Ausgabe Juli 2024

Kurzgefasst

Yuval Noah Harari: Die Wiederkehr des Imperialismus. Warum gerade nichtwestliche Staaten das Völkerrecht verteidigen sollten, S. 51-56

Die imperiale Nostalgie Wladimir Putins erschüttert derzeit die globale Ordnung. Bricht sie zusammen, werden vor allem die Schwächsten leiden – und das weltweit, analysiert der Historiker Yuval Noah Harari. Gerade auch nichtwestliche Mächte sollten sich daher für das Völkerrecht einsetzen, in ihrem eigenen Interesse. Nur wenn Russland in der Ukraine gestoppt werde, lasse sich ein neues Zeitalter des Imperialismus verhindern.

Felix Heidenreich: Macrons gefährliches Kalkül. Die extreme Rechte vor dem Wahlsieg?, S. 57-63

Mit seiner Ankündigung, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, wollte der französische Präsident Emmanuel Macron den bei der Europawahl siegreichen Rassemblement National überrumpeln und die Reihen der demokratischen Parteien gegen rechts schließen. Doch angesichts der wachsenden Zustimmung zur Ultrarechten könnte diese Taktik nach hinten losgehen, befürchtet der Politikwissenschaftler Felix Heidenreich. Nun droht ein Wahlkampf mit völlig offenem Ausgang.

Steven Levitsky und Daniel Ziblatt: Die Banalität des Autoritarismus. Wie halbloyale Demokraten die Demokratie zerstören, S. 65-74

Weltweit gerät die Demokratie in Bedrängnis und reüssieren autoritäre Kräfte. Begünstigt wird deren Aufstieg durch „halbloyale Demokraten“, so die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt – etablierte Politiker, die sich scheinbar an demokratische Spielregeln halten, Gewalt und antidemokratischen Extremismus aber tolerieren. Damit ebnen sie den Weg für die schrittweise Zerstörung der Demokratie – allzu oft mit weitgehend legalen Mitteln.

Christian Stöcker: Einlullen, verschleiern, Zweifel säen. Wie die Fossillobby unsere Zukunft gefährdet, S. 75-84

Der Wechsel zu erneuerbaren Energien ist unabdingbar, um die Klimakrise zu entschärfen – trotzdem verdient die Erdölindustrie weiterhin Milliarden. Der Journalist und Psychologe Christian Stöcker zeigt, wie fossile Energiekonzerne und ihre Helfer mit Desinformationen und Lobbyismus die Energiewende verzögern, mit katastrophalen Folgen. Dabei sind die technischen Mittel für eine nachhaltige Zukunft längst vorhanden.

Niklas Franzen und Ulli Jentsch: Isoliert und doch vernetzt: Die AfD, Lateinamerika und die globale Rechte, S. 85-92

Nicht erst seit der Europawahl befindet sich die Rechte im Aufwind, verbrüdern sich rechte Parteien zunehmend auch global. Während die spanische Vox mit großen Events die Vernetzung mit Lateinamerika vorantreibt, bleibt die AfD hier weitgehend außen vor. Dabei verfügt sie durchaus über Netzwerke zu rechten Kräften auf dem Subkontinent, wie die Journalisten Niklas Franzen und Ulli Jentsch aufzeigen. Noch aber bleiben diese meist sporadischer Natur und abhängig von persönlichen Beziehungen.

Steffen Mau: Oststolz und Osttrotz. Die Fallstricke der ostdeutschen Identität, S. 93-102

Nach der Wiedervereinigung galt die ostdeutsche Identität als eine aussterbende Art. Doch heute ist sie lebendiger denn je, wie die Wahlergebnisse zeigen. Notwendig sei eine stärkere Rolle von Ostdeutschen im gesamtdeutschen Diskurs, allerdings ohne ihre Positionen identitätspolitisch zu überhöhen, fordert der Soziologe Steffen Mau – auch um die Instrumentalisierung der Ostidentität durch die AfD zurückzudrängen.

Daphne Weber: Für eine europäische Linke ohne Scheuklappen. Zur Aktualität des Manifests von Ventotene, S. 103-110

Wo bleiben die aktuellen Ideen zur Gestaltung eines linken Europas? Während die Rechten mit ihren Vorstellungen eines „Europas der Vaterländer“ bei der EU-Wahl enormen Zulauf verzeichnen konnten, fehlt es der politischen Linken an Glaubwürdigkeit, argumentiert die Kulturwissenschaftlerin Daphne Weber. Sie erinnert an das „Manifest von Ventotene“ von 1942, einen frühen linken Entwurf des europäischen Föderalismus, und plädiert für eine neue antifaschistische Zukunftserzählung Europas.

Ruth Hoffmann: Zurechtgebogen und geplündert. Die Instrumentalisierung des Widerstands vom 20. Juli 1944, S. 111-122

Viele Deutsche halten das Attentat Claus Schenk Graf von Stauffenbergs auf Adolf Hitler für das wichtigste Ereignis des deutschen Widerstands gegen das NS-Regime. Die Journalistin Ruth Hoffmann zeichnet nach, wie der „Aufstand des Gewissens“ seinen festen Platz im öffentlichen Bewusstsein erlangte. In ihrer Analyse rechter, konservativer und adliger Geschichtserzählungen dekonstruiert sie den Mythos vom „Stauffenberg-Attentat“ und entlarvt dieses als ein instrumentelles Narrativ, das mehr der Konstruktion eines „kollektiven Alibis“ dient als einer kritischen Selbstreflexion.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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