Offener Brief von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), 6.12.2022
Rückblickend auf das Jahr 2022 müssen wir feststellen: Wir leben in einer Zeit, in der ein noch nie dagewesenes Risiko eines Einsatzes von Atomwaffen besteht. Die russische Führung droht seit Frühjahr 2022 mehrfach mit Atomwaffen, um zu verhindern, dass Staaten die Ukraine militärisch unterstützen. Jeder Einsatz von Atomwaffen hätte katastrophale humanitäre Folgen. Mit den jüngsten Drohungen rückt die Gefahr einer solchen Katastrophe näher. Darüber hinaus führt diese nukleare Rhetorik bei Bürger*innen zu existentiellen Ängsten. Das nukleare Tabu droht zu zerfallen, wenn Drohungen mit dem Einsatz von
Atomwaffen hingenommen werden. Wir fordern Sie auf, jede nukleare Drohung, sei sie explizit oder implizit und ungeachtet der Umstände eindeutig zu verurteilen. Wir schließen uns dem wichtigen Statement der G20-Staaten bei ihrem Gipfel in Bali an: “Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen sind unzulässig”. Dennoch schließen viele Staaten - auch in der NATO - einen solchen Einsatz weiterhin nicht aus. Zusätzlich, und schon vor Beginn der russischen Invasion, begann in allen Atomwaffenstaaten die Modernisierung und Aufrüstung der bestehenden Arsenale. Diese Entwicklungen sind fatal, widersprechen den bestehenden völkerrechtlichen Abrüstungsverpflichtungen und schwächen die internationale Stabilität. Deshalb fordern wir Sie eindringlich auf, multilaterale Abrüstungsverpflichtungen zu stärken und auszubauen.
Das Jahr 2022 hat Chancen zur abrüstungspolitischen Gestaltung geboten. Doch die Überprüfungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) endete ohne Ergebnis. Das inakzeptable Veto Russlands zum Abschlussdokument darf dabei nicht über die weiteren Kontroversen hinwegtäuschen, u.a. die Frustration der Staatengemeinschaft, über die stagnierenden Abrüstungsverpflichtungen aus NVV-Artikel 6. Die Bemühungen der Bundesregierung für eine Welt ohne Atomwaffen begrüßen wir. Wir sind aber überzeugt, dass es jetzt ambitionierte Maßnahmen braucht, um das Wettrüsten des 21. Jahrhunderts aufzuhalten.
Den vollständigen Brief finden Sie hier.