1.5. – Krieg in der Ukraine. Nach langen Verhandlungen beginnt die Evakuierung aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal nahe der seit Wochen umkämpften südukrainischen Stadt Mariupol am Schwarzen Meer (vgl. „Blätter“, 6/2022, S. 125 f.). An der Aktion sind auch die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz beteiligt. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi sichert dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einer Begegnung in Kiew Hilfen aus den USA zu. Nach nächtlichen Bombardierungen beginnen russische Truppen am 3.5. einen Angriff auf Azovstal. Der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) besucht die Region um Kiew und trifft Selenskyj. Bei einer Pressekonferenz spricht er sich für einen schnellen Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen für die Ukraine aus. – Am 4.5. intensivieren die russischen Streitkräfte die Luftangriffe in der Westukraine und greifen gezielt Kraftwerke und Bahnlinien an. Bei einem Besuch in der Slowakei kündigt Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht die Lieferung von sieben Panzerhaubitzen an die Ukraine und den Ausbildungsstart ukrainischer Truppen in Deutschland an. – Am 6.5. fordert Amnesty International, Russland wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine vor Gericht zu bringen, die ukrainische Regierung spricht von einem Sondertribunal. – Am 8.5. gedenkt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gemeinsam mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Ruslan Stefanchuk in Kiew der Toten des Zweiten Weltkriegs. Sie spricht sich für eine deutsche Unterstützung des ukrainischen EU-Beitritts aus. In Berlin und Moskau wird an die Kapitulation des Deutschen Reiches vor 77 Jahren im Mai 1945 erinnert. Scholz spricht am 8.5. im Fernsehen von der historischen Verantwortung Deutschlands und formuliert vier Grundsätze deutscher Politik, u.a.: „Wir werden keine Entscheidung treffen, die die Nato Kriegspartei werden lässt. Dabei bleibt es.“ Auf der traditionellen großen Militärparade zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland am 9.5. rechtfertigt Präsident Putin das russische Vorgehen in der Ukraine. Das westliche Militärbündnis habe über die Jahre eine „absolut nicht hinnehmbare Bedrohung“ geschaffen, gegen die sich Russland nun präventiv wehre. Der Präsident appelliert an die russischen Soldaten: „Heute wie damals kämpft Ihr für die Sicherheit des Mutterlandes.“ Bei einem Staatsbesuch in Berlin setzt sich der französische Präsident Macron für einen Waffenstillstand in der Ukraine ein, um Verhandlungen möglich zu machen. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace weist die Anschuldigungen Putins als Märchen zurück und erklärt, es habe keine Aggression der Nato gegeben. Präsident Selenskyj äußert sich in einer Fernsehansprache zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Er erklärt, man werde die Instrumentalisierung dieses Sieges nicht zulassen und Russland nicht gestatten, das Gedenken für eigene Zwecke zu vereinnahmen. – Am 10.5. besucht Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als erstes deutsches Regierungsmitglied seit dem russischen Angriff die Ukraine und trifft sich mit Außenminister Dmytro Kuleba sowie Präsident Selenskyj. In Butscha fordert sie eine Aufklärung der Kriegsverbrechen russischer Truppen. Die deutsche Botschaft in Kiew wird wiedereröffnet. Der Kampf um das Azov-Stahlwerk hält an. – Am 13.5. telefoniert Bundeskanzler Scholz mit Präsident Putin. Scholz setzt sich für einen Waffenstillstand ein und weist Putin auf Russlands Verantwortung für die globale Lebensmittelsicherheit hin. – Am 19.5. beantragt Präsident Selenskyj die Verlängerung des Kriegsrechts um 90 Tage. Der US-Senat verabschiedet mehrere Gesetze, der Ukraine werden Kriegshilfen in Höhe von 40 Mrd. US-Dollar zugesagt. – Am 21.5. besetzen russische Truppen Azovstal, nachdem sich die verbliebenen ukrainischen Kämpfer ergeben hatten. Russland spricht von einem Sieg. US-Präsident Biden unterzeichnet das Gesetz über die umfangreichen Kriegshilfen für die Ukraine. – Am 22.5. verlängert die Ukraine das Kriegsrecht und die Generalmobilmachung um 90 Tage. Der polnische Präsident Duda erklärt in einer Rede im ukrainischen Parlament, er wolle alles in seiner Macht Stehende tun, um der Ukraine einen Beitritt zur EU zu ermöglichen. Duda fordert zugleich Russland auf, das Staatsgebiet der Ukraine zu verlassen. – Am 23.5. wird in Kiew ein wegen Kriegsverbrechen in Butscha angeklagter russischer Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt. Es handelt sich um den ersten vor Gericht verhandelten Fall von Kriegsverbrechen in der Ukraine. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, der Soldat habe auf Befehl gehandelt. Ein hochrangiger russischer Diplomat beim Büro der Vereinten Nationen in Genf quittiert seinen Dienst und bezeichnet den russischen Angriffskrieg als Verbrechen am ukrainischen und russischen Volk, für das er keine Verantwortung tragen wolle. – Am 25.5. werden im Osten der Ukraine verstärkte Kämpfe gemeldet, an denen auch prorussische Separatisten beteiligt sind. Besonders Sjewjerodonezk, die Verwaltungszentrale der Region Luhansk, ist stark umkämpft. Auch in Kramatorsk und Lisichansk werden Wohngebäude und humanitäre Einrichtungen getroffen. – Am 26.5. räumt Präsident Selenskyj ein, die russische Armee sei in der Ostukraine deutlich überlegen. – Am 28.5. warnt Präsident Putin in einem längeren Telefongespräch mit Bundeskanzler Scholz und Präsident Macron den Westen vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. Scholz und Macron drängen auf einen Waffenstillstand. In Sjewjerodonezk rücken am 30.5. die russischen Truppen weiter vor. – Am 31.5. unterbreitet die ukrainische Generalstaatsanwältin Irena Wenediktowa in Den Haag die Zwischenergebnisse einer Ermittlungsgruppe zu Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. Der amerikanische Präsident Biden sichert der Ukraine weitere Militärhilfen zu und beschränkt sich dabei auf defensive Waffensysteme, die keinen Angriff auf russisches Staatsgebiet ermöglichen sollen. Zudem spricht er sich gegen eine „Regime Change“-Politik des Westens aus und warnt Russland vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine.
2.5. – USA. Das US-Magazin „Politico“ veröffentlicht den Entwurf einer Entscheidung des Obersten Gerichts (Supreme Court), die es den Bundesstaaten künftig ermöglichen soll, das im Jahr 1973 gefällte „Roe vs. Wade“-Urteil außer Kraft zu setzen und eigene Gesetze zu erlassen, die Schwangerschaftsabbrüche verbieten. – Am 24.5. erschießt ein 18jähriger bei einem Amoklauf an einer Grundschule in Uvalde (Texas) 19 Schulkinder und zwei Lehrerinnen. 15 weitere Kinder und ein Polizist werden verletzt. Der Täter wird von der Polizei getötet. US-Präsident Joe Biden plädiert umgehend für schärfere Waffengesetze.
6.5. – Sri Lanka. Ein landesweiter Streik legt große Teile der Infrastruktur lahm. Mit dem Streik verbinden sich Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung aufgrund der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise. Es kommt zu schweren Ausschreitungen mit Todesfällen. Mahinda Rajapaksa tritt am 9.5. als Premierminister zurück. Sein Bruder Gotabaya Rajapaksa bleibt als Präsident im Amt.
7.5. – Nordirland. Die irisch-republikanische Partei Sinn Fein gewinnt zum ersten Mal die Parlamentswahlen. Die einst als politischer Arm der Irisch-republikanischen Armee (IRA) geltende Partei kann 27 der 90 Parlamentssitze auf sich vereinen. Die Partei setzt sich für ein Referendum zur Wiedervereinigung der beiden irischen Landesteile ein.
8.5. – Schleswig-Holstein. Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein geht die CDU mit Ministerpräsident Daniel Günter als klarer Gewinner hervor. Die CDU kommt auf 43,4 Prozent der Stimmen, die Grünen sind zweitstärkste Kraft mit 18,3 Prozent, die SPD verliert und erreicht 16 Prozent. Die AfD scheidet mit 4,4 Prozent aus dem Kieler Landtag aus. Die Wahlbeteiligung liegt bei 60,3 Prozent. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen auf die im Landtag vertretenen Parteien (Angaben in Prozent): CDU 43,4 (2017: 32,0), SPD 16 (27,3), Bündnis 90/Die Grünen 18,3 (12,9), FDP 6,4 (11,5), SSW 5,7 (3,3). Zusammensetzung des neuen Landtages (69 Abgeordnete): CDU 34 (2017: 25), SPD 12 (21), Bündnis 90/Die Grünen 14 (10), FDP 5 (9), SSW 4 (3).
9.5. – DGB. Die Delegierten des 22. Ordentlichen Bundeskongresses des Deutschen Gewerkschaftsbundes wählen in Berlin die SPD-Bundesabgeordnete Yasmin Fahimi mit 93,2 Prozent der abgegebenen Stimmen zur neuen Vorsitzenden. Fahimi folgt auf Reiner Hoffmann und ist die erste Frau an der Spitze des DGB. Fahimi kündigt an, sie werde ihr Bundestagsmandat niederlegen.
– Philippinen. Die Präsidentschaftswahlen werden von dem Angriff auf ein Wahllokal überschattet, drei Menschen sterben. Der Sohn des einstigen Diktators Ferdinand Marcos, Ferdinand „Bongbon“ Marcos jr., gewinnt die Abstimmung. Damit kehrt die Familie Marcos 36 Jahre nach der Vertreibung aus dem Malacañang-Palast nach Manila zurück.
11.5. – Westjordanland. Die Journalistin Schirin Abu Akleh, die für den arabischen Sender „Al Dschasira“ arbeitet, wird während einer israelischen Anti-Terror-Operation in der Stadt Dschenin erschossen. Die Journalistin trug eine Weste mit der Aufschrift „Presse“. Wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat – die israelische Armee oder die palästinensische Seite – bleibt unklar.
12.5. – UNO. Der Menschenrechtsrat fordert die Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Bis auf China und Eritrea stimmen alle Mitgliedstaaten dafür. – Am 23.5. verzeichnet die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR erstmals über 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Krieg in der Ukraine habe 14 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht.
14.5. – Indien. Die Regierung verbietet mit sofortiger Wirkung die Ausfuhr von Weizen. Der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt erfüllt zwar weiter bestehende Lieferverträge, genehmigt jedoch keine neuen Exporte, die den Ausfall der ukrainischen Lieferungen kompensieren könnten.
15.5. – Nordrhein-Westfalen. Aus der Landtagswahl geht Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gestärkt hervor. Während SPD, FDP, AfD und Die Linke deutlich verlieren, können die Grünen ihr Ergebnis stark ausbauen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfallen auf die sechs im Landtag vertretenen Parteien (Angaben in Prozent): CDU 35,7 (2017: 32,9), SPD 26,7 (31,3), AfD 5,4 (7,3), Bündnis 90/Die Grünen 18,2 (6,4), FDP 5,9 (12,6), Linke 2,1 (4,9). Zusammensetzung des neuen Landtages (199 Abgeordnete): CDU 76 (72), SPD 56 (69), Bündnis 90/Die Grünen 39 (14), FDP 12 (28), AfD 12 (13). Die Wahlbeteiligung erreicht mit 55,5 Prozent einen historischen Tiefstand.
16.5. – Frankreich. Nach 30 Jahren gibt es in Frankreich wieder eine Premierministerin. Präsident Emmanuel Macron ernennt die ehemalige Arbeitsministerin, Elisabeth Borne, zur Regierungschefin. Sie folgt auf den zurückgetretenen Premierminister Jean Castex.
18.5. – Nato. Finnland und Schweden reichen offiziell ihre Beitrittsanträge bei der Nato ein und geben damit ihre bisherige Bündnisfreiheit auf. Nato-Generalsekretär Stoltenberg: „Dies ist ein guter Tag in einer kritischen Phase für die Sicherheit von uns allen.“ Finnlands Präsident Niinistö hatte am 14.5. mit Russlands Präsident Putin telefoniert und die Aufgabe der Bündnisfreiheit und den Nato-Beitritt mit dem Ukraine-Krieg begründet. Putin bezeichnete die finnische Entscheidung als Fehler. Von Russland gehe keime Bedrohung für das Nachbarland aus. Die Türkei kündigt an, vorerst den Beitrittsprozess zu blockieren. Präsident Erdog˘an wirft den Nordländern vor, sie unterstützten terroristische Vereinigungen wie die PKK.
20.5. – Bundestag. Der Bundestag verlängert den Einsatz deutscher Soldaten im westafrikanischen Mali und Niger für ein weiteres Jahr. Die Teilnahme am UN-Stabilisierungseinsatz MINUSMA in Mali wird von 1100 auf 1400 Soldaten erhöht. Die Beteiligung am Europäischen Ausbildungseinsatz EUTM soll auf Niger konzentriert werden.
21.5. – Australien. Bei der Parlamentswahl in Australien gewinnt die Labor-Partei um Spitzenkandidat Anthony Albanese die Mehrheit der Sitze. Der bisherige Premier Scott Morrison scheidet aus dem Amt aus. Albanese kündigt an, er werde sich für eine ambitionierte Klimapolitik einsetzen.
24.5. – Russland. Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny scheitert mit der Berufung gegen seine neunjährige Haftstrafe. Nawalny wird in eine neue Strafkolonie mit deutlich härteren Bedingungen verlegt.
26.5. – Irak. Das Parlament stimmt dafür, künftig jeden Kontakt zu Israel unter drakonische Strafe zu stellen. Schon der Chat mit israelischen Bekannten kann mit lebenslanger Haft oder sogar der Todesstrafe geahndet werden.
– Polen. Das polnische Parlament (Sejm) stimmt für die Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter. Die Kammer soll durch ein neues Gremium ersetzt werden. Die EU-Kommission hatte die Auflösung der Kammer zur Bedingung für die Auszahlung von Corona-Hilfsgeldern in Höhe von rund 35 Mrd. Euro gemacht.