Obschon die militärischen Interventionen in Bosnien, in Afghanistan und im Irak nicht verglichen werden können, was ihre völkerrechtliche Legitimation und ihre Trägerschaft anbelangt, verbindet sie eine Gemeinsamkeit: Die Bedingungen des zivilen Wiederaufbaues waren und sind weitgehend durch die Vereinigten Staaten geprägt oder sogar durch sie allein konzipiert worden. Zwar wurden für Bosnien auch europäische Staaten in die Verhandlungen einbezogen, weil für den militärischen Einsatz eine Einigung mit den NATO-Partnern getroffen werden musste, der auch den nicht-militärischen Bereich umfasste. Dennoch geht das Aufbaumodell stark von US-amerikanischen Prämissen aus, was auch auf den US-Konferenzort in Dayton/Ohio zurückzuführen ist[1]. Für Afghanistan und den Irak erfanden die USA später das Konzept einer „Koalition der Willigen“, so dass auch für den nicht-militärischen Bereich der Weg des Krisenmanagements ohne im Detail ausformulierte internationale Grundlage beschritten wurde. Gemeinsam ist den drei Interventionen im weiteren, dass sich der zivile Wiederaufbau dem militärischen Einsatz unterordnete, ein für die Vereinigten Staaten völlig selbstverständliches Vorgehen: Schon in Dayton – und um so deutlicher in Afghanistan und im Irak – wurde auch der nicht-militärische Bereich maßgeblich durch das Pentagon konzipiert[2].
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.