Jürgen Trittin: Die neue Merz-Doktrin? Mit dem Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts, S. 55-62
Als „Drecksarbeit“, die Israel für uns alle erledige, bezeichnete Bundeskanzler Friedrich Merz den Angriff auf Iran. Das stehe für eine gefährliche Hinwendung zum Recht des Stärkeren, so der Grünenpolitiker Jürgen Trittin. Statt sich bei Trump und Netanjahu anzubiedern, müsse Deutschland zusammen mit anderen europäischen Staaten das Völkerrecht verteidigen.
Katajun Amirpur: Waffenruhe und Repression. Wie der Westen die iranische Opposition allein lässt, S. 63-68
Die Bombardierung des Iran traf nicht nur das Regime, sondern auch die Bevölkerung. Die Islamwissenschaftlerin und „Blätter“-Mitherausgeberin Katajun Amirpur beschreibt, wie der Krieg im Land Sympathien für Israel zerstört hat und das Regime brutaler denn je gegen die Protestbewegung vorgeht. Ein Umsturz in Iran könne nur von innen kommen.
Hans Joas: Frieden oder Freiheit? 80 Jahre Hiroshima und die mögliche Auslöschung der Menschheit, S. 69-79
Mit den Atombombenabwürfen im August 1945 brach ein neues globales Zeitalter an. Der Sozialphilosoph Hans Joas zeichnet nach, wie Karl Jaspers und Günther Anders diesen Epochenbruch deuteten und plädiert für ein Menschenrechtsverständnis, das Frieden zur Pflicht macht.
Bernard E. Harcourt: Donald Trump und die moderne Konterrevolution, S. 81-90
Wie lässt sich der Aufstieg der autoritären Rechten in den USA verstehen? Der Politikwissenschaftler Bernard E. Harcourt plädiert dafür, das Handeln der Trump-Regierung als Teil einer schon länger andauernden Konterrevolution von rechts zu analysieren. Diese befinde sich gerade in einer „Abrissphase“, in der innere Feinde identifiziert und ausgeschaltet werden.
Sonja Peteranderl: Das Überwachungsimperium. Wie sich die deutsche Polizei von Peter Thiels Palantir-Software abhängig macht, S. 91-96
Palantir ist der führende Anbieter für Überwachungstechnologie und liefert die digitalen Werkzeuge für den autoritären Umbau in den USA. Aber auch drei deutsche Bundesländer setzen seine Software ein. Die Journalistin Sonja Peteranderl beschreibt die potenziellen Folgen und fordert starke gesetzliche Kontrollen und Transparenz, um die Bürgerrechte zu sichern.
Claus Leggewie: Wird das Zentrum halten? Wie wir die demokratische Mitte retten können, S. 97-104
Die Nachkriegszeit in Europa war geprägt von einer Drift zur politischen Mitte, diese wird mittlerweile jedoch von rechts massiv attackiert. Der „Blätter“-Mitherausgeber und Politikwissenschaftler Claus Leggewie beschreibt diese Entwicklung und fordert neue, mutige Ansätze, um die demokratische Mitte wieder zu stärken, etwa durch wechselnde Mehrheiten und mehr deliberative Elemente im Gesetzgebungsprozess.
Viktoria Kaina und Ireneusz Paweł Karolewski: Dysfunktionale Demokratie. Wie Politik sich gegen Alternativen zu immunisieren versucht, S. 105-110
Demokratien können sich selbst hinterfragen, aus Fehlern lernen und so auf Veränderungen reagieren. Allerdings riskieren sie diesen Gestaltungsvorsprung gegenüber Autokratien, wenn sie die Änderung etablierter Regeln grundsätzlich ausschließen. Die Politikwissenschaftler Viktoria Kaina und Ireneusz Pawel Karolewski plädieren dafür, dass in einer Demokratie alle Entscheidungen als vorläufig zu gelten haben.
Bernd Kasparek und Vassilis Tsianos: Zehn Jahre »Wir schaffen das!«. Wie Europa das Asylrecht abwickelt, S. 111-116
Vor zehn Jahren begannen die großen Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Schnell wich die anfängliche Willkommenskultur einer scharfen Antimigrationspolitik, die jetzt an ihre rechtlichen Grenzen stoße, so die Migrationsforscher Bernd Kasparek und Vassilis Tsianos. Deshalb setzten mittlerweile viele Politiker in der EU auf den Bruch mit dem Recht.
Sergej Lebedew: Die Rückkehr des Besatzers. Vom Hitler-Stalin-Pakt zum Krieg in der Ukraine, S. 117-124
Wie tief verankert ist der Imperialismus in der russischen Kultur? Dieser Frage geht der russische Schriftsteller Sergej Lebedew nach und zeigt, wie die Unterwerfung Ost- und Mitteleuropas nach dem Zweiten Weltkrieg als Befreiung umgedeutet wurde. Er fordert eine europäische Erinnerungkultur, welche die osteuropäische Besatzungserfahrung ernstnimmt.