Die Gegenwart als Zukunft
I
Ende der Geschichte? Für uns ist das nichts Neues. Schon vor 500 Jahren verfügte Europa, daß Erinnerung und Würde in Amerika Vergehen seien. Die neuen Herren verboten, sich der Geschichte zu erinnern und Geschichte zu machen. Seit damals bleibt uns lediglich, das hinzunehmen.
II
Schwarze Haut, weiße Perücken, Lichterkronen, mit Edelsteinen besetzte Seidenumhänge - beim Karneval in Rio träumen die Hungernden gemeinsam und sind für eine Weile Könige. Vier Tage lang lebt das musikalischste Volk der Erde seinen kollektiven Rausch. Aschermittwoch mittags ist das Fest vorbei. Die Polizei nimmt jeden fest, der weiter verkleidet bleibt. Die Armen rupfen sich die Federn, nehmen die sichtbaren Masken ab, Masken, die entlarven, Masken der flüchtigen Freiheit, und setzen die anderen Masken auf, die unsichtbaren, die das Gesicht verleugnen: die Masken der Routine, des Gehorsams und des Elends. Bis zum nächsten Karneval waschen die Königinnen wieder Teller und die Prinzen fegen wieder die Straßen. Sie verkaufen Zeitungen, die sie nicht lesen können, nähen Kleider, die sie niemals tragen werden, polieren Autos, die niemals ihnen gehören werden, errichten Gebäude, die sie nie bewohnen werden. Mit ihren billigen Händen schaffen sie Produkte, die auf dem Weltmarkt billig zu haben sind. Sie bauten Brasilia und wurden aus Brasilia vertrieben.