Ausgabe Dezember 2024

Kurzgefasst

Andreas Reckwitz: Die reparierte Moderne. Wie die Verlusterfahrung das Fortschrittsparadigma überwindet, S. 45-56

Tatsächliche und empfundene Verluste sind der politische Treibstoff des Populismus. Der Soziologe Andreas Reckwitz analysiert das Verhältnis von Fortschrittserzählung und Verlusterfahrung und plädiert für eine Gesellschaft, die ohne den geschichtsphilosophischen Glauben an automatischen Fortschritt auskommt.

Michael Tomasky: It’s the media, stupid! Wie rechte Medien Trump zum Sieg verhalfen, S. 57-61

Nach Donald Trumps überraschend deutlichem Sieg werden viele mögliche Gründe für diesen diskutiert. Der wichtigste aber bleibe unterbelichtet, so der Journalist Michael Tomasky: die rechten Medien. Fox News, X, reaktionäre Podcaster und christliche Radiostationen prägen in weiten Teilen der USA die öffentliche Meinung – und haben Trump erst groß werden lassen.

Wolfgang Zellner: Europa und der Trump-Schock, S. 63-70

Setzt Donald Trump die von ihm angekündigte Außenpolitik um, wird dies weitreichende globale Folgen haben, gerade auch für Europa. Der Friedensforscher Wolfgang Zellner fordert daher eine Selbstbehauptung der EU: wirtschaftlich sowie außen- und verteidigungspolitisch.

Anne Applebaum: »Lassen Sie nicht zu, dass Skepsis zu Nihilismus wird«. Der Krieg in der Ukraine und Deutschlands historische Verantwortung, S. 71-78

Im dritten Jahr des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine werden auch hierzulande Stimmen lauter, die ein Ende der westlichen Militärhilfe fordern. Damit aber, so die Historikerin Anne Applebaum, nähmen wir nicht nur die Eroberung von Gebieten durch Russland, sondern auch die kulturelle Zerstörung des Landes und die Preisgabe von Menschenleben wie ihrer demokratischen Ideale und Prinzipien in Kauf. 

Stephan Gorol: Raus aus der Defensive! Plädoyer für eine lernende Friedensbewegung, S. 79-86

In der Debatte über den Ukrainekrieg stehen sich Befürworter und Gegner von Waffenlieferungen gegenüber. Der Kulturmanager Stephan Gorol fordert eine Erneuerung der Friedensbewegung, die eindimensionale Kriegserklärungen überwindet, realistische Szenarien für diplomatische Initiativen entwickelt und sich gegen die Mittelstreckenraketen-Stationierung ausspricht.

Martin Laflamme: Propaganda und Disziplin: Die Macht des Xi Jinping, S. 87-92

China hat massiv an geopolitischem Einfluss gewonnen. Der kanadische Diplomat Martin Laflamme beschreibt, wie Staats- und Parteichef Xi Jinping das Riesenreich mit ideologischer Strenge und Parteidisziplin prägt. Den Zusammenbruch der Sowjetunion vor Augen setze Xi Jinping auf sowjetische Methoden der Vor-Perestroika-Zeit – Personenkult inklusive.

Aurora Li, Michael Peters und Uwe Zöllner: Dividenden statt Investitionen. Wie die Finanzialisierung den Klimaschutz verhindert und die soziale Infrastruktur aushöhlt, S. 93-100

Ungebrochen ist der Glaube daran, dass Krankenhäuser, Wasserwerke und andere Infrastruktureinrichtungen effizienter funktionieren, wenn sie nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Dabei untergräbt diese Politik der Finanzialisierug die sozialökologische Transformation, wie die Ökonomen Aurora Li, Michael Peters und Uwe Zöllner aufzeigen.

Dirk Messner: Wohlstand in planetaren Grenzen. Wie die ökologische Transformation noch gelingen kann, S. 101-106

Noch vor wenigen Jahren schien die Notwendigkeit der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit gesellschaftlicher Konsens zu sein. Der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messner erklärt, warum sich die Aufbruchstimmung in Ablehnung verwandelt hat, und zeigt auf, wie die Veränderungsbereitschaft der Menschen wieder gestärkt werden könnte.

Leander Scholz: Mannigfaltigkeit statt Homogenität. Wilhelm von Humboldt und die Geburt der Diversität, S. 107-116

Die Bedeutung von Diversität ist heute in aller Munde. In Auseinandersetzung mit den Ideen Wilhelm von Humboldts beleuchtet der Schriftsteller und Philosoph Leander Scholz den Stellenwert von menschlicher wie nichtmenschlicher Diversität. Das Radikale der von Humboldt ausgehenden Denkströmung bestehe darin, das Soziale selbst ökologisch aufzufassen.

David Begrich und Mareike Gronich: Der Streit um die ostdeutsche Identität. Von der Selbstvergewisserung zur Selbstwirksamkeit?, S. 117-124

Die unterschiedlichen Wahrnehmungen in Ost- und Westdeutschland überlagern viele Debatten über die Verfasstheit der ostdeutschen Gesellschaft, so der Theologe David Begrich und die Autorin Mareike Gronich. Ilko-Sascha Kowalczuks jüngsten Essayband verstehen sie dabei als einen polemisch zugespitzten Beitrag zur deutschen Demokratie, der helfen will, das Bewusstsein für den Wert der Freiheit zu schärfen.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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