Türkische Verhältnisse nach Erbakan und Ciller
Am 18. Juni war es soweit: Ministerpräsident Necmettin Erbakan von der islamistischen Wohlfahrtspartei (RP) reichte seinen Rücktritt ein. Vorausgegangen waren Briefings des türkischen Generalstabs über "reaktionäre Aktivitäten", im türkischen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit "islamistischen", gerichtet an die juristische Elite, an Pressemitglieder, Universitätsrektoren und -lehrkörper, öffentliche Verwaltung und NGOs. In der Sitzung des Nationales Sicherheitsrates (NSR) vom 28. Februar hatte die militärische Spitze des Landes erstmals deutlich vor "reaktionären Aktivitäten" gewarnt und entsprechende Gegenmaßnahmen von der Regierung gefordert. Die Presse verdichtete damals die Beschlüsse des NSR zu einem Memorandum, von Ultimatum war die Rede, und die stets vorhandenen Putschgerüchte bekamen neue Nahrung. Da im 1981 in der Verfassung verankerten NSR neben den Spitzen des türkischen Militärs auch Staats- und Ministerpräsident, stellvertretender Ministerpräsident sowie Innen-, Außen- und Verteidigungsminister vertreten sind, konnte von einem "Memorandum" kaum die Rede sein.