1.11. – Belarus. Die sonntäglichen Demonstrationen gegen Präsident Lukaschenko gehen trotz neuer Gewaltandrohungen der Sicherheitskräfte weiter, im Zentrum der Hauptstadt Minsk fordern Zehntausende den Rücktritt des Präsidenten und die Freilassung der Gefangenen. Nach einem Besuch des russischen Außenministers Lawrow in Minsk äußert sich Lukaschenko am 27.11. zu den Plänen für eine Verfassungsreform: „Mit der neuen Verfassung werde ich schon nicht mehr als Präsident arbeiten.“
3.11. – USA. Die Bevölkerung der Bundesstaaten ist aufgerufen, einen neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu bestimmen. Für die Republikaner stellt sich Präsident Donald Trump für eine zweite (und letzte) Amtsperiode zur Wahl, für die Demokraten tritt der ehemalige Vizepräsident Joe Biden an. Als Vizepräsident für die Republikaner kandidiert erneut Mike Pence, für die Demokraten die Senatorin Kamala Harris. Wegen der außergewöhnlich hohen Wahlbeteiligung (der höchsten seit 1908) und der ungewöhnlich großen Zahl von Briefwahlzetteln ist die Auszählung kompliziert und zieht sich hin. Nach und nach zeichnet sich ein Vorsprung für Joe Biden und die Niederlage Donald Trumps ab. Präsident Trump, der schon seit Monaten von Wahlfälschung spricht, zweifelt die korrekte Auszählung in den Bundesstaaten an und beauftragt seine Anwälte, mit juristischen Mitteln gegen die veröffentlichten Ergebnisse vorzugehen. In einigen Bundesstaaten erfolgen Nachzählungen, die jedoch das Ergebnis nur unwesentlich verändern. Trump wiederholt am 5.11. seine Behauptung, es werde versucht, „die Wahl zu stehlen“. Wenn man „alle legalen Stimmen zählt, gewinne ich ganz klar“. Es habe historische Eingriffe in die Wahl gegeben durch „big media, big money and big tech“. – Am 7.11. hat Joe Biden in Begleitung seiner künftigen Stellvertreterin Kamala Harris seinen ersten Auftritt als designierter 46. Präsident der USA. Er sei zwar ein stolzer Demokrat, aber er werde als Amerikaner regieren, erklärt Biden auf einer Freilichtbühne in Wilmington in seinem Heimatstaat Delaware. Harris dankt den vielen Frauen, die es ihr jetzt ermöglichten, als erste Frau, erste Afroamerikanerin und als erste Tochter einer indischen Einwanderin ihr Amt anzutreten: „Ich stehe auf ihren Schultern.“ Biden hatte zuvor angekündigt, er werde in den ersten Tagen seines neuen Amtes eine Reihe von Erlassen der Regierung Trump rückgängig machen. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt am 10.11., die Weigerung Trumps, seine Niederlage anzuerkennen, führe zu einem „Bild von zwei Parallelwelten“, hier ein gewählter Präsident, da ein Amtsinhaber, der den Sieg weiter für sich reklamiere und unbewiesene Vorwürfe des Wahlbetrugs verbreite. – Am 17.11. bestätigt der amtierende Verteidigungsminister Miller die Absicht von Präsident Trump, kurz vor Ende seiner Amtszeit die amerikanische Truppenpräsenz in verschiedenen Krisengebieten erheblich auszudünnen. Die Truppen in Irak und Afghanistan sollten auf je 2500 Militärangehörige reduziert werden. – Am 23.11. teilt Trump mit, er habe die zuständige Behörde angewiesen, dem Biden-Team Zugang zu den administrativen Prozeduren zu gewähren, um die Amtsübergabe vorzubereiten. Niemand solle dies jedoch als Eingeständnis seiner Niederlage verstehen. – Am 24.11. stellt Biden die ersten sechs Mitglieder seines außen- und sicherheitspolitischen Teams vor. „Sie werden mir sagen, was ich wissen muss, nicht, was ich hören will.“ Biden betont, Amerika sei zurück und bereit, „die Welt anzuführen, statt sich aus ihr zurückzuziehen.“ Amerika sei am stärksten, „wenn es mit seinen Verbündeten zusammenarbeitet“.
5.11. – EU. Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union verständigen sich über einen „Rechtsstaatsmechanismus“. Stellt die EU-Kommission künftig einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien in einem Mitgliedsland fest, muss der Europäische Rat auf Ministerebene binnen drei Monaten einen Vorschlag für Sanktionen mit qualifizierter Mehrheit billigen. Damit können Auszahlungen an Mitgliedsländer zurückgehalten werden, wenn in diesen Staaten die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ist oder wenn der Missbrauch von EU-Mitteln droht. Der neue Mechanismus kann nur mit Zustimmung aller Mitgliedstaaten in Kraft treten (Einstimmigkeitsprinzip). – Am 10.11. beraten Bundeskanzlerin Merkel, Österreichs Bundeskanzler Kurz und der französische Präsident Macron mit den Spitzen der Europäischen Union über gemeinsame Initiativen gegen islamistischen Terrorismus. – Am 16.11. blockieren Polen und Ungarn den Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre im Umfang von 1,8 Billionen Euro, dessen Annahme Einstimmigkeit voraussetzt. Das Veto richtet sich gegen den darin enthaltenen Rechtsstaatsmechanismus. Der polnische Regierungschef Morawiecki erklärt am 18.11., die Rechtsstaatlichkeit sei zu einem Mittel geworden, um schwache EU-Mitglieder in die Ecke zu drängen: „Wir Polen kennen den Einsatz solcher Propaganda-Knüppel aus dem Kommunismus.“
9.11. – Nagorny Karabach. Durch Vermittlung Russlands und der Türkei unterzeichnen Armenien und Aserbaidschan ein Abkommen zur sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen (vgl. „Blätter“, 12/2020, S. 125). Die Vereinbarung sieht den Rückzug Armeniens aus seit den 1990er Jahren kontrollierten aserbaidschanischen Gebieten vor. Eine russische Friedenstruppe soll die Waffenruhe garantieren. In die Verhandlungen hatte sich Russlands Präsident Putin eingeschaltet.
11.11. – Iran. Präsident Rohani äußert die Bereitschaft, mit dem künftigen amerikanischen Präsidenten Biden zusammenzuarbeiten. Bedingung sei, dass die USA zum Atomabkommen von 2015 zurückkehrten. Außerdem müssten die gegen sein Land verhängten Sanktionen aufgehoben werden.
– Bolivien. Nach dem Wahlsieg des „Movimiento Socialismo“ (MAS) kehrt der frühere Präsident Evo Morales aus dem einjährigen Exil nach Bolivien zurück, wo er von seinen Anhängern gefeiert wird. Morales hatte sich nach seinem erzwungenen Rücktritt außer Landes begeben.
15.11. – Vietnam. Nach mehr als 30 Verhandlungsrunden unterzeichnen die zehn Mitglieder der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN) sowie Australien, China, Japan, Neuseeland und Südkorea ein Freihandelsabkommen (Regional Comprehensive Economic Partnership/RCEP), das 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung umfasst. Die Einigung wird auf einer von Vietnam ausgerichteten virtuellen Konferenz bekanntgegeben. Der chinesische Regierungschef Li Keqiang spricht von einem Sieg für den Multilateralismus und den Freihandel.
– Moldau. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt setzt sich die frühere Regierungschefin und ehemalige Ökonomin der Weltbank Maia Sandu mit 57 Prozent der Stimmen gegen den Amtsinhaber Igor Dodon durch. Frau Sandu befürwortet die Annäherung des Landes an die Europäische Union.
17.11. – Japan/Australien. Die Regierungschefs Yoshihide Suga und Scott Morrison teilen in Tokio mit, man habe sich nach mehrjährigen Verhandlungen im Grundsatz auf ein Militärabkommen geeinigt. Es erlaube ihren Streitkräften künftig, gemeinsame Manöver durchzuführen. Morrison bezeichnet die Vereinbarung als Antwort auf die zunehmend schwierige Sicherheitslage in der Region. Japan lässt mit diesem Abkommen erstmals seit 1960 ausländische Truppen auf seinem Territorium zu.
19.10. – Bundestag. Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen debattiert das Parlament über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit. Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, die brutale Niederschlagung des Aufstandes im ehemaligen Deutsch-Ostafrika (heutiges Tansania) und des Aufstandes der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) Anfang des 20. Jahrhunderts offiziell als Völkermord anzuerkennen, so eine Sprecherin der Fraktion. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Michelle Müntefering (SPD) erklärt in der Debatte, die Verbrechen der deutschen Kolonialtruppen würde man „nach heute geltender Rechtslage als Völkermord bezeichnen“. Im Reichstagsgebäude, Sitz des Bundestages, werden Abgeordnete und Parlamentsmitarbeiter von Besuchern bedrängt, beleidigt und fotografiert, die sich auf Einladung von AfD-Abgeordneten auf den Gängen des Gebäudes aufhalten. Bundestagspräsident Schäuble und Sprecher der Fraktionen verurteilen die provokative Aktion und fordern juristische Konsquenzen.
– Großbritannien. Premierminister Johnson kündigt im Unterhaus eine Erhöhung des Militäretats um 16,5 Mrd. Pfund in den nächsten vier Jahren an, zusätzlich zu den inflationsbedingten Aufstockungen. Die Ära der schrumpfenden Verteidigungsbudgets müsse enden und sie endet „hier und jetzt“.
20.11. – Nürnberger Prozess. Eine Gedenkveranstaltung im Justizpalast von Nürnberg erinnert an die Eröffnung des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof der vier Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich vor 75 Jahren (November 1945 – Oktober 1946).
20.-22.11. – Die Grünen. Bündnis 90/Die Grünen verabschieden auf einem virtuellen Parteitag ein Programm mit dem Titel „Veränderung schafft Halt“, das Leitplanken grüner Politik für die nächsten 15 bis 20 Jahre festlegen soll. Der Co-Vorsitzende Habeck fordert seine Partei zu einem selbstbewussten Bekenntnis zur Macht auf. „Macht kommt ja von Machen.“ In der Vorwoche hatte Habeck zusammen mit zwei Bundestagsabgeordneten ein Papier mit der Überschrift „Null-Toleranz-Strategie gegen islamistische Gefährder“ vorgelegt.
21.-22.11. – G20. Die Gruppe der 20 wichtigsten Industriestaaten hält den geplanten Gipfel virtuell ab. Im Mittelpunkt stehen die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft und die gerechte Verteilung eines Impfstoffs. Den Vorsitz führt Saudi-Arabien.
22.11. – Abrüstung. Der angekündigte Austritt der USA aus einem weiteren Rüstungskontrollvertrag, dem Vertrag über den Offenen Himmel („Open Skies“) zwischen den Nato-Staaten und Russland wird wirksam (vgl. „Blätter“, 7/2020, S. 125 f.). Washington hatte Moskau mehrfach vorgeworfen, gegen das Abkommen über militärische Beobachtungsflüge zu verstoßen.
23.-24.11. – UNO. Eine Geberkonferenz der Vereinten Nationen in Genf ruft zur Hilfe für Afghanistan auf. Ohne diese Hilfe drohten dem Land „katastrophale Konsequenzen“. Die Zukunft von Millionen Afghanen hänge von dem Ergebnis der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban sowie dem Engagement der internationalen Gemeinschaft ab. Die Europäische Union sagt weitere 1,2 Mrd. Euro zu, davon übernimmt die Bundesrepublik 430 Mio. Euro. Insgesamt werden 10 Mrd. Euro zugesagt.
26.11. – Türkei. Ein Gericht in Ankara fällt Urteile gegen mehrere Hundert Personen, denen die Beteiligung an einem Putsch vor vier Jahren vorgeworfen wird. Von den Angeklagten erhalten 337 lebenslänglich, weitere 60 mehrjährige Haftstrafen und 70 werden freigesprochen. Unter den Verurteilten sind hochrangige Militärs und Zivilisten.
27.11. – Corona-Pandemie. Das zuständige Robert-Koch-Institut/RKI teilt mit, die Zahl der in Deutschland bisher nachgewiesenen Corona-Infektionen habe die Marke von einer Million überschritten. Mit zuletzt 22 806 Neuinfektionen binnen 24 Stunden sei die Zahl der bekanntgewordenen Fälle auf 1 006 394 gestiegen. Die Zahl der Toten sei um 426 auf 15 586 gestiegen.
– Naher Osten. Im Iran fällt der Kernphysiker und General der Revolutionsgarden Mohsen Fakhrisadeh, der als „Vater“ des iranischen Atomprogramms gilt, in der Nähe von Teheran einem Attentat zum Opfer. Präsident Rohani macht Israel und die USA für die Tat verantwortlich und kündigt Vergeltung an. Irans Oberster Führer Khamenei verlangt die entschlossene Bestrafung der Verantwortlichen. Das offizielle Israel äußert sich nicht. UN-Generalsekretär Guterres ruft zur Besonnenheit auf. Es müsse alles vermieden werden, was zu einer Eskalation in der Region führen könne.
28.11. – SPD. Die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wenden sich in einem Interview, das in mehreren Zeitungen gleichzeitig erscheint, gegen eine Fortsetzung der Großen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl. Esken: „Wir streben ein größeres Regierungsbündnis mit Olaf Scholz als Bundeskanzler an.“ Walter-Borjans: Wir brauchen „andere Mehrheiten“. CDU und CSU gehörten „auf die Oppositionsbank“. Zu einem möglichen Verbot der AfD erklärt Walter-Borjans, dieses „würde nur die Hülle treffen, nicht die Gedankenwelt dahinter“.
28.11. – Frankreich. In Paris und anderen Städten finden Großdemonstrationen gegen Polizeiwillkür und Rassismus statt. Unmittelbarer Anlass ist die Misshandlung eines schwarzen Musikproduzenten durch Polizeibeamte sowie das geplante neue Sicherheitsgesetz.
28.-29.11. – AfD. Die Alternative für Deutschland versammelt 600 Delegierte zu einem Parteitag in Kalkar (NRW). Nach einer Rede des Vorsitzenden Meuthen kommt es zu lautstarken Auseinandersetzungen über den Kurs der Partei.