Ausgabe April 2007

Helmut Schmidts Vermächtnis

Am 27. Februar verlieh der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität in Marburg den Titel eines Ehrendoktors der Philosophie an den Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Die Entscheidung war umstritten, insbesondere nach dem zunächst einsamen, dann aber überregionale Beachtung findenden Protest von Frank Deppe. Dessen ausführlicher Schriftsatz, mittlerweile im Internet einsehbar,1 ist allerdings bisher die einzige argumentative Stellungnahme aus der Universität selbst. Die Proponenten haben darauf nicht öffentlich geantwortet. Ihre Motive sind ebenso unerhellt wie ein Teil des Entscheidungswegs, zumal sogar der Dekan, der schließlich die Urkunde auszuhändigen hatte, mit knapper Not diplomatisch blieb: Er habe den Fall nahezu abgeschlossen vorgefunden, als er sein Amt antrat. Ein Abbruch des Verfahrens hätte seiner Meinung nach größeren Schaden angerichtet.

Helmut Schmidt hielt anlässlich seiner Auszeichnung die „Christian-Wolff- Vorlesung“. Ihr Name erinnert an den berühmten Hallenser und Marburger Aufklärungs-Philosophen (1679–1754). Der vorgetragene Text hat den Titel „Verantwortung und Gewissen des Politikers“, liest sich über weite Strecken wie ein politisches Vermächtnis und verdient deshalb, unabhängig vom Anlass, Aufmerksamkeit.

Die Rede wurde von „Phoenix“ live übertragen.

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