1.9. – Krieg in der Ukraine. Nach ersten Untersuchungen des Atomkraftwerks Saporischschja durch ein Inspektorenteam der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) (vgl. „Blätter“, 10/2022, S. 125) zeigt sich IAEO-Chef Rafael Grossi über den fortdauernden Beschuss und den Zustand des Kraftwerks besorgt. Entgegen der Ankündigung bleiben die Gaslieferungen über Nordstream 1 aus. – Am 7.9. bestätigt die Ukraine, für Explosionen auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim verantwortlich zu sein. Einen Monat zuvor waren bei dem Raketenangriff mehrere russische Kampfflugzeuge zerstört worden (vgl. „Blätter“, 10/2022, S. 125). – Am 8.9. bestätigt der ukrainische Präsident Selenskyj große Geländegewinne in der Region Charkiw im Osten des Landes. Russische Truppen ziehen sich zurück, die ukrainische Armee kann die Städte Balaklija und Kupjansk befreien. – Am 13.9. kritisieren kommunale Abgeordnete aus St. Petersburg Präsident Putin öffentlich und kündigen einen Antrag auf Amtsenthebung in der Staatsduma an: „Unserer Meinung nach zeigen sich seit dem Beginn der Sonderoperation auf dem Gebiet der Ukraine in den Handlungen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, Anzeichen einer Straftat, die im Artikel 93 der Verfassung der Russischen Föderation beschrieben wird: Hochverrat.“ – Am 19.9. kündigen Anführer der Separatistengebiete Donezk und Luhansk ein Referendum über den Beitritt zu Russland an. Präsident Selenskyj kündigt weitere Kriegsoffensiven an und lehnt Verhandlungen mit Russland ab. – Am 20.9. droht die Europäische Union weitere Sanktionen gegenüber Russland an, sollten in vier Separatistengebieten Referenden über einen „Beitritt“ zur Russischen Föderation abgehalten werden. – Am 21.9. verfügt Putin die Teilmobilmachung von 300 000 Reservisten. In mehreren russischen Städten kommt es zu verbotenen Demonstrationen, mehr als tausend Demonstranten werden festgenommen. – Am 22.9. kehren Kriegsgefangene aus Russland und der Ukraine im Zuge eines gegenseitigen Austausches in ihre Länder zurück. 215 Ukrainer und nichtukrainische Personen werden von Russland freigelassen, Kiew entlässt 55 russische Soldaten. – Am 23.9. beginnen in den Regionen Luhansk, Saporischschja, Donezk und Cherson Referenden über die Zugehörigkeit zu Russland. Moskau kündigt eine rasche Annexion nach der Abstimmung an, ukrainische Angriffe auf diese Gebiete würden danach als Angriffe auf die russische Föderation gewertet. – Am 24.9. bestätigen russische Behörden erstmals Ausreisebewegungen aus Russland, vor allem in die Nachbarländer Georgien, Kasachstan und die Mongolei. – Am 25.9. teilt Präsident Selenskyj mit, US-amerikanische Flugabwehrsysteme erhalten zu haben. Ukrainische Behörden melden erneuten Beschuss mit im Iran hergestellten Drohnen. Die diplomatischen Beziehungen zum Iran werden eingeschränkt. – Am 26.9. kündigt Großbritannien neue Sanktionen gegenüber Russland an. Nach Beendigung der Referenden in den russisch besetzten Gebieten in der Ostukraine heißt es am 27.9. in Moskau, bis zu 99,9 Prozent hätten zugestimmt. Ebenfalls am 27.9. werden drei Gaslecks an den Pipelines Nord Stream-1 und der nicht in Betrieb genommenen, aber bereits mit Gas befüllten Nord Stream-2 in der Ostsee entdeckt. Es wird gezielte Sabotage vermutet. Dänemark und Schweden kündigen Untersuchungen an. – Am 28.9. beantragen die Regionen Luhansk und Cherson die Annexion an Russland. Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert im UN-Sicherheitsrat für den Fall der Annexion ein hartes Vorgehen gegen Russland. – Am 29.9. meldet Schweden ein weiteres Gasleck. Der Kreml weist Vorwürfe zurück, es handle sich um einen russischen Sabotageakt. An den Grenzen zu Georgien und Kasachstan werden wehrpflichtige Russen an der Ausreise gehindert. Finnland schließt nach den baltischen Staaten und Polen seine Grenze für russische Touristen. – Am 30.9. kündigt Putin in einer Rede die sofortige Annexion der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson an. Er erklärt seine Bereitschaft zu Verhandlungen und fordert die Ukraine auf, die Kämpfe einzustellen.
– Polen. Am 83. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen stellt der Chef der Regierungspartei PiS, Stanislaw Kaczynski ein Gutachten vor. Darin werden die Kosten des deutschen Überfalls und der nachfolgenden Besetzung des Landes im Zweiten Weltkrieg auf 1,3 Billionen Euro beziffert. Kaczynski: „Wir haben nicht nur das Gutachten erstellt, sondern wir haben auch über weitere Schritte entschieden.“
3.9. – Tschechien. Wegen hoher Energiepreise demonstrieren laut Polizeiangaben rund 70 000 Menschen auf dem Wenzelsplatz in Prag gegen die Regierung und fordern deren Rücktritt und ein Ende der Sanktionen gegen Russland.
4.9. – BRD/Israel. Bundespräsident Steinmeier empfängt in Berlin den israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog zu einem dreitägigen Besuch der Bundesrepublik. Beide Präsidenten nehmen am 5.9. an der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats (5.9.1972) teil. Erst am Vortag hatte es eine Einigung über eine Entschädigung der Hinterbliebenen der getöteten Sportler von 1972 gegeben. Die Familien hatten ihre Teilnahme an der Gedenkfeier davon abhängig gemacht.
– Bundesregierung. Die Ampel-Regierung einigt sich auf ein drittes Entlastungspaket für Bürger und Unternehmen in Höhe von 65 Mrd. Euro. „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen sollen abgeschöpft werden. Eine Neuverschuldung solle es nicht geben. – Am 18.9 beraten Bund und Länder über eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets für den ÖPNV. – Am 21.9. wird beschlossen, den Gasimporteur Uniper zu verstaatlichen. Der Bundestag beschließt am 29.9. weitere Entlastungen. Hohe Gaspreise sollen durch eine Gaspreisbremse gedeckelt werden, die umstrittene Gasumlage wird nicht eingeführt.
– Chile. Der Entwurf einer neuen Verfassung für das Land wird in einem Referendum mit 69,9 gegen 38,1 Prozent überraschend deutlich abgelehnt. Der von einem Verfassungskonvent erarbeitete Entwurf sollte u.a. den Umweltschutz, den Sozialstaat, die Frauenrechte und die Rechte der indigenen Bevölkerung stärken. Die geltende Verfassung ist ein Erbe der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet.
5.9.– Europäische Zentralbank. Mit der höchsten Zinssteigerung seit Einführung des Euro 2002 erhöht die Europäische Zentralbank den Leitzins von 0,75 auf 1,25 Prozent. Sie reagiert damit auf die derzeitige Rekordinflation.
6.9. – Großbritannien. Königin Elisabeth II. entlässt Premierminister Boris Johnson und ernennt die bisherige Außenministerin Liz Truss als Nachfolgerin. Liz Truss hatte sich in einer internen Abstimmung der Tories gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak durchgesetzt. – Am 8.9. stirbt Königin Elizabeth II. im Alter von 96 Jahren und wird mit einem großen Staatsbegräbnis mit Teilnehmern aus der ganzen Welt auf Schloss Windsor beigesetzt. Thronfolger Prinz Charles wird am 10.9. offiziell als König Charles III. ernannt. – Am 29.9. fällt das britische Pfund auf ein neues Rekordtief von 1,0350 Dollar. Die Regierung hatte zuvor starke Steuersenkungen und Mehrausgaben angekündigt.
9.9. – CDU. Die Christdemokraten beschließen auf ihrem Bundesparteitag in Hannover nach mehrjähriger kontroverser Debatte eine Frauenquote bei der Vergabe von Parteiämtern in Höhe von 33,3 Prozent. Die Regelung soll vorerst bis zum Jahr 2029 gelten.
– Klimawandel. Nach seinem Besuch der Katastrophengebiete in Pakistan ruft UN-Generalsekretär Guterres zum Kampf gegen den Klimawandel auf und bittet um Hilfe für das Land. Seit Mitte Juni leidet Pakistan nach ungewöhnlich starken Monsun-Regen unter schweren Überschwemmungen, die ein Drittel des Landes unter Wasser gesetzt haben. Über 1000 Menschen sind gestorben, Millionen sind obdachlos. Deutschland kündigt am 26.9. weitere humanitäre Hilfe an. – Am 13.9. fordert Fridays for Future ein Sondervermögen von 100 Mrd. Euro für den Klimaschutz. Die Klimabewegung appelliert an die Bundesregierung, Subventionen für die fossile Industrie zu streichen und erneuerbare Energien zu fördern. Übergewinnsteuern und eine Lockerung der Schuldenbremse könnten die dringend benötigten Investitionen finanzieren.
11.9. – Schweden. Bei der Parlamentswahl werden die Sozialdemokraten vor den rechtspopulistischen Schwedendemokraten zwar knapp stärkste Kraft, aber das konservativ-rechte Lager aus Moderaten, Christdemokraten und Liberalen erreicht zusammen mit den Schwedendemokraten eine knappe parlamentarische Mehrheit. Anders als in den Vorjahren schließen die Konservativen eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten nicht mehr aus. Die bisherige sozialdemokratische Regierungschefin Magdalena Andersson kündigt am 14.9. ihren Rücktritt an.
13.9. – Armenien/Aserbaidschan. Die Kämpfe in dem Krisengebiet flammen wieder auf. Der Konflikt um Grenzverlauf und Territorien, insbesondere um die Region Bergkarabach, schwelt seit Jahrzehnten. Auf armenischer Seite gibt es mehr als 100 Tote. – Am 15.9. verkünden beide Länder eine vorläufige Waffenruhe.
14.9. – EU. Kommissionschefin von der Leyen kündigt an, sich für die Abschöpfung von Übergewinnen der Energiekonzerne einzusetzen, um die von den Preissteigerungen betroffene Bevölkerung zu entlasten.
– China/Russland. Die Präsidenten Xi Jinping und Putin treffen sich im usbekischen Samarkand am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Putin dankt für die chinesische Unterstützung, Xi will die Zusammenarbeit mit Russland intensivieren.
16.9. – Tadschikistan/Kirgistan. Im Grenzgebiet zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken kommt es zu schweren Kämpfen. Auf beiden Seiten gibt es Tote und Verletzte.
18.9. – Iran. Der Tod der von der Sittenpolizei verhafteten Iranerin Mahsa Amini in Polizeigewahrsam löst einen Sturm der Entrüstung gegen die iranische Führung aus. Das Regime reagiert mit der Abschaltung von mobilem Internet und Social-Media-Diensten und geht mit massiver Gewalt gegen die anhaltenden Proteste vor. Das Auswärtige Amt in Berlin bestellt den iranischen Botschafter ein. Anlass ist die Absicht des Iran, Sondergerichte gegen festgenommene Demonstranten einzurichten. Außenministerin Baerbockkündigt am 29.9. im Bundestag an, sich für EU-Sanktionen gegen das iranische Regime einzusetzen. Es ist von bis zu 70 Toten und über 1000 Verhaftungen die Rede. Die Proteste gehen unvermindert weiter.
20.9. – UNO. Staats- und Regierungschefs, Außenminister und hochrangige Diplomaten aus den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen treffen sich in New York zur alljährlichen Generalversammlung und beraten über den Ukrainekrieg, weltweite Nahrungsmittelkrisen und die Inflation. Generalsekretär Guterres warnt in seiner Eröffnungsrede vor wachsenden Herausforderungen. Als einer der Redner verteidigt der russische Außenminister Lawrow am 22.9. die Invasion und wirft der Ukraine Kriegsverbrechen vor. Per Video-Botschaft fordert der ukrainische Präsident Selenskyj die Einsetzung eines Sondertribunals zur Verfolgung der von der russischen Armee verübten Gräueltaten in der Ukraine. – Am 30.9. scheitert im Sicherheitsrat die Verurteilung der russischen Annexion der vier ukrainischen Regionen am Veto Russlands. China enthält sich der Stimme.
– EuGH. Nach Feststellung des Europäischen Gerichtshofs verstößt das deutsche Gesetz der Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht. Kommunikationsdaten von Bürgern dürfen nicht anlasslos gespeichert werden, Ausnahmen gelten etwa bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität.
21.9. – USA. Die New Yorker Staatsanwaltschaft klagt den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, sowie dessen Unternehmen und seine Kinder an. Generalstaatsanwältin Letitia James liegen Fälle von hohem Finanzbetrug vor.
24.9. – Golfregion. Bundeskanzler Scholz tritt eine Reise in die Golfstaaten an. Mit Saudi-Arabien wird eine enge Energiepartnerschaft und die Förderung von Wasserstoff geplant. In den Vereinigten Emiraten schließt Scholz einen Vertrag über den Import von LNG-Flüssiggas ab. Mit Katar kommt eine Einigung nicht zustande.
25.9. – Italien. Bei den Parlamentswahlen gewinnt das rechte Bündnis um die Fratelli d‘Italia mit ihrer Vorsitzenden Giorgia Meloni deutlich mit 43 Prozent der Stimmen und erhebt den Anspruch auf die Regierungsführung. Das liberale Bündnis um die Demokratische Partei erreicht nur 26 Prozent, die Fünf-Sterne-Bewegung erhält 16 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei 63,8 Prozent.
27.9. – Griechenland/Türkei. Der anhaltende Konflikt beider Länder um den Status der griechischen Inseln in der Ägäis flammt erneut auf. Türkische Medien berichten von 40 griechischen Panzern auf den Inseln Samos und Lesbos. Griechische Behörden werfen der Türkei vor, griechisches Staatsgebiet mit Drohnen und Kampfbombern zu überfliegen.