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»Frauen in Deutschland: gut ausgebildet, aber schlecht bezahlt«

OECD-Länderbericht zur Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland, 17.12.2012

Junge Frauen sind besser ausgebildet, dennoch sind sie auf dem Arbeitsmarkt weniger präsent als Männer

Einen Abschluss von einer Universität, einer Fachschule oder auch einen Meisterbrief (Tertiärbildung) haben in Deutschland heute 27 Prozent der Frauen zwischen 25 und 34 Jahren, und damit in dieser Altersgruppe mehr Frauen als Männer (25%). Vor zwanzig Jahren war das noch anders. Unverändert jedoch sind die großen Unterschiede in der Studienfachwahl zwischen Frauen und Männern: 2009 entfielen in Deutschland nur 16 Prozent der tertiären Informatikabschlüsse auf Frauen, dafür aber 70 Prozent der tertiären Abschlüsse im Gesundheits- und Sozialwesen. Diese Studienentscheidungen sind eher mit Einstellungen zu erklären als mit geschlechtsspezifischen Begabungen. Typische Geschlechterrollen sollten deshalb schon von klein auf in Frage gestellt werden, zu Hause und in der Schule. Hilfreich sind dabei Maßnahmen wie der 2001 initiierte „Girl’s Day - Mädchen-Zukunftstag“, an dem Mädchen im Teenager- Alter Unternehmen, Universitäten und Forschungszentren besuchen, die Arbeitsplätze im technischen Bereich anbieten.

Mit 68 Prozent liegt der Anteil der erwerbstätigen Frauen in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt (60 %). Der Anteil der Kinder im Alter bis zu drei Jahren, die tagsüber betreut werden, ist mit 18 Prozent hingegen niedrig. Viele Frauen arbeiten in Teilzeit, besonders Mütter: Bei 25 bis 54-Jährigen mit Kindern in Schule oder Ausbildung sind es 62 Prozent, in Frankreich dagegen nur 26 Prozent. Die Hausarbeit ist indes weiterhin eher in weiblicher Hand, Frauen verbringen damit in Deutschland im Schnitt täglich zwei Stunden mehr als Männer.

Besonders hoch ist das deutsche Lohngefälle zwischen Männern und Frauen: Für mittlere Einkommen liegt es mit 22 Prozent OECD-weit an dritter Stelle (Durchschnitt: 16%). Der Studie zufolge ist die Hälfte dieses Unterschieds auf die verstärkte Teilzeitarbeit von Frauen zurückzuführen. Da Teilzeitarbeit sich oft auch negativ auf das berufliche Weiterkommen auswirkt, ist die Lohnlücke bei den über 40-Jährigen drei Mal so hoch wie bei jüngeren Erwerbstätigen. Nur 28 Prozent der deutschen Führungskräfte und weniger als sechs Prozent der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Unternehmen sind Frauen. Mit 63 Prozent ist der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Deutschland auch bei den Freiberuflern fast doppelt so hoch wie im OECD-Durchschnitt (34%).

Deutschland hat das stärkste geschlechterbedingte Rentengefälle in der OECD

Kürzere Beitragskarrieren, weniger Arbeitsstunden und niedrigeres Einkommen führen auch zu relativ niedrigen Renten. Frauen erhalten im Schnitt nur die Hälfte der durchschnittlichen Rente, die Männern ausbezahlt wird. Dieses geschlechtsbedingte Rentengefälle ist das größte in der OECD. Zwei Drittel der deutschen Rentner sind Frauen. Die Rentenlücke ist ein wesentlicher Grund dafür, dass zehn Prozent von ihnen in Altersarmut leben.

Ein wichtiger Faktor, der es Frauen ermöglichen kann, voll in den Arbeitsmarkt einzusteigen, ist die Kinderbetreuung. Die Reform der Elternzeit in Deutschland hat dazu geführt, dass mehr Väter eine Auszeit für ihre Kinder nehmen. 2007 waren es nur neun Prozent, im 2. Halbjahr 2012 bereits 25 Prozent. Insgesamt fehlt in Deutschland aber vielerorts ein qualitativ hochwertiges und erschwingliches Betreuungsangebot. Als Folge des Ehegattensplittings hat Deutschland OECD-weit auch das einzige Steuer- und Sozialsystem, in dem es sich für Eltern schulpflichtiger Kinder nicht lohnt, dass beide Teile arbeiten. Die jüngst beschlossene Einführung des stark umstrittenen Betreuungsgelds für Kinder von 13 bis 36 Monaten könnte Mütter mit Kleinkindern zudem verstärkt motivieren, zu Hause zu bleiben und so die ohnehin schon erheblichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verfestigen.

Die vollständige Studie finden Sie hier, ebenso wie länderspezifsche Informationen