbankgouverneur Ajith Cabraal zurück. Lediglich der Präsident und sein jüngerer Bruder, der Ministerpräsident Mahinda Rajapaksa, bleiben im Amt. – Am 12.4. stellt Sri Lanka die Zahlung seiner staatlichen Auslandsschulden ein. Die Proteste reißen nicht ab und halten bis Ende April an. Ab 18.4. werden Gespräche um Finanzhilfen und Schuldenumstrukturierung mit dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, China, Indien und Japan geführt.
3.4. – Costa Rica. Der Kandidat der Sozialdemokratischen Fortschrittspartei (PPSD) und ehemalige Finanzminister Rodrigo Chaves Robles wird in der Stichwahl zum Präsidenten gewählt. Er setzt sich mit 52,84 Prozent gegen den liberalen Kandidaten der Partei der Nationalen Befreiung (PLN), José María Figueres Olsen, durch. Robles verspricht mehr Steuergerechtigkeit, Preisdeckel bei Energie und Lebensmitteln und niedrigere Sozialabgaben sowie eine Digitalisierungsoffensive.
– Serbien. Aleksandar Vucic wird erneut zum Präsidenten gewählt. Vucˇic’ erhält 59 Prozent der Stimmen, auf seinen wichtigsten Herausforderer, den von der pro-europäischen Opposition unterstützten ehemaligen serbischen Generalstabschef Zdravko Ponos, entfallen 18 Prozent. Bei den zeitgleich stattfindenden Parlamentswahlen verfehlt die von Vucˇic’ geführte rechtsnationale Partei SNS (Serbische Fortschrittspartei) zwar die absolute Mehrheit, gewinnt mit 44,28 Prozent aber klar.
– Ungarn. Bei den Parlamentswahlen erreicht die Fidesz-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit 54,13 Prozent die absolute Mehrheit der Stimmen und aufgrund des geltenden Wahlgesetzes eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Orban bleibt Regierungschef.
10.4. – Frankreich. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen qualifizieren sich Amtsinhaber Emmanuel Macron, Vorsitzender der Bewegung La République en Marche!, (27,8 Prozent) und Marine Le Pen (23,2 Prozent), Vorsitzende des Rassemblement National (RN), für die entscheidende Stichwahl. Macron setzt sich am 24.4. mit 58,54 Prozent der Stimmen durch, auf Le Pen entfallen 41,46 Prozent. Damit geht die Wahl Macrons deutlich knapper aus als noch im Jahr 2017. Drei Millionen Franzosen geben leere oder ungültige Stimmzettel ab („vote blanc“, „vote nul“).
11.4. – Bundesregierung. Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Die Grünen) erklärt ihren Rücktritt wegen anhaltender Kritik an ihrem Verhalten als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz vor und nach der Flutkatastrophe im Juli 2021. – Am 13. April beschließt das Bundeskabinett eine Rentenerhöhung. Es bleibt bei unterschiedlichen Sätzen für Westdeutschland (5,35 Prozent) und Ostdeutschland (6,12 Prozent). – Am 25.4. entlässt Bundespräsident Steinmeier Spiegel aus dem Amt und ernennt zugleich ihre grüne Parteifreundin, die Wirtschaftsexpertin Lisa Paus als Nachfolgerin.
13.4. – Klimawandel. In der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal kommt es nach anhaltenden extremen Regenfällen zu Überschwemmungen mit mehr als 250 Todesopfern. Präsident Cyril Ramaphosa ruft am 19.4. den Notstand aus, Soldaten werden entsandt, um die Trinkwasser- und Stromversorgung wiederherzustellen. – Am 30.4. veröffentlicht die indische Regierung aktuelle Wetterdaten. Das Land leide unter dem heißesten und zugleich trockensten Sommer seit Aufzeichnung der Daten. Über Tage habe die Temperatur vielerorts bei über 45 Grad Celsius gelegen, Wasser sei knapp, die Ernte bedroht, Stromnetze brechen zusammen und die Gesundheit vieler Menschen sei gefährdet.
19.4. – Internationaler Währungsfonds (IWF). Der Fonds senkt seine Prognosen für 2022. Die Fachleute rechnen mit hohen Teuerungsraten als Folge des Ukrainekrieges.
– Osttimor. In der Stichwahl um die Präsidentschaft unterliegt Amtsinhaber Francisco Guterres seinem Herausforderer José Ramos-Horta.
20.4. – Die Linke. Die Co-Vorsitzende der Partei, Susanne Hennig-Wellsow, gibt überraschend ihren Rücktritt bekannt und erklärt diesen Schritt mit privaten Gründen und den jüngsten Anschuldigungen sexueller Übergriffe in einigen Landesverbänden, die unzureichend aufgearbeitet worden seien.
22.4. – Sachsen. Ministerpräsident Michael Kretschmer entlässt Innenminister Roland Wöller (beide CDU). Wöller steht wegen umstrittener Personalentscheidungen in der Kritik, unter anderem im Zusammenhang mit Anti-Corona-Demonstrationen. Nachfolger wird der bisherige Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Armin Schuster.
24.4. – Slowenien. Bei der Parlamentswahl unterliegt die regierende Slowenische Demokratische Partei (SDS), geführt von Ministerpräsident Janez Janša, der neugegründeten Freiheitsbewegung (GS) mit ihrem Spitzenkandidaten Robert Golob, die 34,45 Prozent der Stimmen erhält. Die SDS verliert leicht und kommt auf 23,48 Prozent.
25.4. – Saarland. Der Landtag wählt Anke Rehlinger (SPD) als Nachfolgerin von Tobias Hans (CDU) zur neuen Ministerpräsidentin. Frau Rehlinger erhält 32 von 51 Stimmen (zum Ergebnis der Landtagswahl vom 27. März 2022 vgl. „Blätter“, 5/2022, S. 127).
– SIPRI. Das weltweit anerkannte Friedensforschungsinstitut in Stockholm (Stockholm International Peace Research Institut) teilt mit, im Jahr 2021 habe die Gesamtsumme der Rüstungsausgaben erstmals die Zwei-Billionen-Dollar-Grenze überschritten (2,113 Bill. US-Dollar). Den Spitzenplatz besetzen weiterhin die USA mit 801 Mrd. Dollar, Deutschland liegt mit 56 Mrd. Dollar an siebter Stelle.
26.4. – UNO. Generalsekretär Guterres beginnt eine mehrtägige Europareise. In Moskau fordert er Präsident Putin und Außenminister Lawrow erfolglos auf, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Lawrow warnt vor einem dritten Weltkrieg, die Gefahr sei „ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden“. Nach Besuchen in Butscha und Irpin trifft Guterres am 28.4. in Kiew den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz beklagt der UN-Generalsekretär die Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates, dieser habe „es versäumt, das in seiner Macht Stehende zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und zu beenden“. Dies sei für ihn eine „Quelle großer Enttäuschung, Frustration und Wut“. Nur eine Stunde später schlagen in Kiew fünf russische Marschflugkörper ein. Guterres zeigt sich „schockiert“.
27.4. – Russland. Der staatliche Energiekonzern Gazprom stoppt Gaslieferungen an Polen und Bulgarien. Als Grund für den Lieferstopp wird die Nichteinhaltung eines Ultimatums zur Bezahlung der Rechnungen in russischen Rubeln angegeben.
– EU. Die EU-Kommission aktiviert den Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn. Nach Zustimmung im Parlament und einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Europäischen Union können Ungarn Zahlungen in Milliardenhöhe gekürzt werden. Hintergrund des Verfahrens ist die von der Kommission beanstandete Korruption in Ungarn und der unrechtmäßige Einsatz von EU-Geldern.
28.4. – Bundestag. Das Parlament stimmt einem von den Regierungs-Parteien und der CDU/CSU eingebrachten Antrag auf Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine mit 586 Stimmen bei 100 Gegenstimmen und sieben Enthaltungen zu. Die Gegenstimmen kommen vor allem von den Linken und der AfD.