Frank Adloff und Sighard Neckel: Wettlauf gegen die Zeit. Agenda für eine neue Regierung im Klimajahrzehnt, S. 55-62
Die kommende Bundesregierung muss nicht nur die soziale, sondern vor allem auch die ökologische Frage in Angriff nehmen, fordern die Soziologen Frank Adloff und Sighard Neckel. Statt dabei aber verschiedene soziale Milieus gegeneinander auszuspielen, muss sie Institutionen und Infrastrukturen wieder in die öffentliche Hand zurückführen. Nur so können wir gemeinsam die vor uns liegenden Herausforderungen bewältigen.
Herfried Münkler: Eine Weltordnung ohne Hüter: Afghanistan als globale Zäsur, S. 63-76
Der Rückzug der US-amerikanischen Truppen aus Afghanistan markiert nicht nur ein großes Scheitern des Westens, sondern auch eine Zäsur der politischen Weltordnung, analysiert der Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Nach der gefährlichen Überdehnung des Westens werde das internationale System fortan ohne Hüter auskommen müssen und stattdessen von mehreren Akteuren dominiert.
Michael T. Klare: China anno 2049: Klimaopfer statt Kriegsmacht, S. 77-83
Die Volksrepublik China gilt vielen als Hegemon einer künftigen Weltordnung. Eine solche Prognose blendet jedoch die globale Klimakrise und deren dramatische Folgen insbesondere für die chinesische Gesellschaft aus, so der Politikwissenschaftler Michael T. Klare. Denn in den kommenden Jahrzehnten werde Peking viel zu sehr damit beschäftigt sein, eine brennende, überflutete und aufgewühlte Klimawandelwelt zu bändigen, um einen Krieg mit den USA oder einem ihrer Verbündeten vom Zaun zu brechen.
Katja Maurer: Exempel Haiti: Das Scheitern des humanitären Interventionismus, S. 84-90
Haiti ist das erste Land Lateinamerikas, das sich von den kolonialen Zwängen befreite und Unabhängigkeit erlangte. Doch von Autonomie ist der Inselstaat derzeit weit entfernt, resümiert Katja Maurer von „medico international“. Verantwortlich dafür seien die humanitären Interventionen der vergangenen Jahrzehnte, die Haiti in einen Zustand politischer und ökonomischer Abhängigkeit führten.
Susanna Böhme-Kuby: Super Marios großer Plan oder: Wohin treibt Italien?, S. 91-97
Der Geldregen des Corona-Wiederaufbaufonds der EU soll Italien für den Klimawandel rüsten und zugleich die gravierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes lösen. Doch dieses Vorhaben kann nur im Desaster münden, befürchtet die Literaturwissenschaftlerin Susanna Böhme-Kuby. Denn Premierminister „Super Mario“ Draghi werde weiter an einer neoliberalen Agenda festhalten, statt staatliche Eingriffe und überfällige strukturelle Reformen durchzusetzen.
Thomas Gesterkamp: Männerrechte oder rechte Männer? Wie die Maskulinisten um Einfluss kämpfen, S. 98-104
Die Gleichstellung der Geschlechter hat in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. Radikale Männerrechtler verstehen diese Errungenschaften jedoch als Angriff auf ihr patriarchales Weltbild, so der Journalist Thomas Gesterkamp. In ihrem politischen Kampf bedrohen sie nicht nur zunehmend gezielt einzelne Frauen, sondern zeigen sich in ihrem Streben nach Einfluss bis ins extrem rechte Milieu anschlussfähig.
Markus Rieger-Ladich: Identitätsdebatte oder: Das Comeback des Privilegs, S. 105-112
Identitätspolitische Debatten haben dazu beigetragen, dass wir uns der eigenen Privilegien bewusst werden. Allerdings reicht es nicht aus, diese Privilegien zu moralisieren und zu skandalisieren, mahnt der Erziehungswissenschaftler Markus Rieger-Ladich. Strukturelle Diskriminierung könnten wir vielmehr nur bekämpfen, indem wir identitätspolitische Anliegen um universalistische Perspektiven ergänzen. Dies verhindere auch, dass Betroffene auf ihre Opferrolle reduziert werden.
Andreas Eckl und Matthias Häussler: Dekolonisieren heißt differenzieren. Die komplexe Vernichtungsgeschichte der OvaHerero und Nama, S. 113-120
Dass die Bundesrepublik für ihre kolonialen Verbrechen Verantwortung übernimmt, ist längst überfällig. Allerdings neigen sowohl die Forschung als auch die Medien noch immer dazu, Afrikanerinnen und Afrikanern Subjekthaftigkeit und Handlungsmächtigkeit abzusprechen, kritisieren die Genozidfroscher Andreas Eckl und Matthias Häussler. Diese eurozentristische Sichtweise mündet letztlich in Vereinfachungen, die sogar die koloniale Geschichtsschreibung unterbieten.