2.12. - UNO. Der irakische Außenminister Sabri protestiert in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Annan gegen erneute amerikanisch-britische Luftangriffe auf Ziele im Südirak. Diese „Bedrohung der regionalen Stabilität“ gehöre vor den Sicherheitsrat. - Am 7.12. legt der Irak fristgerecht in New York das von den Vereinten Nationen geforderte Inventar seiner nichtkonventionellen Rüstungsprogramme vor (vgl. Ziffer 3 der Resolution 1441 des Sicherheitsrates in „Blätter“ 12/2002, S.1513f.). Die Behandlung des irakischen Dokuments, das aus 11.807 Seiten mit 352 Seiten Anhang und 12 CD-ROM besteht, führt im Sicherheitsrat zu einer Kontroverse zwischen den ständigen und den nichtständigen Mitgliedern. Während die fünf ständigen Mitglieder, mit zeitlichem Vorsprung die USA, ein vollständiges Exemplar erhalten, geht eine stark gekürzte „Arbeitskopie“ an die übrigen zehn Mitglieder des Rates. UN-Chefinspektor Blix kündigt eine genaue Prüfung des vom Irak vorgelegten Materials an, die einige Wochen dauern könne. - Am 18.12. verabschiedet die Generalversammlung in New York mit 127 gegen vier Stimmen (USA, Marshallinseln, Nigeria und Palau) bei 42 Enthaltungen ein Zusatzprotokoll zur Konvention gegen die Folter, das ein internationales Vorbeuge-Inspektionssystem vorsieht.
- Afghanistan. Ein Jahr nach Unterzeichnung des Afghanistan-Abkommens auf dem Petersberg bei Bonn (vgl. „Blätter“ 2/2002, S.132f. und 3/2002, S.374ff.) findet am gleichen Ort eine weitere Afghanistan-Konferenz statt. Der afghanische Präsident Karzai bezeichnet die Gewährleistung der Sicherheit als das gegenwärtige Hauptproblem und unterzeichnet am Rande der Konferenz einen Erlass zur Schaffung einer nationalen Armee, die maximal 70 000 Mann umfassen und innerhalb eines Jahres die schweren Waffen der Milizen übernehmen soll. - Am 18.12. geht in Oslo eine internationale Geberkonferenz für Afghanistan mit Hilfszusagen in Höhe von 1,2 Mrd. Dollar zuende.
- Venezuela. Die politische Opposition, unterstützt von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, ruft zum Generalstreik auf, um Präsident Chávez zum Rücktritt zu zwingen. Chávez spricht vom Versuch eines Staatsstreichs. Der Streik dauert den ganzen Monat an und wirkt sich vor allem auf den Erdölexport des Landes aus.
2.-3.12. - China/Rußland. Der russische Präsident Putin absolviert einen zweitägigen Arbeitsbesuch in der chinesischen Hauptstadt, wo er u.a. mit Präsident Jiang Zemin sowie mit dem neuen Parteichef Hu Jintao zusammentrifft (vgl. „Blätter“ 1/2003, S.5). In einer gemeinsamen Erklärung betonen Jiang und Putin ihr Interesse an einer kernwaffenfreien koreanischen Halbinsel: „Für das Schicksal der Welt und die Sicherheit Nordostasiens ist es unerlässlich, den kernwaffenfreien Status zu bewahren.“
3.12. - Dänemark. Der Tschetschenenführer Sakajew wird trotz eines Auslieferungsgesuches der russischen Regierung in Kopenhagen aus der Untersuchungshaft entlassen und kann nach Großbritannien ausreisen (vgl. „Blätter“ 1/2003, S.4). Sakajew, der bei seiner Ankunft in London vorübergehend festgenommen, dann aber gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt wird, stellt einen Antrag auf politisches Asyl.
4.12. - Korea. Die Demokratische Volksrepublik Korea/DVRK (Nordkorea) weist die Forderung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) nach Offenlegung ihres Atomprogramms zurück (vgl. „Blätter“ 12/2002, S.1414). Der IAEO-Gouverneursrat hatte Nordkorea zur Aufgabe jeglicher Nuklearwaffenpläne „auf schnelle und nachweisbare Weise“ aufgerufen. Außenminister Paek Nam-sun bezeichnet die entsprechende Resolution als „extrem einseitig“. Nordkorea kündigt am 12.12. an, es werde seine stillgelegten Nuklearanlagen „mit sofortiger Wirkung“ wieder in Betrieb nehmen und zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung unmittelbar mit dem Bau neuer Atomkraftwerke beginnen. Man reagiere damit auf die Einstellung der Heizöllieferungen aus den USA. - Am 16.12. fordert die in Pjöngjang erscheinende Regierungszeitung „Rodong Sinmun“ die USA zur Unterzeichnung eines Nichtangriffspakts mit der DVRK auf. Ein solches Abkommen sei der einzige Weg, einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel zu verhindern. - Am 20.12. bekennt sich der am Vortag als Kandidat der Regierungspartei gewählte Präsident der Republik Korea (Südkorea) Roh Moo-hyun zur Allianz mit den USA. In Seoul heißt es dazu, Roh werde neue Akzente in den Beziehungen setzen und eine Verständigung mit dem Norden anstreben. - Am 22.12. lässt Nordkorea die Überwachungsanlagen der IAEO von seinen bisher stillgelegten Reaktoren entfernen. Die beiden einzigen IAEO-Inspektoren müssen am 31.12. das Land verlassen.
- Naher Osten. Der israelische Ministerpräsident Scharon stimmt in einer Rede vor Teilnehmern der Herzliya-Konferenz bei Tel Aviv dem von US-Präsident Bush vorgelegten „Friedensfahrplan“ zur Errichtung eines Palästinenserstaates bis zum Jahr 2005 zu, versieht jedoch sein Votum mit zahlreichen Vorbehalten. - Am 15.12. teilt Scharon auf der wöchentlichen Kabinettsitzung mit, Präsident Arafat dürfe auch in diesem Jahr nicht an den christlichen Weihnachtsfeiern in Bethlehem teilnehmen. - Am 22.12. verschiebt die Palästinensische Autonomiebehörde die für den 20. Januar 2003 geplanten Wahlen im Westjordanland und im Gazastreifen (vgl. „Blätter“ 11/2002, S.1284). Freie Wahlen seien unmöglich, solange die israelische Besatzung andauere.
6.12. - Jugoslawien. Eine Verfassungskommission einigt sich auf die Umwandlung der Bundesrepublik Jugoslawien in eine Föderation „Serbien und Montenegro“. Die 126 Abgeordneten des gemeinsamen Parlaments, 91 aus Serbien und 35 aus Montenegro, sollen zunächst von den Parlamenten der beiden Teilrepubliken bestimmt und nach einer Übergangsphase von zwei Jahren direkt gewählt werden. Die Einigung über die Verfassung der neuen Föderation war durch Vermittlung der Europäischen Union zustande gekommen. - Am 8.12. gelingt es dem jugoslawischen Präsidenten Koštunica auch in einem weiteren Wahlgang nicht, als Kandidat der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) Präsident Serbiens zu werden (vgl. „Blätter“ 12/2002, S.1413). Koštunica erhält zwar rund 58 % der Stimmen, die Wahlbeteiligung liegt jedoch mit rund 45 % unter den von der Verfassung vorgeschriebenen 50 %. Eine Klage der DSS beim Obersten Gericht wegen Wahlbetrugs wird abgewiesen. - Am 26.12. fordert der serbische Ministerpräsident Djindjić in Belgrad den serbischen Präsidenten Milutinović auf, sich nach dem Ende seiner Amtszeit (29.12.) freiwillig dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu stellen. Andernfalls werde seine Auslieferung vorbereitet.
6.-7.12. - OSZE. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hält in der portugiesischen Hafenstadt Porto ihren jährlichen Ministerrat ab. Auf der Tagesordnung stehen die Verabschiedung einer OSZE-Charta über die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus, ein Beschluss über die Entwicklung einer OSZE-Strategie gegen Bedrohungen von Sicherheit und Stabilität im 21. Jahrhundert sowie eine Erklärung über den Menschenhandel. Für den künftigen Vorsitz („Chairman-in-Office“) werden nach den Niederlanden (2003) Bulgarien (2004) und Slowenien (2005) bestimmt. - Am 31.12. läuft das Mandat der OSZE-Mission in Tschetschenien aus. Die russische Regierung hatte die Aktivitäten der Mission mehrfach als Einmischung in die inneren Angelegenheiten kritisiert.
7.-8.12. - Bündnis90/Die Grünen. Auf der Bundesversammlung der Partei in Hannover scheitert erneut ein Antrag auf Aufhebung der Satzungsbestimmung über die Trennung von Amt und Mandat an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit, an der acht Stimmen fehlen (vgl. „Blätter“ 12/2002, S.1414). In einer Urabstimmung sollen die 45 000 Parteimitgliedern im Frühjahr 2003 entscheiden. Anstelle von Claudia Roth und Fritz Kuhn, die als Bundestagsabgeordnete zunächst nicht wieder für den Parteivorsitz kandidieren können, werden Angelika Beer und Reinhard Bütikofer gewählt.
8.12. - Irak. Der frühere Leiter der Rüstungsproduktion, General Amer as-Saadi, jetzt Berater von Präsident Hussein, teilt vor der Presse mit, der Irak habe seinerzeit an einem umfassenden Nuklearprogramm gearbeitet, jedoch nie eine Atombombe hergestellt. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) müsse nun beurteilen, wie weit der Irak noch von einer Bombe entfernt gewesen sei. Das Land verfüge derzeit über keinerlei Massenvernichtungswaffen. - Vom 14.-17.12. beraten mehr als 300 Vertreter irakischer Exilgruppen über Pläne für „die Zeit nach Saddam Hussein“. Die Konferenz findet unter großen Sicherheitsvorkehrungen im Hilton Metropole Hotel in London statt und wird vor allem von der amerikanischen und der britischen Regierung unterstützt.
9.12. - NATO. Generalsekretär Robertson führt in Moskau ein Gespräch mit Präsident Putin, bei dem es vor allem um den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus geht. Putin erklärt zum Beschluss über die zweite NATO-Osterweiterung (vgl. „Blätter“ 1/2003, S.6), er hoffe, dass die jüngste Entwicklung nicht zu Spannungen, sondern zu mehr Vertrauen führe. - Am 13.12. informiert Robertson die Presse über eine Vereinbarung, nach der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei künftigen Militäreinsätzen auf die Infrastruktur der Nordatlantischen Allianz zurückgreifen können. Die Mittelmeerinsel Malta und das geteilte Zypern bleiben auch nach einem EU-Beitritt davon ausgenommen. Die Türkei, die der NATO, jedoch nicht der Europäischen Union angehört, hatte eine strategische Partnerschaft zwischen beiden Organisationen bisher blockiert.
10.12. - Norwegen. Der frühere amerikanische Präsident Jimmy Carter nimmt in Oslo den ihm verliehenen Friedensnobelpreis 2002 entgegen (vgl. „Blätter“ 12/2002, S.1413). In seiner Rede warnt der Preisträger vor einem Krieg gegen den Irak, ohne die USA direkt zu erwähnen: „Mächtige Länder, die das Prinzip des Präventivkrieges anwenden, könnten ein Exempel mit katastrophalen Folgen statuieren.“ Weltweit gebe es bereits acht Atommächte, von denen drei „in Gebieten von hoher internationaler Spannung“ liegen und eine Bedrohung für ihre Nachbarn darstellten.
11.12. - USA. Die Regierung veröffentlicht ein für den Kongress bestimmtes Dokument mit dem Titel „Nationale Strategie zur Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen“, das den Feinden der USA oder ihrer Alliierten beim Einsatz solcher Waffen mit massiver Vergeltung droht, die auch Atomwaffen einschließe. - Am 16.12. berichtet die Presse über eine massive Erhöhung des Militäretats. Nach den vorliegenden Planungen solle der Haushalt des Pentagon von 331 Mrd. Dollar im Jahre 2002 auf 451 Mrd. Dollar im Jahre 2007 steigen. Für das laufende Haushaltsjahr wolle Präsident Bush zusätzliche 14 Mrd. Dollar beantragen. - Am 17.12. kündigt das Weiße Haus den Baubeginn des geplanten Raketenabwehrsystems für das Jahr 2004 an. Zunächst sollten in Alaska zehn Abfangraketen aufgestellt werden. - Am 23.12. erklärt Verteidigungsminister Rumsfeld im Zusammenhang mit dem Streit um die Atomreaktoren Nordkoreas, die USA könnten gleichzeitig mehr als einen militärischen Konflikt austragen. Pjöngjang solle nicht darauf setzen, dass sich die Welt vollkommen auf den Irak-Konflikt konzentriere.
12.-13.12. - EU. Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs tagt unter dänischem Vorsitz in Kopenhagen. Im Mittelpunkt stehen Haushalts- und Finanzbeschlüsse zur bevorstehenden Erweiterung der Union von derzeit 15 auf 25 Mitglieder. Zur Türkei heißt es, die „Heranführungsstrategie“ für das Land werde fortgesetzt, ein konkretes Datum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wird wiederum nicht genannt. Die von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland herausgegebenen „EU-Nachrichten“ schreiben dazu, in Kopenhagen sei endgültig ein „Schlussstrich“ unter die Teilung des Kontinents gezogen worden, „die im Februar 1945 in Jalta auf der Krim ihren Ausgang genommen hatte“. Der Rat äußert sich auch zur Krise um den Irak und „betont seine uneingeschränkte und unzweideutige Unterstützung“ der Resolution 1441 (2002) des UN-Sicherheitsrates (Text in „Blätter“ 12/2002, S.1512ff.). Es sei „nun Sache des Irak, diese letzte Gelegenheit, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen“, zu ergreifen. Die Rolle des Sicherheitsrates bei der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt müsse gewahrt werden.
18.12. - Bundesverfassungsgericht. Der Zweite Senat erklärt das Votum des Bundesrats zum Entwurf der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz aus formalen Gründen für nicht verfassungskonform. Damit kann das von Bundespräsident Rau am 20. Juni d.J. unterzeichnete Gesetz nicht wie geplant am 1. Januar 2003 in Kraft treten (vgl. „Blätter“ 5/2002, S.518, 8/2002, S.902 und 9/2002, S.1030). Das Urteil ergeht nicht einstimmig, eine Minderheit des Senats gibt abweichende Meinungen zu Protokoll.
20.12. - Bundestag. Das Parlament verlängert den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan um ein weiteres Jahr und stimmt der gemeinsamen Übernahme des Kommandos durch Deutschland und die Niederlande ab Februar 2003 zu. Das deutsche Kontingent wird auf 2 500 Soldaten verdoppelt. Die Entscheidung fällt in namentlicher Abstimmung mit 565 gegen neun Stimmen bei zwei Enthaltungen.
31.12. - Griechenland. Die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlicht unter der Überschrift „Schrei-Duelle mit Washington sind nicht effektiv“ ein Interview mit Außenminister Papandreou. Dieser befürwortet eine „offene Diskussion“ mit den USA über Fragen der Sicherheit in der Welt. Europa habe dazu „viel beizutragen“. Griechenland übernimmt im ersten Halbjahr 2003 den Vorsitz in der Europäischen Union.