2.6. - U N O. Das UN-Tribunal zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien in Den Haag lehnt es ab, das militärische Vorgehen der NATO im Kosovo als Völkermord zu bewerten und anzuklagen. Die Chefanklägerin Carla Del Ponte (Schweiz) erklärt gegenüber der italienischen Tageszeitung "La Repubblica", entsprechende Untersuchungsergebnisse seien "Null und Nichtig": "Die Rolle des Tribunals ist, die Verantwortung von Individuen zu untersuchen." Das russische Außenministerium kritisiert die Entscheidung am 3.6. als einen weiteren Beweis für die politische Voreingenommenheit des Tribunals. - Am 26.6. fordert UN-Generalsekretär Annan anläßlich der Eröffnung einer Sondertagung der Generalversammlung in Genf ein stärkeres Engagement des Westens zur Überwindung der Armut in der Dritten Welt. Soziale Probleme der reichen Länder dürften nicht zur Indifferenz gegenüber den ärmsten Ländern führen. - R u ß l a n d / U S A. Der russische Präsident Putin schlägt den USA vor, gemeinsam einen Raketenschatzschirm zu entwickeln. Dieser Schirm, so Putin gegenüber dem US-Fernsehsender NBC, könne "auch den Verbündeten in Europa" zugute kommen. - Am 3.6. kommt der amerikanische Präsident Clinton zu Gesprächen mit Putin nach Moskau. Die beiden Präsidenten unterzeichnen mehrere Abkommen, darunter eine Vereinbarung über die zivile Nutzung von 34 Tonnen atomwaffenfähigen Plutoniums innerhalb der nächsten 20 Jahre. Ein weiteres Abkommen sieht die Errichtung eines gemeinsam finanzierten Zentrums in Moskau vor, das weltweit Raketenstarts überwachen soll. - Am 13.6. konferiert US-Verteidigungsminister Cohen in Moskau mit Putin und Verteidigungsminister Sergejew. In Presseberichten heißt es, Cohen habe Interesse für den russischen Plan einer gemeinsamen Raketenabwehr gezeigt, jedoch gleichzeitig erklärt, die USA wollten an den eigenen Projekten festhalten.
5.6. - C h i l e. Ein Berufungsgericht hebt die Immunität des früheren Präsidenten Pinochet auf und schafft damit eine der Voraussetzungen für eine mögliche Anklage (vgl. "Blätter", 5/2000, S. 518 f.). In Presseberichten heißt es, die Entscheidung sei mit 13 gegen neun Stimmen getroffen worden. Pinochets Anwalte kündigen Einspruch beim Obersten Gericht an.
6.6. - U n g a r n. Das Parlament bestimmt im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit den Rechtswissenschaftler Ferenc Madl zum neuen Präsidenten der Republik. Madl, der Anfang August die Nachfolge von Arpad Göncz antritt, erhält 243 Stimmen, nachdem er zuvor zweimal die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit von 258 Stimmen verfehlt hatte.
7.6. - N o r d r h e i n - W e s t f a l e n. Sozialdemokraten und Grüne einigen sich auf einen Koalitionsvertrag zur Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Landesregierung. Auf der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags (zum Wahlergebnis vgl. "Blätter", 7/2000, S. 774) wird Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) am 21.6. mit 119 von 230 abgegebenen Stimmen für eine weitere Amtszeit gewählt.
8.6. - N A T O. Im Hauptquartier der Allianz in Brüssel findet die Frühjahrstagung der Verteidigungsminister statt. In Presseberichten heißt es, NATO-Generalsekretär Robertson habe vor Beginn der Konferenz die Minister schriftlich aufgefordert, ihre Militärausgaben zu erhöhen. Robertson bezeichnet in einem Interview die Ausgaben Belgiens, Deutschlands, Kanadas, Luxemburgs, der Niederlande und Spaniens von unter zwei Prozent des Bruttosozialprodukts als zu niedrig. Auf einer Zusammenkunft mit seinen NATOKollegen erläutert der russische Verteidigungsminister Sergejew den von Präsident Putin angekündigten Plan für ein gemeinsames Raketenabwehrsystem. - R u ß l a n d. Präsident Putin stellt per Dekret die Teilrepublik Tschetschenien unter die direkte Verwaltung der Zentralregierung in Moskau. Putin ernennt den muslimischen Geistlichen Achmed Kadyrow zum Regierungschef für Tschetschenien.
10.6. - S y r i e n. Wenige Stunden nach dem Tod von Präsident Hafez al-Asad wird dessen Sohn Bachar al-Asad als Nachfolger nominiert. Er soll nicht nur das Präsidentenamt und das Oberkommando der Streitkräfte, sondern auch die Funktionen seines Vaters in der regierenden Bath-Partei übernehmen.
12.6. - E U. Die Außenminister der Europäischen Union einigen sich in Luxemburg darauf, die Regierungskonferenz zur EU-Reform mit einer Flexibilitätsklausel ("Avantgarde-Prinzip") zu befassen. Aus Konferenzkreisen verlautet, für die Zulassung von Avantgarde-Gruppen innerhalb der Union seien vor allem die sechs Gründerstaaten (Belgien, Deutschland Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande), Vorbehalte hätten dagegen die skandinavischen Mitgliedstaaten. - Vom 19.-20.6. findet zum Abschluß der portugiesischen Ratspräsidentschaft in Santa Maria da Feira der traditionelle Europäische Rat der Regierungschefs statt. Themen sind u.a. der Verlauf der Regierungskonferenz über die institutionelle Reform, die Vorbereitungsarbeiten an einer Charta der Grundrechte, die Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Probleme der Erweiterung der Union. - Am 27.6. hält der französische Präsident Chirac vor dem Bundestag in Berlin eine vielbeachtete Rede (vgl. "Dokumente zum Zeitgeschehen"). Chirac spricht von einer Pionierrolle Deutschlands und Frankreichs im europäischen Aufbauwerk Deutschland, Frankreich und andere besonders integrationsbereite EU-Mitglieder sollten sich in einer "Pioniergruppe" zusammenfinden, und so die Rolle eines Wegbereiters für die verstärkte Zusammenarbeit spielen, nötigenfalls auch außerhalb des EU-Vertrages. Am 30.6. heißt es in Berichten aus Brüssel und Straßburg, der Präsident des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der Schweizer Prof. Wildhaber, werde drei unabhängige Persönlichkeiten mit einer Untersuchung über die Haltung der österreichischen Regierung bezüglich der gemeinsamen europäischen Werte sowie über die Entwicklung und politische Natur der FPÖ beauftragen. Dazu heißt es in einer Mitteilung der amtierenden portugiesischen EU Ratspräsidentschaft: "Auf der Grundlage der Schlußfolgerungen dieses Berichts werden die 14 EU Staaten ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich einer erneuten Prüfung unterziehen. Die am 31. Januar von 14 Mitgliedstaaten vereinbarten Maßnahmen bezüglich der bilateralen Beziehungen zur österreichischen Regierung bleiben in Kraft." - C h i n a. Der chinesische Parlamentspräsident Li Peng führt in Belgrad ein Gespräch mit Präsident Milosevic. Eine anschließend veröffentlichte gemeinsame Erklärung unterstützt die Forderung der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) nach Abzug der KFOR-Truppen aus dem Kosovo. - Am 20.6. fordert der am 18. März d.J. gewählte Präsident der Insel Taiwan, Chen Shui-bian (vgl. "Blätter", 5/2000, S. 519), den Präsidenten der VR China, Jiang Zemin, auf einer Pressekonferenz in Taipeh auf, dem Vorbild der beiden koreanischen Führer zu folgen und sich mit ihm zu einem bilateralen Gipfel zu treffen. - F r a n k r e i c h / B R D. Der französische Außenminister Védrine befasst sich in der französischen Zeitung "Le Monde" mit den Überlegungen seines deutschen Kollegen Fischer (vgl. "Blätter", 6/2000, S. 752 ff.). Védrine erklärt in einer mündlichen Erläuterung seines Artikels, er sei gegen ein föderalistisches System im klassischen Sinne, aber auf lange Sicht für eine Föderation von Nationalstaaten. - Am 14.6. tritt Fischer vor dem Auswärtigen Ausschuß der Nationalversammlung in Paris auf und fordert eine breite Diskussion über die künftige Gestalt Europas, bei der es nicht um visionäre Probleme, sondern um konkrete Fragen gehe, von deren Antwort zukünftige Lebensumstände abhingen. Für eine Europäische Union mit 30 Mitgliedern reichten die derzeitigen Institutionen nicht aus. - Am 25.6. besucht der französische Präsident Chirac in Begleitung von Bundeskanzler Schröder die Expo 2000 in Hannover und beginnt am 26.6. einen Staatsbesuch in Berlin, wo er von Bundespräsident Rau vor dem Schloß Bellevue mit militärischen Ehren empfangen wird. Vor dem Bundestag setzt sich der französische Präsident für einen ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein.
13.15.6. - K o r e a. Erstmals seit Teilung der koreanischen Halbinsel im Jahre 1943 treffen die führenden Repräsentanten der Republik Korea (Südkorea) und der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) zusammen (vgl. "Blätter", 6/2000, S. 645). Der südkoreanische Präsident Kim Dae Jung kommt nach Pjöngjang, wo er vom nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Il begrüßt wird. Es werden Maßnahmen zur Zusammenführung getrennter Familien, eine verstärkte kulturelle Zusammenarbeit und Schritte zur Vertrauensbildung vereinbart. Kim Dae Jung lädt Kim Jong Il zu einem Gegenbesuch nach Seoul ein.
14.6. - B u n d e s r e g i e r u n g. Bundeskanzler Schröder sowie die Minister Trittin (Umwelt) und Müller (Wirtschaft) verständigen sich mit Vertretern der Energiewirtschaft auf den Ausstieg aus der Atomenergie, ohne jedoch Termine für die Abschaltung der 19 Atomkraftwerke festzulegen. Vereinbart wird eine noch zu produzierende Gesamtmenge an Strom, die die Unternehmen flexibel auf ihre Anlagen verteilen können. Theoretisch ergibt dies eine Laufzeit von 32 Kalenderjahren je Anlage.
14.-16.6. - B R D / R u ß l a n d. Der russische Präsident Putin hält sich auf Einladung von Bundeskanzler Schröder zu Konsultationen in Berlin auf. Im Mittelpunkt des Meinungsaustausches mit der Bundesregierung stehen Wirtschaftsthemen, darunter der russische Wunsch nach einem teilweisen Schuldenerlaß. Dazu heißt es, die deutsche Seite sei nur zu einer Umschuldung bereit. Zu den weiteren Gesprächspartnern des Präsidenten gehören Vertreter der Wirtschaft, die Parteivorsitzenden Merkel (CDU) und Stoiber (CSU) sowie der ehemalige Bundeskanzler Kohl.
22.6. - C h i n a / U S A. Vor einem Empfang bei Präsident Jiang Zemin berichtet die amerikanische Außenministerin Albright vor Journalisten in Peking über ihre Gespräche mit Mitgliedern der Regierung. In Presseberichten heißt es später, der Außenministerin sei es nicht gelungen, Jiang Zemin zu einem Gipfeltreffen mit dem neuen taiwanesischen Präsidenten Chen Chui blan zu bewegen.
23.-24.6. - B 9 0 / D i e G r ü n e n. Auf einer Bundesdelegiertenkonferenz in Münster billigen die Delegierten mit 433 gegen 227 Stimmen den am 14. d.M. zwischen der Bundesregierung und der Stromwirtschaft ausgehandelten Kompromiß zum Ausstieg aus der Kernenergie. An die Spitze der Partei werden Renate Künast und Fritz Kuhn gewählt. Die beiden bisherigen Parteisprecherinnen Antje Radcke und Gunda Röstel hatten nicht mehr kandidiert.
25.6. - N a h e r O s t e n. Palästinenserpräsident Arafat erklärt in Nablus, ein unabhängiger Staat für die Palästinenser sei nur noch wenige Wochen entfernt. Der israelische Außenminister Levy warnt die Palästinenser vor einseitigen Entscheidungen. Israel nehme sich in diesem Fall das Recht, nach eigenem Gutdünken zu reagieren.
27.6. - E u r o p a r a t. Das Ministerkomitee fordert die Parlamentarische Versammlung auf, die Sanktionen gegen die russischen Abgeordneten zurückzunehmen (vgl. "Blätter", 6/2000, S. 644). Die Lage in Tschetschenien, so heißt es in einer Mitteilung des Komitees, habe sich "deutlich verbessert".
29.6. - B R D / G r o ß b r i t a n n i e n. Der britische Premierminister Blair führt bei Potsdam ein vertrauliches Gespräch mit Bundeskanzler Schröder. Das Treffen wird als "inoffiziell" bezeichnet. Blair weist vor Journalisten Spekulationen zurück, Großbritannien sei über die enge Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs in der Europapolitik besorgt. Bei einem Vortrag am 30.6. in Tübingen geht er nicht direkt auf die Ausführungen des französischen Präsidenten vor dem Bundestag (27.6.) ein.