Ausgabe Januar 1995

Auf der linken Seite des deutschen Sonderwegs

Hebt man in diesem Winter einige auf dem Weg liegende „Blätter" aus dem letzten Jahr auf, so stellt man fest: Die neue Zuwendung zum okzidentalen Universalismus wird nicht angemessen als Damaskus aufgefaßt, sie bleibt äußerlich und geht nicht mit der nötigen Revision linker Denkgewohnheiten einher. Nach wie vor soll der Staat zugunsten des Volkes entmachtet werden, nach wie vor steht Hobbes im Gegensatz zu Rousseau in schlechtem Licht, nach wie vor herrscht materialistische Metaphysikfurcht mit der Wirkung, daß Sprache und Prozedur substantiellen Inhalten vorgezogen werden, nach wie vor wird der philosophische Dualismus zwischen der Realität und einer davon unabhängigen normativen Ordnung abgelehnt und der den deutschen Sonderweg kennzeichnende Monismus weitergeführt.

Vom Bock zum Gärtner

Gegenüber dem Angriff der jungen Rechten formiert sich bei den alten Linken ein Selbstbewußtsein, das den Begriff Selbstanerkennung verwendet. Man will mit diesem von Golo Mann in den 60er Jahren geprägten Begriff zur Würdigung der republikanischen Leistung der Bundesrepublik auffordern und einer Erscheinung vorbeugen, die man Weimarisierung nennt: der Distanzierung der geistigen Oberschicht von der demokratischen Staatsform. Nicht zufällig hat man einen Begriff gewählt, der sich auf die „alte Bundesrepublik" bezog.

Januar 1995

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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