Populismus und Hilflosigkeit sind zwei Seiten der selben Medaille. Die spektakuläre „Rettung“ des konkursbedrohten Holzmann-Konzerns durch Bundeskanzler Gerhard Schröder erweist sich als problematisch. Milliardenkredite der Banken sichern das Überleben für einige Monate, sind aber betriebs- wie volkswirtschaftlich und auf lange Sicht ebenso von zweifelhaftem Wert wie die von Schröder zugesagten staatlichen Kredite und Bürgschaften über 250 Mio. DM. Die Motive für diese Vorgehensweise liegen offen zutage. Der Bundeskanzler braucht endlich Erfolge im versprochenen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, und die Banken wollen nicht als Arbeitsplatzvernichter dastehen. Die jetzt 17000 Holzmann-Beschäftigten, so heißt es in der „Rahmenvereinbarung“ zwischen Betriebsrat und Vorstand, verzichten in den nächsten zwei Jahren auf 16% ihres Lohnes. Das summiert sich auf 245 Mio. Mark. Nach anfänglicher Kritik stimmte die Industriegewerkschaft Bau zu, wobei man sich mit Formulierungstricks behalf: Eine Rahmenvereinbarung sei weder eine Betriebsvereinbarung noch ein Haustarif. Aber unterm Strich legitimiert die IG Bau damit einen Bruch der bisherigen Tarifsystematik. Das führt zu einer weiteren Schwächung der Gewerkschaften und der rechtlichen wie finanziellen Stellung der Beschäftigten, die bei angedrohten Konkursen zur Verfügungsmasse werden. Andere Bauunternehmen verlangen inzwischen ebenfalls solche Zugeständnisse.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.