1.8. – Myanmar (Burma). General Min Aung Hlaing, Chef der Junta, die sich im Januar d.J. an die Macht geputscht hatte (vgl. „Blätter“, 3/2021, S. 127), übernimmt zusätzlich das Amt des Premierministers einer „Übergangsregierung“ und teilt mit, Neuwahlen sollten erst im August 2023 stattfinden. Der Ausnahmezustand werde bis dahin verlängert.
– Afghanistan. Die amerikanischen Truppen verlassen nach und nach das Land (zur Ankündigung von Präsident Biden vgl. „Blätter“, 6/2021, S. 126). Gleichzeitig rücken Kämpfer der Taliban weiter vor, nehmen am 7.8. die Stadt Kundus ein und setzen ihre seit Mai d.J. andauernde Offensive in Richtung der Hauptstadt Kabul fort, um die Zentralregierung zu stürzen. Weitere Provinzhauptstädte werden besetzt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington bekräftigt am 9.8., die USA hielten an ihren Abzugsplänen fest. Es sei künftig an der afghanischen Regierung, ihr Land gegen islamistische Aufständige zu verteidigen: „Dies ist ihr Land. Dies sind ihre Streitkräfte.“ Der Sprecher fügt hinzu: „Jetzt ist dies ihr Kampf.“ Eine Vorhut der Taliban erreicht am 15.8. Kabul. Präsident Ashraf Ghani setzt sich fluchtartig ins Ausland ab und lässt später mitteilen, er habe ein Blutvergießen verhindern wollen. Das Innenministerium teilt mit, man verhandele über eine friedliche Machtübergabe. Die Amerikaner verstärken ihre Bemühungen, eigene Landsleute und Ortskräfte aus Afghanistan auszufliegen. Nach der Einnahme des Präsidentenpalastes äußert sich ein Taliban-Sprecher im Fernsehen: „Unser Land wurde befreit. Die Mudschaheddin haben in Afghanistan gesiegt.“ Ein weiterer ranghoher Taliban erklärt gegenüber einer Nachrichtenagentur, man werde die Wiedererrichtung des Islamischen Emirats Afghanistan verkünden. Der amerikanische Präsident Biden verteidigt in einer Rede an die Nation am 16.8. den von ihm angeordneten Abzug des Militärs. Die geflohene afghanische Regierung trage die Verantwortung für die späte Evakuierung der Ausländer und ihrer afghanischen Mitarbeiter. Die Bilder aus Afghanistan seien herzzerreißend. Biden droht den Taliban für den Fall eines Angriffs auf US-Kräfte mit „einer raschen und starken“ militärischen Reaktion. „Der Flughafen ist der einzige Ort in Kabul, der noch von den Amerikanern kontrolliert wird“, schreibt am 20.8. die „Neue Zürcher Zeitung“. Tausende harren vor den Eingängen aus, um noch einen Platz in einem der Flugzeuge zu finden, um so das Land zu verlassen. Führende Funktionäre der Taliban treffen in Kabul ein, um mit Mitgliedern ihrer Miliz über die geplante Bildung einer neuen Regierung zu verhandeln. Medien verbreiten am 23.8. erste Berechnungen über Opferzahlen in den Jahren des Afghanistankrieges von Oktober 2001 bis August 2021. Die Zahl der Toten wird mit 240 000 angegeben, darunter 2445 amerikanische Soldaten und 1144 Militärs anderer Staaten. Das Weiße Haus teilt am 25.8. mit, seit dem Einmarsch der Taliban in Kabul vor zehn Tagen seien von westlichen Streitkräften insgesamt 82 300 Menschen ausgeflogen worden. In Berlin heißt es, die Bundeswehr habe in den letzten anderthalb Wochen mehr als 5300 Personen evakuiert, darunter mehr als 500 Deutsche. Bei einem Selbstmordanschlag am 26.8. am Flughafen Kabul kommen 169 Afghanen und 13 amerikanische Militärs ums Leben. Die US-Streitkräfte reagieren mit einem Drohnenangriff, der auf zwei hochrangige IS-Kämpfer zielte, aber Zivilisten traf. Die letzten US-Militärmaschinen verlassen am 30.8. den Flughafen Kabul. General McKenzie vom Pentagon in Washington verkündet: „Jeder amerikanische Soldat hat Afghanistan verlassen“ und fügt hinzu: „Wir haben es nicht geschafft, alle zu evakuieren, die wir evakuieren wollten.“ Unmittelbar nach Abzug der Amerikaner besetzen die Taliban den Flughafen. Präsident Biden begründet am 31.8. noch einmal seine Entscheidung. Unter den Umständen, die ihm von seinem Vorgänger aufgezwungen worden seien, habe er nur zwei Alternativen gehabt. Entweder den Krieg zu beenden oder ihn mit Zehntausenden von neuen Soldaten in ein drittes Jahrzehnt hinein zu verlängern.
3.8. – EU. Die Europäische Kommission beginnt mit der Auszahlung aus dem neuen Corona-Hilfsfonds. Erste Empfängerländer sind Portugal, Belgien und Luxemburg.
– Iran. Der im Juni d.J. gewählte Präsident Ebrahim Raisi wird in Teheran feierlich in sein Amt eingeführt. Er gilt als Wunschkandidat von Revolutionsführer Khamenei.
5.8. – Belarus. Präsident Lukaschenko verfügt die Schließung der Grenze zum benachbarten Litauen: „Ab heute darf niemand die Grenze von keiner Seite überqueren, weder von Süden noch von Westen.“
7.8. – Polen. Der Vorsitzende der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) Jaroslaw Kaczynski teilt in Warschau mit, die umstrittene Disziplinarkammer werde „in der jetzigen Form“ aufgelöst. Die im Rahmen einer weitreichenden Justizreform 2018 geschaffene Kammer wird von der Europäischen Union als unvereinbar mit EU-Recht bezeichnet. Diese Auffassung vertritt auch der Europäische Gerichtshof. – Am 11.8. verabschiedet der Sejm, eine der beiden Kammern der Nationalversammlung, ein neues Mediengesetz, mit dem Unternehmen von außerhalb der Europäischen Union daran gehindert werden können, in Polen Radio- und Fernsehsender zu betreiben. Direkt betroffen ist die US-Firma Discovery mit ihrem Fernsehkanal TVN. Aus Protest gegen das Gesetz verlässt einer der Koalitionspartner die Regierung, die damit ihre Mehrheit verliert.
9.8. – Klimawandel. Anlässlich eines neuen Sachstandsberichts des Weltklimarates richtet UN-Generalsekretär Guterres einen dramatischen Appell an die Politik: „Die Alarmglocken sind ohrenbetäubend, und die Beweise sind unwiderlegbar.“ Die Treibhausgase bringen Milliarden Menschen in Gefahr. „Der Bericht muss die Totenglocke für Kohle und andere fossile Brennstoffe sein.“ An dem Bericht, dem weitere Teile folgen werden, haben mehr als 230 Fachleute aus 66 Ländern mitgewirkt. – Am 14.8. stellt die US-Klimabehörde fest, nach ihren Berechnungen sei der Monat Juli 2021 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. – Am 20.8. heißt es in einem Bericht des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), eine Milliarde Kinder seien „durch die Klimakrise extrem stark gefährdet“.
10.8. – Wiederaufbaufonds. Zur Beseitigung der schweren Schäden durch die Flutkatastrophe („Eine Katastrophe von nationalem Ausmaß“) einigen sich Bund und Länder auf einen Fonds mit einem Volumen von 30 Mrd. Euro. Die notwendigen Baumaßnahmen (28 Mrd. Euro) werden je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert, die Sanierung von beschädigten Bahnanlagen und bundeseigenen Straßen (zwei Mrd. Euro) trägt der Bund allein.
12.8. – Armenien/Aserbaidschan. Der armenische Regierungschef Paschinjan erklärt sich bereit zu neuen Friedensgesprächen, um den Dauerkonflikt mit Aserbaidschan beizulegen. Die Gespräche sollten unter dem Dach der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stattfinden. Die beiden Nachbarstaaten hatten im Herbst 2020 einen Krieg um die Konfliktregion Nagorny Karabach geführt, mehr als 6500 Menschen kamen ums Leben.
15.8. – China. Die „Civil Human Rights Front“ (CHRF), Hongkongs größte pro-demokratische Bürgerorganisation, die viele der Anti-Regierungsproteste organisiert hatte, löst sich auf. Nach der Inhaftierung ihres Vorsitzenden Figo Chan sei niemand mehr bereit, die Führung zu übernehmen. Man habe „keine andere Wahl, als sich aufzulösen“.
16.8. – Bundesregierung. Nach der unerwartet schnellen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bemüht sich die Regierung, deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte deutscher Organisationen aus dem Land herauszubringen. Bundesaußenminister Maas erklärt, Deutschland, die Geheimdienste und die internationale Staatengemeinschaft hätten die Lage falsch eingeschätzt, es gebiete die Ehrlichkeit, dies einzugestehen. – Am 25.8. äußert sich Bundeskanzlerin Merkel im Plenum des Bundestages ausführlich zu den letzten Entwicklungen in Afghanistan, diese seien furchtbar und bitter. Für viele Menschen seien sie „eine einzige Tragödie“, ganz besonders für diejenigen, die sich für eine freie Gesellschaft, für Demokratie und Bildung eingesetzt haben und die nun um ihre Sicherheit fürchten müssen. Angesichts der sich rasant verschlechternden Sicherheitslage habe man die deutsche Botschaft in Kabul gemeinsam mit anderen evakuiert und die Bundeswehr beauftragt, eine Luftbrücke einzurichten, um deutsche Staatsbürger, afghanische Ortskräfte und besonders gefährdete Afghanen auszufliegen. Dies sei die größte Evakuierungsoperation in der Geschichte der Bundeswehr. Mit dem Abzug der Verbündeten könne Afghanistan wieder ein Hort internationaler Terrorgefahr werden. Vor dieser Gefahr dürfe man die Augen nicht verschließen. – Am 29.8. beginnt Maas eine Reise in die fünf Nachbarländer Afghanistans, besucht zunächst die Türkei, anschließend Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Katar. Der Außenminister wirbt um die Zustimmung dieser Länder, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen.
17.8. – Nato. Generalsekretär Stoltenberg zieht im Hauptquartier in Brüssel eine Bilanz des Militäreinsatzes in Afghanistan. Man sei sich bewusst gewesen, dass es nach dem Truppenabzug das Risiko eines Taliban-Sieges gebe, doch habe niemand vorhersagen können, dass die Regierung in Kabul derart schnell zusammenbrechen würde. Warum die afghanischen Streitkräfte, die man über so viele Jahre ausgebildet, ausgerüstet und unterstützt habe, nicht in der Lage gewesen seien, den Taliban stärker Widerstand zu leisten, sei für ihn die entscheidende Frage. Man habe nie die Absicht gehabt, für immer zu bleiben, der Plan sei allein gewesen, „einen afghanischen Staat aufzubauen und eine Armee, die Verantwortung für Afghanistan übernimmt“.
18.8. – Russland/BRD. Vor einem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Moskau wirft das russische Außenministerium dem Westen vor, den „Hype“ um den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny zu missbrauchen, „mit dem Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten unseres Landes einzumischen“, dies umfasse auch die „Beeinflussung des Wahlkampfs“. Das Treffen Merkels mit Präsident Putin findet am 20.8. im Kreml statt. Zu den Gesprächsthemen gehören vor allem die Lage in Afghanistan sowie die Meinungsverschiedenheiten mit der Ukraine um die Pipeline Nordstream 2.
22.8. – Ukraine. Präsident Selenskyj und Bundeskanzlerin Merkel treffen sich in Kiew zu einem Meinungsaustausch. Dabei geht es auch um den Wunsch der Ukraine nach Lieferung moderner Waffen. Selenskyj übt erneut Kritik an der fast fertiggestellten Erdgaspipeline Nordstream 2: „Für uns ist es eine geopolitische Waffe des Kremls.“ Bundeskanzlerin Merkel plädiert für eine neue Konferenz „im Normandie-Format“ der Regierungschefs Deutschlands, der Ukraine, Russlands und Frankreichs, um Sicherheitsprobleme der Region zu erörtern. – Am 23.8. konstituiert sich in Kiew eine „Krim-Plattform“ als neues internationales Gesprächsformat, an dem mehr als 40 Länder beteiligt sind. Fast acht Jahre nach der russischen Annexion der Halbinsel fordert Selenskyj eine „De-Okkupation“ der Krim.
25.8. – Bundestag. Mit großer Mehrheit billigen die Abgeordneten den Einsatz der Bundeswehr bei der Evakuierungsaktion aus Afghanistan, die damit nachträglich ein parlamentarisches Mandat erhält. Die Entscheidung fällt mit 539 gegen neun Stimmen bei 90 Enthaltungen. Die Enthaltungen kommen vor allem aus der Links-Fraktion.
– China/Russland. Die Präsidenten Xi Jinping und Putin vereinbaren in einem Telefongespräch, ihre Zusammenarbeit auszubauen. Die Streitparteien in Afghanistan sollen ermutigt werden, eine gemäßigte Innen- und Außenpolitik zu verfolgen und sich von allen terroristischen Gruppen zu distanzieren. Es gelte zu verhindern, dass sich die Instabilität in Afghanistan auf angrenzende Staaten ausbreite.
28.8. – Frankreich/Irak. Auf einer Pressekonferenz erklärt Präsident Macron: „Unabhängig von den Entscheidungen der Amerikaner halten wir an unserer Präsenz zur Bekämpfung des Terrorismus im Irak so lange fest, wie es der Irak verlangt.“ In Bagdad beginnt eine Konferenz für Zusammenarbeit und Partnerschaft, zu der Außenminister aus der Region geladen sind.
29.8. – UNO. In einem Interview mit der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ erläutert Präsident Macron eine französisch-britische Initiative zur Errichtung einer Sicherheitszone in Kabul, um eine Fortsetzung humanitärer Operationen zu ermöglichen. Der Vorschlag findet jedoch im Sicherheitsrat keine Mehrheit. Der Rat verabschiedet am 30.8. bei Stimmenthaltung Chinas und Russlands eine Resolution, die die „rasche und sichere Wiedereröffnung des Flughafens Kabuls“ und einen ungehinderten Zugang fordert.
30.8. – Naher Osten. Der israelische Verteidigungsminister Gantz stattet Palästinenserpräsident Abbas in Ramallah einen überraschenden Besuch ab. Thema der Gespräche sind Sicherheitsfragen. Die israelische Regierung weist gleichzeitig alle Spekulationen um eine Zwei-Staaten-Lösung zurück: „Es gibt keinen diplomatischen Prozess mit den Palästinensern, noch wird es einen geben.“