Ausgabe Juli 1994

Volk und Gesellschaftsvertrag bei Jean-Jacques Rousseau

Ingeborg Maus entwickelt in ihrem Artikel „'Volk' und 'Nation' im Denken der Aufklärung" („Blätter", 5/1994, S. 602 ff., d. Red.) eine außerordentlich sympathische und freiheitliche Interpretation der Demokratieauffassung von Jean-Jacques Rousseau. Sie verwirft zu Recht die nicht erst von Jean-Francois Lyotard, sondern schon von Talmon vorgenommene Kritik an Rousseau und Kant, die „postmodern" die „republikanische Identitätsbildung" als freiheitsfeindlich verurteilen. Im Interesse ihrer Interpretation sieht sie aber von mehr als einem zentralen Gesichtspunkt der Rousseauschen Gesellschaftstheorie ab, um sie für die von ihr propagierte offene Konzeption der Volkssouveränität vereinnahmen zu können. Auf diese Weise muß sie notwendigerweise auch die Jakobinerherrschaft mit ihrer Tugenddiktatur als akzidentell verharmlosen, um allein den progressiven Text der Verfassung von 1793 für rousseauistisch zu deklarieren.

Das zentrale Mißverständnis, dem Rousseaus Contrat Social nicht nur bei Frau Maus unterhegt, besteht in der Annahme, es handele sich hier um eine Konstruktion, die für jede Konstituierung einer demokratischen Nation verwendbar sein soll. Im Contrat Social selbst hat aber Rousseau ausdrücklich wiederholt, daß eine republikanische Konstitution nur unter bestimmten historischen Bedingungen möglich ist, die z.B.

Juli 1994

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