Kartoffeln, Tomaten und ein Held. Kolumbusfeiern in den USA
Unfreiwillige Symbolik, Oktober 1991: Ausgerechnet im „Saal der Indianerverträge" im Old Executive Office neben dem in jeder Hinsicht Weißen Haus eröffnete Präsident George Bush die offiziellen Feierlichkeiten zum Kolumbus-Jubeljahr. Er dürfte die Ironie des Ereignisses in gerade diesem Raum nicht verstanden haben.
Angesichts der zunehmenden Angriffe auf den Mythos Kolumbus nehmen der Präsident, Politiker, staatstragende Akademiker und Publizisten den 500. Jahrestag der „Entdeckung" der „Neuen Welt" sehr ernst. Christoph Kolumbus ist in der offiziellen US-Geschichtsinterpretation der 90er Jahre ein Vorbild im Sinne von Ronald Reagan und George Bush: Er habe bewiesen, daß jedermann es durch Eigeninitiative und Risikobereitschaft zu etwas bringen könne. Es geht bei den staatlichen Feiern aber auch um die Erhaltung des Geschichtsbildes von der Entdeckung Amerikas, der tapferen Expansion nach Westen und der Fortschrittsverbreitung durch die europäischen, d.h. weißen Abenteurer und Siedler. Auf dieses Geschichtsbild gründet sich das Selbstverständnis Amerikas, daher kommt das US-amerikanische Sendungsbewußtsein, die Ideologie, daß die USA das gottgebende Recht und sogar die Pflicht hätten, Freiheit und Demokratie und seit neuestem auch die freie Marktwirtschaft in der ganzen Welt zu verbreiten.